Erwartungsverlässlichkeit Alexander Müller, 09.05.2015 10:03 Uhr
Das Leben ist kein Wunschkonzert, das Apothekerleben schon gar nicht. Aber wünschen muss man trotzdem, sonst bekommt man am Ende gar nichts. Und was wünscht sich die ABDA von der Politik? Erwartungsverlässlichkeit. Also damit sollten sie in dieser Woche der Wünsche durchkommen.
Mal im Ernst: Was wollen die Apotheker? Erwartungsverlässlichkeit? Was soll dieser sperrige Begriff, der allenfalls in der Außenpolitik mit ihren diplomatischen Worthülsen seine Berechtigung hat? „Verlässlichkeit“ könnten die Apotheker von der Politik fordern, oder – wenn sie denn konkrete „Erwartungen“ haben – noch einfacher: Geld. Mehr Honorar.
Aber in der Sprachwelt der ABDA stehen auf dem Wunschzettel als nächstes „klarere Vergütungsregeln“. Wozu der Komparativ? Wieso nur Regeln? Wieso nicht: Mehr Geld? Klar, gemeint ist eine Routinekontrolle des Apothekenhonorars – was immerhin ein Anfang wäre. Allerdings müssten die Apotheker dann diesmal bei der Berechnung der tatsächlichen Kostensteigerung bitte einen Stich machen.
Vielleicht sah man sich bei der ABDA zu dieser zurückhaltenden Kommunikation genötigt, weil die Apotheken im vergangenen Jahr durchschnittlich mehr als 2 Millionen Euro Umsatz gemacht haben. Dass die oberen 2,4 Prozent der Apotheken den Mittelwert weit über die eigentliche „Durchschnittsapotheke“ zerren, wird kaum einen Gesundheitspolitiker interessieren. Die wussten schon, warum sie die „typische Apotheke“ in der Statistik abschießen wollten. Im Übrigen lässt sich der Umsatzanstieg schon beinahe mit dem Friedhofsblumeneffekt erklären.
Zum Glück hat Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), dann doch noch einmal sehr deutlich ausgesprochen, dass die Apotheker natürlich mehr Geld wollen, für Rezeptur und BtM sowie einen Nachschlag zum Nacht- und Notdienstfonds.
Mit dem Fonds können die Apotheker insgesamt zufrieden sein, manche besonders: Die einzige Apotheke auf der Nordseeinsel Helgoland hat im vergangenen Jahr 96.000 Euro aus dem Topf erhalten – und konnte nur deshalb überhaupt verkauft werden. Der neue Inhaber sollte bitte auch weiterhin von Sozialneid verschont bleiben – immerhin muss er immer mit seinem Notdiensthandy duschen.
Mit solchen Gemeinwohlpflichten müssen sich Versandapotheken typischerweise nicht herumschlagen. Und können sich daher auf das konzentrieren, was sie am besten können: OTC-Schnäppchen. Dass es im Netz aber auch Unterschiede im Service und der Nutzbarkeit der Seiten gibt, kam bei einer Studie heraus: Hier die Top 15 Versender.Detail
Päckchen, respektive Kartons packen muss womöglich auch bald die Belegschaft der ABDA in Berlin: Wenn der Brandschutz streng bleibt und man zu dem Schluss kommt, dass sich zu große Investitionen in das zum Verkauf stehende Mendelssohn-Palais nicht mehr lohnen, könnte ein Umzug vor dem Umzug drohen. Vielleicht müssen die Mitarbeiter zwischendurch an Berlins berühmtestem Boulevard zur Miete wohnen, bis es ins neue Haus geht – mutmaßlich ein ganz neues Haus in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Umzug und Neubau sind nicht mit dem Umbau zu verwechseln, den die ABDA intern vornehmen will. Zwar entstehen bei der von der KMPG kalkulierten Verschmelzung der wirtschaftenden Töchter erneut nicht unbedeutende Kosten. Aber was nützt es, wenn das Finanzamt ungeduldig wird mit den bisherigen Strukturen. Zum Glück liegt genug auf der hohen Kante – aus glücklicheren Tagen.
Ärger mit dem Finanzamt gibt es auch im Kleinen: Ein Apotheker hatte gewissenhaft Fahrtenbuch geschrieben, und die privaten von den betrieblichen Touren unterschieden. Doch weil sein elektronisches Fahrtenbuch nicht 100-prozentig manipulationssicher war, sollte er ein paar tausend Euro pro Jahr nachzahlen. Das Finanzgericht gab natürlich dem Fiskus recht. Der Apotheker soll zwar nicht betuckt haben, aber er hätte können. Ein mitfühlender Kollege meinte schon, er würde dem nächsten Prüfer sexuelle Belästigung unterstellen...
Also lieber raus mit der Kohle: Die Kooperation Parmapharm („Gesund ist bunt“) gewährt den zuletzt gebeutelten Mitgliedern eine großzügige Ausschüttung. Der gesamte Jahresüberschuss geht an die Apotheker. Im Durchschnitt bekommt jeder der 250 Gesellschafter 1650 Euro.
Wer lange genug spart, kann sich so vielleicht bald eine Filiale kaufen, oder besser noch: einen ganzen Filialverbund. Jeder Zwölfte übernimmt inzwischen eine Minikette, hoffentlich ohne sich zu übernehmen.
Günstiger wird bald das Wegschmeißen: Das System der Remedica-Entsorgung feiert sein Comeback, die Müllsäcke werden billiger und die Abholung sogar gratis. Das neue Modell beruht auf einer Kooperation von der Reclay Group mit Wepa und Pharma Privat.
Wenig kooperativ zeigt sich der Hersteller Abbott, was den Vertrieb seines Blutzucker-Messgeräts Freestyle Libre angeht. Das soll nämlich bitteschön nur direkt beim Hersteller geordert werden, ohne diese störenden unabhängigen Apotheker dazwischen. Dr. Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerischen Apothekerverbands, gab im Vorfeld seines Apothekertages zu Protokoll, dass das nicht geht, und droht dem Hersteller mit dem Kartellamt.
Da müsste auch noch eine Akte zur Noweda liegen, weil die einen easy-Apotheker boykottiert. In dieser Woche zeigte sich die Genossenschaft hilfsbereit und erklärte Apothekern, wie sie kühlpflichtige Ware richtig verpacken. Bleibt zu hoffen, dass das für die meisten Angesprochenen kein intellektuelles Neuland war. Zumindest Absolventen der Frankfurter Goethe-Uni sollten das drauf haben – hier ist die Pharmazie nämlich spitze.
Ihre Spitze verloren haben die gesundheitspolitischen Grünen – Biggi Bender wurde bei der vergangenen Wahl gewissermaßen ausgelistet. Und mit ihr die Kettengespenster? Jedenfalls viel versöhnlicher gab sich ihre Nachfolgerin, Kordula Schulz-Asche, beim DAV-Wirtschaftsforum. Die will explizit keine bestehenden Strukturen mehr zerstören. Das klingt auch irgendwie grüner.
Mehr Geld wollte Schulz-Asche den Apothekern aber auch nicht in Aussicht stellen. Erstmal sei die Pflege dran. Auch die übrige MdB-Vertretung konnte oder wollte keine konkreten Versprechungen geben. GKV-VSG, E-Health- und Präventionsgesetz oder der Innovationsfonds – es sei nicht auszuschließen, dass man noch etwas für die Apotheker tun könnte. Erwartungsverlässlichkeit.