Gröhe geht als Rx-Versandverbot Alexander Müller, 25.02.2017 08:06 Uhr
Als Rheinländer kann man sich dem Karneval kaum entziehen, die meisten versuchen es erst gar nicht. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist ein Jeck aus Leidenschaft. Und er ist sich in der fünften Jahreszeit nicht zu fein, beim bunten Treiben kostümiert mitzumischen. In diesem Jahr fällt ihm die Entscheidung nicht leicht.
Als Arzt hat sich Gröhe schon im vergangenen Jahr verkleidet, das scheidet also aus. Außerdem weiß er um die Macht der Bilder und will sich mit der skandalumwitterten KBV in diesem Jahr lieber nicht in Verbindung bringen lassen. Also bleiben Stethoskop, Kittel und Plastikskelett in der Verkleidungskiste.
Er könnte als vertraulicher Erstattungspreis gehen. Ist aber gefährlich, das könnte nach Anti-Korruptionsgesetz aussehen, und richtig lustig ist es auch nicht. Eine Verkleidung als Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG) könnte genauso missverständlich sein. „Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen“ hätte Gröhe ganz lustig gefunden, aber sein Frau meinte, das wäre zu schwer zu nähen.
Und so rückt der Rosenmontagszug immer näher, fast meint er die ersten Helau-Rufe schon zu hören. Ein Kostüm, ein Kostüm muss her. In den Apotheken wird bereits Karneval gefeiert. Der Minister fragt sich also, welche Projekte ihm in seiner sich neigenden (ersten) Amtszeit noch besonders am Herzen liegen. Das Rx-Versandverbot zählt dazu. Nicht weil Gröhe am Montag auf dem Wagen der Apotheker mitfahren möchte, sondern weil es ihm gegen den Strich geht, dass die Bürokraten aus Brüssel ihm in die gesetzgeberische Gestaltung der Gesundheitsversorgung hineinpfuschen wollen. Also wird er beim Umzug ein Zeichen setzen – auch an den Koalitionspartner – und als Rx-Versandverbot gehen. Als OTC-Kamelle gewissermaßen.
Gröhes neue Kabinettskollegin Brigitte Zypries (SPD) aus dem Wirtschaftsministerium hat sich noch nicht entschieden. Weder für ein Kostüm, noch für das Rx-Versandverbot. In der GroKo herrscht noch Abstimmungsbedarf, was die Fraktion der Grünen erfahren musste: Die sehr große kleine Anfrage der Grünen bügelte Gröhes Haus in den allermeisten Punkten mit derselben Hinhaltefloskel ab. Andererseits liest sich die Anfrage auch nicht so, als wären die Grünen wirklich an Antworten interessiert.
Doch noch einmal zu Zypries: Wenn es stimmt, was die Kollegen von der Berliner Zeitung schreiben, und die Wirtschaftsministerin das Rx-Versandverbot im Kabinett blockiert, dann spricht das nicht für ihre Glaubwürdigkeit: Noch im vergangenen Jahr – damals im Ministerium noch als Parlamentarische Staatssekretärin bei Sigmar Gabriel – machte sie bei der Aktion „Ich kauf gern vor Ort“ mit und ließ Fotos davon in einem Studio machen. Es gäbe da eine einfache Möglichkeit, sich für die wohnortnahe Versorgung einzusetzen.
Nicht mit von der Partie sind die Liberalen. Die FDP möchte über die reine Marktlehre zurück in den Bundestag: große Einheiten, große Gewinne. Die Abkehr von den Apothekern ist der Versuch, ein Mövenpick-Image abzulegen. Und um nur irgendwie die 5 Prozent zu schaffen, verkaufen die Liberalen ihre Liberalisierungsfantasien für den Apothekenmarkt als Wohltaten für freie Bürger. Die JuLis Bochum – ein Widerspruch in sich – wollen sogar so weit gehen, den Versandhandel mit Arzneimitteln zu erlauben. Das Publikwerden eines mehr als peinlichen Meme feiert die liberale Splittergruppe als erfolgreiche Wahlwerbung. Jeder hat halt sein Päckchen zu tragen.
