Das Wort Lieferengpass hat gute Chancen, zum Euphemismus des Jahres gewählt zu werden. Der schmale Durchgang, das Nadelöhr, die einspurige Autobahnbaustelle – das klingt alles nach mehr oder kurzfristiger Verlangsamung. Daher sollten die Apotheker in der Debatte mit Politikern lieber von „Lieferdefekten“ sprechen. Das trifft es besser. Es klingt nach kaputt.
Es gab einmal einen Rabattvertrag über Metoprolol Succinat, der vielen Apothekern in besonders schöner Erinnerung ist. Damals wollte Tranchenliebhaber Chris Hermann die Apotheker verklagen, weil sie Phantom-Packungen abgerechnet hatten. Der eigentliche Rabattpartner war nämlich zum Start nicht lieferfähig. Im Sinne von überhaupt nicht lieferfähig, Totaldefekt. Ist lange her und war am Ende auch gar nicht so wild. Aber die Geschichte legt den Teppich, über den ganz aktuell der Großhandelsfahrer wieder einmal nicht in die Apotheke kommt.
Denn auch jetzt gibt es wieder einen Lieferengpass bei Metoprolol. Der Unterschied: Diesmal ist die Retardvariante betroffen und nicht das moderne Succinat. Die Folgen sind vergleichbar. Schon vor Monaten hat der AOK-Rabattpartner liefertechnisch die Grätsche gemacht und folglich alle anderen mit in den Abgrund gerissen. Jetzt sind die Schubladen in den Apotheken leer, die Großhandelslager auch und das Ende der „engen Passage“ ist nicht in Sicht.
Die ABDA legt im Chor mit der Politik Wert auf die Formulierung, dass es zwar hier und da Lieferengpässe geben mag, nicht aber Versorgungsengpässe. Das hängt allerdings davon ab, wie man eine gute Versorgung definiert. Gefühlt sind die Apotheker und ihre Kunden zumindest bei einigen Wirkstoffen auf dem Weg zurück in eine Situation, die zu DDR-Zeiten als „sozialistische Wartegemeinschaft“ verspottet wurde.
Zwar gibt es noch keine Schlangen vor Apotheken, aber der zweite und dritte Gang zum Arzt, um sich das von der Aut-idem-Liste geblockte L-Thyroxin-Rezept neu ausstellen zu lassen, ist die aktuelle Spielart dieses Phänomens. Die Rabattverträge bringen fraglos immense Einsparungen, aber diese haben eben ihren Preis. Das wird immer offensichtlicher.
Als ob die ewigen Lieferdefekte nicht anstrengend genug wären, gibt es immer noch Kunden, die sich als Substitutionsverweigerer aufführen. Das Instrument des Wunscharzneimittels gegen Aufzahlung war zwar eine nett gemeinte Idee der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung – aber ein Kunde, der sein Rabattarzneimittel nicht will, lässt sich doch von der Realität nicht beirren. Ein Apotheker, der noch nie einen der Klassiker unter den Beschimpfungen und Ausreden gehört hat, ist kein richtiger Apotheker. Die meisten werden jeden einzelnen Spruch kennen.
Aber es gibt auch schöne Momente im Leben eines Apothekers: Die Kooperation Gesund leben hat mit 450 Mitgliedern zusammen auf St. Pauli gefeiert, im Millerntorstadion. Und es gibt sie tatsächlich, Geschichten von Liebe auf den ersten Blick zwischen einer jungen Pharmazeutin und einer alten Apotheke.
Eine andere Ehe steht vor der Scheidung: Die Briten haben für den Brexit gestimmt. Auch wenn es in den Umfragen zuvor immer knapp war, hatten die meisten von uns nicht damit gerechnet. Jetzt muss die Branche nervös abwarten, was genau geschieht und wann und mit welchen Auswirkungen. Fest steht nur, dass nicht alles bleibt wie bisher, dafür sind zahlreiche Unternehmen viel zu involviert. Phoenix und Celesio etwa.
