Wenn die Apotheker das nächste Mal bei der Politik in Sachen Honorar vorsprechen, wird ihnen vielleicht ein süffisantes Grinsen begegnen. „Was wollt ihr denn? Euer Umsatz und Ertrag sind doch gestiegen! Schon wieder!“ Und dann werden die Apotheker wieder auf den Rückgang der Apotheken verweisen, auf die Teuerungsrate und das Durchschnittseinkommen der Ärzte. Und was werden sie bekommen? Einen Kaktus vielleicht.
Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV), versteht sich auf die politischen Spielchen. Er weiß, dass ein neuer Rekord beim Durchschnittsumsatz – so atypisch er auch sein mag – die Politik provoziert. Becker rechtfertigt diese Werte also gar nicht. Weil er nur zu gut weiß, dass sich der Gesamtumsatz 2015 auf weniger Apotheken verteilt hat. Schon wieder. Deshalb fühlt sich der Berufsstand selbst provoziert, wenn Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktionen plötzlich von einem Honorardeckel anfangen. „Missachtung unserer Arbeit“, „inakzeptabel“, „Nicht mit uns!“, poltert Becker.
Der Rest seiner Rede beim diesjährigen DAV-Wirtschaftsforum vermochte Déjà-vus zu erzeugen. Wie sollen sich die Forderungen der Apotheker auch ändern, wenn keine von ihnen erfüllt wird. Zwar besteht berechtigte Hoffnung auf eine baldige Anpassung des Rezepturhonorars – aber was bringt das schon. Zumal das Bundeswirtschaftsministerium noch eine ganze Weile das Apothekenhonorar berechnen lässt und sich die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von Union und SPD ihre fixe Deckelidee in der Diskussionsrunde nicht so einfach austreiben ließen.
Claudia Korf, Wirtschaftsfachfrau und Stimmungskanone bei der ABDA, verglich die Erfolge der Apotheke mit einem Kaktus – welche Assoziationen sie auch immer damit auszulösen gedachte. Jedenfalls sollten sich die Apotheker jetzt nicht hinsetzen. Und ihr Appell zum Schluss, man müsse sich in der Öffentlichkeit mehr Gehör verschaffen, klang schon ein bisschen aufrührerisch. Die Apotheker hätten sicher nichts dagegen: Ein Kaktus allein ist schließlich noch kein Erfolg.
Geradezu überdreht wirkte „cK“, als es um das Verhältnis Arzt-Apotheker ging. Korf – eine ehemalige Kassenmanagerin – freute sich diebisch, dass die Pharmazeuten im Vertrauensranking mittlerweile vor den Medizinern liegen. Leider nicht beim Kassen-Zuschuss: Das Teilergebnis der GKV-Versorgung stagniert in der Offizin bei knapp 80.000 Euro, ein stinknormaler Hausarzt liegt schon bei 108.000 Euro. Die Ärztezeitung griff das auf: „Apotheker legen wirtschaftlich 2015 zwar leicht zu, sehen sich aber hinter den Hausärzten.“ Als wollte das Ärzteblatt sagen: „Das wäre ja auch noch schöner.“ Da hilft DAV-Chef Becker höchstens noch ein großer Schluck Fritz' MediNeid – der Honorarsirup für den Heilberuf.
Zugegeben: Designstudent David Küchenthal war da kreativer. Seine Anzeige „Wick dich, du Hustensohn“ wurde beim Kreativtreffen ADC-Festival zurecht mit Silber ausgezeichnet. Der 28-Jährige fand die Werbung für die Bonbons zu zurückhaltend. „Ich wollte etwas Provokantes machen.“ Schon wieder. Eine Woche voller Provokationen...
Und was kommt heraus, wenn man Wick-Produkte mit Provokation mischt? Richtig! Gerd Glaeske. Der war schon wieder als OTC-Instanz im Fernsehen und durfte diesmal bei Report Mainz erklären, wie schlimm das alles in der Sichtwahl ist. Gefährliche, böse OTC-Medikamente. Aber es ist wie mit jeder Provokation: Irgendwann nutzt es sich ab.
Um eine markige Formulierung selten verlegen ist auch Dr. Bernhard Bellinger. Der Steuerberater bezeichnet die Pläne von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Kassen-Nachschau als „digitalen Überfall“. Ernsthaft Sorgen macht sich der Steuerfachanwalt aber um die Apotheken, wenn das künftig obligatorische Softwarezertifikat beim ersten mittelgroßen Update flöten geht und die EDV-Anlage abgeschaltet werden muss. Rabattverträge bedienen ohne Warenwirtschaft? Viel Spaß. Selbst die ABDA findet ungewohnt deutliche Worte zu den Plänen des Ministers.
Nichts dagegen hätte vermutlich so manche Krankenkasse, billiger als ein Rabattarzneimittel kommt nur noch das Nullretaxarzneimittel. Andererseits: Retaxgründe gibt es noch genug. Die DAK hat sich mal wieder pharmazeutische Bedenken vorgenommen. Zwar reicht es aus, wenn der Apotheker die Sonder-PZN für pharmazeutische Bedenken aufdruckt und darunter handschriftlich „pharmazeutische Bedenken“ vermerkt. Unterlässt er aber diese Begründung, ist die Arzneimittelsicherheit in Gefahr. Provokation? Nein, Rahmenvertrag.
Ist im Grunde aber ein alter Hut. Der neue Modetrend könnte Toner-Retax lauten. Die AOK Niedersachsen hat mal ein kleines Pilotprojekt unternommen. Weil das Rezeptimage nicht zu lesen war und das Original so tief im Keller lag, wurden die 21.500 Euro zunächst auf Eis gelegt. Dass die Apothekerin den Fall gleich öffentlich machte, kam dann doch etwas ungelegen. Man trat den geordneten Rückzug an.
Den Markt verlassen hat auch der gute alte Kytta-Balsam. Das Beinwell-Präparatvon Merck wird zurückgerufen, weil es Ende des Monats seine Zulassung verliert. Andere Darreichungsformen sind nicht betroffen. Der Hersteller bewirbt bereits nur noch die Schmerzsalbe, Kytta Geruchsneutral sowie Kytta Plasma. Ebenfalls weg ist Locabiosol. Aber was kommt danach? Was es schon gibt: Schlankheitskapseln für die Apotheke und bei Bedarf für die Apotheker.
Abnehmen liegt nämlich im Trend: Die Zahl der Apotheken ist rückläufig, noch schneller sinkt die der Inhaber. Denn immer öfter werden Apotheken als Filialen geführt. Das macht die Geschäftsübergabe nicht unbedingt einfacher, weiß auch Axel Witte, Chef der Steuerberatungsgesellschaft RST.
Dabei wird der Verkaufspreis der eigenen Apotheke als Bestandteil der Altersvorsorge immer wichtiger. Denn die Versorgungswerke stöhnen unter der Niedrigzinspolitik. In Schleswig-Holstein stürzt demnächst der Rechnungszins ab. Ist aber nicht so schlimm. Herr Schäuble will das Renteneintrittsalter ohnehin an die steigende Lebenserwartung koppeln. Also, nicht provozieren lassen und entspannt in den Mai tanzen. Schönes Wochenende!
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