Manchmal werden Päckchen auch außer Landes getragen. Das ist für Apotheker und mehr noch für ihre Patienten vor allem dann ärgerlich, wenn die Arzneimittel in den Päckchen ohnehin schon Mangelware sind. Aber die Preispolitik beflügelt den Export, so dass Zwischenhändler auch in Apotheken eifrig sammeln gehen – ganz im Zeichen des Karnevals und mit bis zu 40 Prozent Aufschlag auf den Listenpreis.
Päckchen nach Deutschland verschicken möchte auch künftig DocMorris. Weil aber in vielen Päckchen verschreibungspflichtige Arzneimittel liegen, wird man in Heerlen allmählich nervös, dass das Rx-Versandverbot noch immer nicht vom Tisch ist. Der Erfolg in Luxemburg könnte zum Pyrrhussieg werden.
Wie blank die Nerven bei DocMorris inzwischen liegen, zeigt eine Postkartenaktion, wie sie die ABDA nicht schöner hätte anzetteln können: Online können Kunden einen vorgeschriebenen, aber von hochemotionaler persönlicher Betroffenheit triefenden Brief an DocMorris schicken, den die Versandapotheke dann an den dazugehörigen CDU- oder CSU-Abgeordneten schickt – per Post. Warum die SPD-Abgeordneten ausgespart werden, ist nicht klar. Warum Grüne und FDP ausgespart werden, dagegen schon. Die Abgeordneten der Union dürften jedenfalls tief beeindruckt sein von dieser glaubwürdigen Graswurzelbewegung zum Erhalt des Rx-Versandhandels aus Saudi-, also aus den Niederlanden.
Es gibt Erhebungen, deren Ergebnis man irgendwie erwartet hatte: Viele Billigwindeln sind mangelhaft. Wow. Der Ruf der Pharmaindustrie ist schlecht. Auch nicht überraschend. Wobei hier die Antwort vielleicht anders ausgefallen wäre, hätte man die Frage gestellt: „Wie finden Sie Unternehmen, die Mittel gegen heute noch unheilbare Krankheiten erforschen?“
Keinen guten Ruf bei seinem Amtsapotheker hatte ein Apotheker aus dem Hochsauerland. Dessen Akte war irgendwann so dick, dass die Schließung angeordnet wurde. Aber wer sich vorher nicht an jede Kleinigkeit hält, ignoriert auch mal einen Schließungsbeschluss. Und dann kommt die Polizei und versiegelt die Apotheke – und alle drei Filialen werden gleich mit geschlossen. Der Apotheker fühlt sich ungerecht behandelt. Und ein bisschen hat er recht: Andere haben Müll von der Decke hängen und werden dafür gefeiert.
Und andere retaxieren Müll und werden nicht dafür gefeiert. Eine Kasse retaxtiert gegen den Retax-Deal, eine andere wissentlich nach Ablauf der Retaxfrist. Argument: Der Apotheker hätte ja im Einspruch darauf hinweisen können, dass die Kasse zu spät retaxiert hat. Hat er aber nicht, ergo die Absetzung anerkannt. Das Hessische Landessozialgericht erinnerte die Kasse daran, dass sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Und das Beste: Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen.
Zu Ende ist auch der Prozess um die Rx-Boni von DocMorris für die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV). Letztere hat plötzlich eine Unterlassungserklärung abgegeben, wovon eigentlich nur DocMorris profitiert. Die ABDA kann sich über ihre neue Freundin nur wundern.
Die Apotheker können sich aber nicht nur mit der großen Politik beschäftigen. Denn es kommen neue Aufgaben auf sie zu, Stichwort Cannabis-Handel. Also fleißig büffeln! Schönes Wochenende!