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Guter Vorsatz: Apotheker wollen überleben Alexander Müller, 07.01.2017 07:30 Uhr

Berlin - 

Apotheker wollen nicht abspecken, sie würden 2017 lieber mal etwas zulegen. Die meisten von ihnen rauchen sowieso nicht und weniger Stress im Job steht auch nicht oben auf der Liste der guten Vorsätze. Stress ist Umsatz in der Offizin. Und während viele angehende Vorsatzbrecher jetzt im Januar ihre Diätpulver und Nikotinpflaster kaufen, haben die Apotheker für 2017 ein anderes Ziel: 2018.

Das alte Jahr ist Vergangenheit, gerade das letzte Quartal war für die Apotheker zum Vergessen. Das EuGH-Verurteil schürt nicht nur Zukunftsängste, es hat auch über Wochen zu einem leider allzu vertrauten öffentlichen Apothekenbashing geführt. Wahlweise die bösen „Apothekenpreise“ oder die böse „Apothekerlobby“ waren dran. Wobei nicht klar ist, ob mit jenen eigentlich die Zuzahlung gemeint sein kann und mit dieser tatsächlich die ABDA.

Und zunächst sah es so aus, als würde es im neuen Jahr genau so weiter gehen. Im Heft 01/17 hat sich Ökotest Erkältungsmittel vorgenommen. Klar, es ist ja auch Erkältungszeit. Ebenso erwartbar wie die Themenfindung war der Ausgang: Kombinationspräparate sind laut Test ganz schlecht. Immer und alle. Einfachheit siegt 2017.

Doch dann die Überraschung: Die FAZ druckte einen Beitrag, in dem die Apotheker nicht verrissen wurden. Gut, den hatte ein Apotheker geschrieben, aber immerhin. Merke: Ärgere keinen Apotheker mit der Morgenzeitung, der gerade einen Weihnachtsnachtdienst (was für ein Wort) hinter sich hat. Für seinen Leserbrief wurde der Apotheker von den Kollegen jedenfalls gefeiert.

Ein bisschen Verständnis muss man aber dafür aufbringen, dass das Apothekensterben – < 2000 in Westfalen-Lippe – nicht überall als gleich bedrohlich wahrgenommen wird. In der Berliner Turmstraße etwa gibt es im Umkreis von 200 Metern sechs Apotheken. Unterversorgung sieht anders aus. Andererseits kann man diesen Apotheken nicht vorwerfen, der Gesetzgeber würde sie vor Wettbewerb schützen.

Andere begeben sich freiwillig in diesen Zustand: In Wolfsburg will ein Apotheker ausgerechnet zwischen zwei Platzhirschen sein neues Revier begründen. Na dann Weidmannsheil. Allerdings wird man selbst zum Gejagten werden. Die Filiale ist jedenfalls seine Antwort auf das EuGH-Urteil. Flucht nach vorn, den guten Vorsätzen treu bleiben. Falls er noch Tipps für ein Werbekonzept benötigt: Cowboys haben sich bei Klindworts bewährt – sogar im Kino. Was auch immer geht: Vampire oder Dinosaurier.

Oder Tiere und Kinder. Die Shop-Apotheke setzt auf diese Urweisheit der Werbestrategen, nennt sich zum Schluss aber etwas bemüht als „Die Online-Apotheke für Deutschland“. Plakativer schafft es nur die Halbschwester Europa Apotheek, die sich gleich als „Ihre Rezept-Apotheke“ bezeichnet. Womöglich steht im Kleingedruckten, welche verschreibungspflichtigen Arzneimittel man bestellen soll, damit es sich für beide Seiten auch lohnt.

Zum EuGH-Urteil gibt es in den Feuilletons das ein oder andere – nennen wir es Missverständnis. Die Ungleichbehandlung zwischen ausländischen Versendern und inländischen Apotheken zu erklären, ist dabei eigentlich ganz leicht. Ein Apotheker hat das sehr anschaulich mit einem verkehrspolitischen Gleichnis geschafft und erhält dafür digitales Schulterklopfen. Und nein, hier wird jetzt nicht schon wieder über den Karabiner gemeckert. Haken dran.

Die deutsche Versandkonkurrenz hat unterdessen andere Sorgen. Sanicare würde anscheinend gerne den Chefapotheker zum Mitinhaber machen, aber das geht nicht einfach so. Und bei Aponeo hat der Chefapotheker dem Versand den Rücken gekehrt und ist zurück in die Apotheke vor Ort gewechselt. Das neue Lager kann Aponeo auch nicht bauen, wegen der Bronzezeit. Irgendwas ist immer.

DocMorris hat den Traum vom Eigenheim hierzulande dagegen noch nicht aufgegeben. Josef Hecken hat zwar neue Hobbies und selbst die „Markenpartner“ sind auf ein trauriges Dutzend zusammengeschrumpft. Aber es gibt ja noch Hüffenhardt. Dort sollen demnächst zwei „Wellcome-Managerinnen“ den Betrieb eines Abgabeautomaten erklären – und in Akutfällen bestenfalls den Weg zur nächsten echten Apotheke weisen. In der vermutlich gerade jemand sein im Internet bestelltes Norditropin-Plagiat reklamiert.

Es müssen gar nicht immer so absurde Fälle sein. Schon die mathematische N-Größen-Akrobatik bei der Abgabe reicht für einen Nervenzusammenbruch. Bürokratieabbau? Von wegen. Und die FDP will die Apotheker auch nicht mehr retten – will aber auch nicht mehr von diesen gerettet werden. Das ist nice. Die SPD verkauft über ihr Alter Ego schon Flachbildschirme an die Apotheker.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) könnte das Treiben der politischen Konkurrenz freuen, hätte er nicht andere Sorgen. Sein Haus hat bei Piperacillin den Notstand ausgerufen. Der wird im Zweifel dann einfach an die Nachbarn weitergereicht. Immerhin: Hexal will schon im 2. Quartal wieder voll liefern können.

Und was war sonst noch wichtig? Bei Linda geht ein Vorstand und ein paar Kooperationspartner wechseln, bei Sanofi muss sich Team Boehringer jetzt beweisen, Orthomol kommt grün und iWhite ist nicht mehr apothekenexklusiv. Zurück zum guten Vorsatz: Das EuGH-Verfahren ist noch nicht ausgestanden: Im April geht es vor dem OLG Düsseldorf weiter und dann womöglich sogar vor dem BGH. Und jetzt raus an die frische Luft! Oder haben Sie gar keine guten Vorsätze? Schönes Wochenende!