Einige Apotheker befürchten negative Folgen für die Wirtschaft und/oder die EU als politische Gebilde, andere meinen, dass es ohne „Prinzessin Jukei“ in der EU auch einfacher werden könnte. Und nicht wenige geben offen zu, dass sie gar nicht genau abschätzen können, was das alles für sie bedeutet. Was meinen Sie?
Eine Sonderstellung eher gezwungenermaßen aufgeben muss der Hersteller Dr. Willmar Schwabe. Das Königreich auf der Ginkgo-Insel zerfällt. Ein Angriff auf das Königshaus: Herrscher Tebonin bekommt 50 Jahre nach seiner Krönung Konkurrenz. Ein starker Adelsname schützt auch andere nicht: Fast schon Majestätsbeleidigung, wenn sich Ladival im Vergleich von Stiftung Warentest dem Lidl-Produkt geschlagen geben muss. Die gute Nachricht für Sonnenanbeter: Fast alle Lotionen, Gele und Sprays sind gut.
Wenn die Konkurrenz groß ist, müssen die Kräfte gebündelt werden. Apotheker, die ihre Arzneimittel von dem genossenschaftlichen Großhändler Sanacorp beziehen, profitieren alljährlich von einer hohen Ausschüttung. Aber dafür müssen sie auch etwas tun und demnächst noch etwas mehr: Für den Bezug der Gesamtdividende muss künftig für 600.000 Euro Ware bestellt werden, die Schwelle wird um satte 50 Prozent angehoben. Das seien aber immer noch nur 50.000 Euro monatlich, relativiert die Sanacorp-Spitze und dass sollte beim Erstlieferanten und der anhaltenden Hochpreiserproblematik doch kein Problem sein.
Eine Art Dividende sollen künftig Versicherte der Generali bekommen. Rabatte auf die Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung bekommt, wer sich gesund ernährt und Sport treibt. Versicherungskonzerne sind aber nicht naiv. Die Umsetzung ihrer guten Vorsätze müssen die Versicherten mit einem Fitnessarmband und anderen Selbstvermessungen beweisen. Und die Generali muss erst noch beweisen, warum diese Versichertenkontrolle wirklich eine gute Idee sein soll.
Einer ist schon überzeugt: Die Apothekenkooperation Linda macht mit und lässt die Mitgliedsapotheken Blutdruck und Blutzucker der Generali-Versicherten bestimmen. Natürlich gibt es nur Boni für gute Werte. Warum sollte sich daran etwas ändern, wenn das System erst einmal etabliert ist? Jetzt seien Sie mal nicht so kritisch!
Auch auf den ersten Blick eine gute Idee sind Medibusse, rollende Arztpraxen für die ländliche Versorgung. Beim Betreiber, dem kleinen Familienunternehmen Deutsche Bahn, träumt man schon vom nächsten Projekt – einem Apothekenbus. Vielleicht möchten sich die Entwickler den grünen Prototypen einer Versandapotheke einmal in der Garage anschauen. Nur mit einer Probefahrt wird es leider nichts, der TÜV ist längst abgelaufen.
Beschlossene Sache ist die Reform der Erbschaftsteuer: Ab Juli gelten die neuen Regeln. Für Apotheken ändert sich zwar nicht besonders viel, wer Sohnemann oder Töchterchen die eigene Bude trotzdem noch nach den alten Regeln übergeben will, hat jetzt noch genau eine Woche Zeit. Außer Chuck Norris, der vererbt immer steuerfrei.
Eher gut weggekommen ist eine PTA. Die hatte Lidocain ohne Rezept abgegeben. Aber nicht einmal, sondern insgesamt 327 Kilogramm. Sie erhielt eine Verwarnung und wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 4500 Euro verurteilt. Die Geldstrafe wird aber nur fällig, wenn sie sich in den nächsten zwei Jahren etwas zuschulden kommen lässt, denn die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Also alle zusammen: sauber bleiben! Schönes Wochenende!
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