Die Nachricht schlug ein wie ein Bombe: dm zieht sich aus dem Handel mit apothekenexklusiven Kosmetika zurück. Was wie ein Paradoxon klingt, markiert für die Apotheker eine Zeitenwende. Endlich müssen sie sich nicht mehr darüber ärgern, dass die Drogeriekette hochwertige Cremes, Lotionen und Gesichtswasser aus dem Graumarkt in den eigenen Filialen beratungslos vertickt. Einige Apotheker sind so gerührt, dass sie zum Dank die dm-Eigenmarken in ihr Sortiment aufnehmen möchten.
Erst war es nur ein Gerücht. Doch als die dm-Zentrale gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigte, dass Eucerin, Vichy, Medipharma und etliche weitere Marken ausgelistet werden, verbreitete sich die Meldung wie ein Lauffeuer. N24, Welt und Kölner Express griffen die Story auf, „Superweib“ sowieso. Focus online war die Geschichte sogar ein Videobeitrag wert.
Die Apotheker reagierten mit anerkennenden Botschaften: Überall im Land hängten Pharmazeuten dm-Luftballons vor ihrer Offizin auf und erweiterten ihr Sortiment kurzerhand um Balea-Produkte. Eine Berliner Apotheke will sogar den Namen der dm-Eigenmarke annehmen. Wo es doch sowieso etliche Hersteller gibt, die zweigleisig fahren.
Damit nicht genug: Eine Erfa-Gruppe aus dem Thüringischen will der Drogeriekette eine Kooperation vorschlagen. Die Fotoaufträge – ein wachsendes Geschäftsfeld der Drogerien – sollen künftig auch in den Apotheken abgeholt werden können. Selbst Fotoautomaten zum Express-Druck können sich einige Inhaber in ihrer Offizin vorstellen. Das Konzept „Picture-up“ könnte noch vor der Sommerurlaubfotosaison starten.
Einrichtung ist sowieso ein großes Thema für Apotheken. Die Zeiten, in denen eine Schrankwand von Sichtwahl und der thekenähnliche HV-Tisch mehrere Generationen von Inhabern überdauerten, sind vorbei. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zwar zu bedauern, ästhetisch hat so manche Apotheke aber einen Schritt nach vorne getan. So manche andere hat aber noch viele Schritte vor sich.
Ob es nun wirklich alle drei Jahre eine neue Einrichtung sein muss, das ist nicht nur eine ökologische oder ökonomische Frage, es ist auch eine soziale: Beim Kunden kann über die finanziellen Verhältnisse des Pharmazeuten schnell ein falscher Eindruck entstehen. Vor allem, wenn er selbst zu Hause im Wohnzimmer noch immer den gekachtelten Coutisch vor seinem Velourssofa stehen hat.
Für die Apotheke gilt: Erlaubt ist, was gefällt: Der Eine nimmt Geld in die Hand und setzt auf Hightech, der andere auf Ikea-Möbel und der Dritte lässt sich seine komplette Einrichtung in einem Lkw aus Polen bringen. Alles in Ordnung, eine gute Beratung kann sowie nichts ersetzen. Das hat übrigens auch der WDR mal wieder getestet, on- und offline.
Bei DocMorris gehört die Zwei-Kanal-Strategie eigentlich der Vergangenheit an – die letzten Markenpartner-Apotheken fristen ein eher trauriges Dasein. Doch jetzt hat der Versender das Vor-Ort-Geschäft scheinbar wieder für sich entdeckt: Im baden-württembergischen Hüffenhardt soll ab Sommer – natürlich in den Räumen einer ehemaligen Apotheke – ein Videoterminal mit Arzneimittel-Abholautomat stehen. Ist noch nicht in trockenen Tüchern, aber für die erste PR-Nummer hat es schon gereicht. Also im Grunde wie beim Bus und der Video-Beratung.
Interessant ist in diesem Zusammenhang trotzdem ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Das verbot einem Apotheker den Betrieb einer Rezeptsammelstelle. Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie man in der Domstadt zunächst annimmt: Der Stadtteil Merkenich ist tatsächlich ziemlich abgeschlagen – aber eben noch nicht unterversorgt im Sinne der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).
Schön im Urteil ist die Bemerkung, der Gesetzgeber unterscheide grundsätzlich zwischen Präsenz- und Versandapotheken. Eine Rezeptsammelstelle habe „marktlenkende Wirkungen“ und führe – anders als der auf Wettbewerb ausgerichtete Versandhandel – zu einer „Monopolisierung der Annahme von Rezepten an einem Ort“. Einem Ort wie Hüffenhardt?
Der Versandhandel ist perspektivisch übrigens weniger auf Wettbewerb ausgerichtet. Denn was dem Verbraucher auf den ersten Blick wie harter Wettbewerb und Anbietervielfalt erscheint, ist in Wahrheit eine Konsolidierung versteckt hinter unterschiedlichen URL. Denn die Übernahmen in der Branche gehen munter weiter: Die Sonnen-Apotheke gehört jetzt zu Besamex.
Der wirtschaftliche Druck auf den gesamten Markt wird vermutlich nicht kleiner werden: Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich (CDU) stellt den Apothekern zwar einen Zuschlag bei der BtM-Dokumentation und den Rezepturen in Aussicht, bremst die Erwartungshaltung aber auch gleich wieder ein: „Es werden keine großen Summen sein.“
So sieht das vielleicht auch die AOK Hessen: Nullretaxationen in Höhe von zusätzlich 15 Millionen Euro hat die Kasse angekündigt. Das ist die Ernte des gewonnen BSG-Verfahrens zu den Zyto-Retaxationen. Die Kasseler Richter haben jetzt ihre Urteilsbegründung vorgelegt. Kurzfassung: Krebspatienten haben keine freie Apothekenwahl, die Aufsicht hat nichts zu sagen und Nullretaxationen sind notwendig. Der betroffene Apotheker hat gegen den Spruch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt.
Der Retax-Alltag geht derweil seinen gewohnten Gang: Die DAK streitet mit einem Apotheker, ob der Tag der Ausstellung bei der Gültigkeit mit zählt oder nicht und die ABDA schreibt – gewissermaßen im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes – an die Rechenzentren, dass sie Preiskorrekturen auf den Images doch bitte zu unterlassen hätten. Denn sonst könnte es zu Nullretaxationen führen.
Manche Apotheken haben schon gar keine Lust mehr, überhaupt noch Rezepte einzureichen. Und das entspricht durchaus dem Kundenwunsch: Rx ohne Rezept – hier sind die schönsten Ausreden. Nachgeben darf man natürlich nicht, schon gar nicht mit einem Vorzeigepraktikant aus Syrien in der Apotheke, der das Richtige lernen soll.
Wo gutes Personal doch so schwer zu finden ist. Manchmal sucht sogar das Baby neue Mitarbeiter. Ein anderer Weg: Die eigene PTA zur Approbierten ausbilden. Hier sind die Wege ohne Abi zur Approbation. Und hier ist der Weg ins Wochenende.
APOTHEKE ADHOC Debatte