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Der Exorzist Alexander Müller, 06.05.2017 07:48 Uhr

Berlin - 

Im abgedunkelten Saal tritt Oberpriester Christian vor. Unzählige Kerzen brennen, der schwere Weihrauch liegt in der Luft und aus den Stimmen der FDP-Jünger tönt monoton und heiser ihr „libera lismus, libera lismus“. Dann wird ein schlotternder Mann in weißem Büßerkittel vor den Oberpriester gezerrt. Der Exorzismus kann beginnen.

Die FDP hat sich darauf eingeschworen, sich bei ihrem Konvent vom bösen Geist der Klientelpartei zu befreien. Niemand soll künftig mehr behaupten können, die FDP setze sich für irgendjemanden ein. FDP-Solotänzer Wolfgang Kubicki hatte es ja schon vor Monaten gepredigt: Selbst wenn alle Hoteliers, Apotheker, Ärzte und Anwälte FDP wählen würden, reiche das nicht für 5 Prozent.

Weil das stimmt, sucht die Partei den radikalen Schnitt. Die 4,8 Prozent vom letzten Mal sollen auch noch geopfert werden, um der Welt zu zeigen, dass die FDP für niemanden mehr Partei ergreift. Sie wird gewissermaßen eine unparteiische Partei, eine parteilose Partei. Die soll dann wieder jeder wählen können. Als freie Demokraten wollen die Liberalen auferstehen und einziehen in den Bundestag. Freiheit! Freiheit von den Freiberuflern!

Der Mann im weißen Kittel wird vorgeführt und nach allen Regeln der Kunst exorziert. Er schwört leichten Herzens, nie wieder das Kreuz bei den Liberalen zu machen. Denn künftig soll jeder die Freiheit haben, eine Apotheke zu betreiben, Steuern zu zahlen oder Zusatzbeiträge. Hauptsache, Allianz versichert. Nach der gelungenen Austreibung gibt es zum Nachtisch einen großen Becher Mövenpick-Eis.

Und in Wirklichkeit hat es der Antrag 194 zum Fremdbesitzverbot so in das Wahlprogramm der FDP geschafft. Eine Apothekerin unter den Delegierten des Parteitags konnte das nicht verhindern. Sie zeigte sich im Anschluss enttäuscht, weil auch ihr Antrag zum Rx-Versandverbot abgeschmettert wurde. Die FDP sei jetzt „eine Klientelpartei für den Versandhandel“, sagt sie im Interview mit APOTHEKE ADHOC. Und hier ist der Video-Beweis.

Andere Kollegen reagierten noch harscher auf den Kurswechsel der Liberalen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt dagegen mit der ihm eigenen Gelassenheit. Das Wahlprogramm der FDP sei „inkonsistent“. Das sind noch nicht die ganz schweren Geschütze, aber offenbar will man die FDP ihr Mövenpick-Trauma allein bewältigen lassen und dabei nicht stören.

Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) haben die Apotheker neben dem Hausherren Hermann Gröhe (CDU) noch eine glühende Verehrerin: Die Parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) weiß nach einem Akutfall mit pharmazeutischer Intervention in der eigenen Familie, was sie an der Apotheke um die Ecke hat: „Hätte mein Mann eine Internetapotheke angewählt, wäre nach ein paar Tagen ein nutzloses Medikament gekommen, denn inzwischen hätte er seinen Arm oder schlimmstenfalls sein Leben verloren.“

Die Apotheke um die Ecke hatte es zuletzt nicht unbedingt leichter. Denn während die schmale Honorarerhöhung für Rezepturen und die BtM-Dokumentation irgendwo im Bundespräsidialamt herumgeistert und auf Frank-Walter Steinmeiers Unterschrift wartet, nimmt die Zahl der Apotheken weiter ab. Logisch ist, dass sich der Umsatz dann auf die Hinterbliebenen verteilt, fraglich ist, wessen ordnungspolitisches Ziel das eigentlich ist. Irgendwann ist auch mal Schluss mit der Filialisierung – auch wenn der Trend ungebrochen ist.

Die Löwen-Apotheke in Frankenau hat jedenfalls ausgebrüllt, und auch im bayerischen Hebertshausen hat eine Apothekerin die Reißleine gezogen und ihre Apotheke geschlossen. Die Dorf-Apotheke des Vaters in eine Easy umzubauen, wird auch nicht überall helfen. „Schieberezepte“ sind mit Sicherheit das falsche Rezept, auch wenn es in diesem Fall vorerst gut gegangen sein mag.

Die Apotheker müssen auf ihre wirtschaftliche Basis achten. Wenn sich nicht mehr Ärzte ansiedeln und keine Parkplätze gebaut werden können, bleibt als Stellschraube der Einkauf: AEP hat – nicht ganz uneigennützig – Tipps für Verhandlungen mit Großhändlern ohne Einheitskondition gegeben. Phoenix dagegen plant offenbar, die eigenen Kunden noch enger an sich zu binden: Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC könnte noch um Frühsommer das Dachmarkenkonzept Liv Plus an den Start gehen.

DocMorris ist mit Dachmarkenkonzepten fürs Erste durch und setzt auf Automatisierung. Doch jetzt hat nicht nur die Aufsichtsbehörde Einwände, sondern auch noch Apotheken aus der Umgebung. Drei von ihnen wollen mit Unterstützung der Noweda gegen den Betrieb des Terminals klagen. Denn OTC-Arzneimittel spuckt der Automat munter aus, aktuell dürfen nur keine Rezepte eingelöst werden.

Rezepte? Versandhandel? Da war doch was. Einen letzten Aufschlag für das Rx-Versandverbot gibt es tatsächlich noch: Am 17. Mai wird ein Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema behandelt. Doch diesem Vorstoß aus der Opposition wird es genauso ergehen, wie dem Vorschlag der Grünen zur Aufhebung der Festpreise.

Vor dem Gesetzgeber braucht sich DocMorris in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr zu fürchten. Die Gefahr war gefühlt aber immer, nun ja, weit weg. Jetzt geht es für den Schweizer Mutterkonzern Zur Rose zunächst ums Geld einsammeln. Denn die Werbung für die Rx-Boni war offenbar sündhaft teuer, sodass im ersten Quartal ein Rekordverlust aufgelaufen ist. Ein Börsengang könnte frisches Geld bringen. Ein Spaziergang frische Luft. Schönes Wochenende!