ApoTEEke im Discounter Alexander Müller, 04.03.2017 07:41 Uhr
Vermeintlich apothekenexklusive Produkte verkaufen sich im Mass Market wie geschnitten Brot. Aber wer kauft schon geschnittenes Brot? Deshalb hat ein Lebensmitteldiscounter nicht nur frisches Viersaatbrot und Brötchen im Sortiment, sondern wagt jetzt einen Angriff auf das alte Brot- und Buttergeschäft der Apotheker: In mehreren Filialen soll es demnächst Arzneitee aus der Schütte geben – individuell gemischt von einer PTA vor Ort!
Ein Regionalleiter des Discounters erklärt die Strategie so: „Wir haben jahrelang versucht, Fertigteemischungen anzubieten. Aber irgendwie kaufen uns die Kunden das nicht ab, den Tee nicht und auch nicht, dass wir uns damit auskennen.“ Selbst die bewährte Strategie, mit dem Billigersatz einer etablierten Teemarke zu locken, brachte nicht den gewünschten Erfolg.
„Und da haben wir uns gefragt, wo die Leute ihren Tee kaufen und warum“, so der Regionalleiter. Die Marketingabteilung fand heraus, dass Produktindividualisierung voll im Trend liegt – gerade bei gesundheitlichen Beschwerden. „Also müssen wir den Tee mischen. Die großen Teedosen und schicken Schippen waren leicht zu kriegen, auch so ein schmucke Waage. Aber was uns auf jeden Fall noch fehlte, war Ahnung.“
Zwar wurden neben Kamillenblüten, Salbei und Pfefferminz auch etwas ausgefallenere Sorten wie Mädesüßkraut, Frauenmantel, Zahnstocherammei besorgt, aber niemand im Markt konnte das Kraut unterscheiden. Also kaperte der Discounter die Stellenbörse der Apothekerkammer und suchte sich PTA für die fünf Testmärkte. Jetzt steht dem Start der ApoTEEke nichts mehr im Weg (außer die Realität).
Ganz so weit ist Sidroga noch nicht, aber auf dem Weg dahin: Unter der trickreich abgewandelten Marke Sidrosan vertreibt der Hersteller neuerdings eine eigene Produktserie bei der Drogeriekette dm. Die Apotheker sind von diesem Fremdgehen naturgemäß alles andere als begeistert, die Rechtfertigung des Herstellers klingt teilweise auch etwas künstlich.
Dabei ist Sidroga bei Weitem nicht der einzige Hersteller, der zweigleisig fährt. Die einen besorgen sich einen Lohnhersteller, die anderen versuchen es mit mehr oder weniger kreativen Billigeigenmarken. Für viele Apotheker gilt trotzdem: Wer fremdgeht, fliegt raus.
Mit den Apothekern eine Liaison eingehen würde gern auch Amazon: Der Versandriese bereitet sich auf den Einstieg in den Apothekenmarkt vor, munkelt man. Und Dementis bleiben aus. So fernliegend ist der Gedanke auch nicht. Dr. Holger Schmidt zufolge muss Amazon am Tag X nur noch „den Schalter umlegen“.
Schmidt ist einer der Keynote-Speaker bei VISION.A, ebenso wie Professor Dr. Gunter Dueck, alias Wild Duck. Ihm zufolge haben die Apotheker nur eine Wahl, um auf den wachsenden Druck aus dem Internet zu reagieren: die Qualität steigern. Die Favoriten für die VISION.A-Awards können Sie sich hier ansehen.
Nun aber genug der Eigenwerbung, einige von Ihnen müssen immerhin arbeiten, manche sogar immer. Oder sie wollen es. Mitternachtsapotheken ist ein schönes Wort für eine Sache, die nicht allen Kollegen gleich gut gefällt. Dabei müssen die Apotheken eigentlich immer geöffnet sein, obwohl sie hin und wieder schließen müssen.
Ob die Türen zur Apotheke geschlossen sein müssen, wenn gerade kein Kunde die Apotheke betritt oder verlässt, ist eine Gretchenfrage der Apothekenaufsicht. Das Verwaltungsgericht Minden hat entschieden, dass ein Kunde durchaus merken kann, dass er eine Apotheke betritt, wenn die dauerhaft geöffneten Automatiktüren von einem leuchtenden Rahmen umgeben sind und auf der Fußmatte groß APOTHEKE steht. Pick-up-Außenschalter und Versandhandel haben dazu beigetragen, dass das Trennungsgebot nicht mehr so eng zu sehen ist. Und der Eingang ist schließlich entscheidend.
Die Versandhändler haben derzeit ganz andere Sorgen als die Frage, ob Kunden merken, wann sie ihren Shop betreten. Sie fürchten, dass die Kunden das künftig viel seltener tun, wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sein Rx-Versandverbot durchbringt. Sanicare veröffentlicht deshalb die Adressen von Unionsabgeordneten, damit sich die Kunden barrierefrei empören können. Ob das den erwünschten Effekt haben wird?
DocMorris war ja schon ähnlich aufrührerisch unterwegs. Allerdings muss die Zur Rose-Tochter aktuell um ihre Freiumschläge bangen. Weil die Versandapotheke keine Rückrufnummer des Kunden abfragt, hat sie sich eine einstweilige Verfügung eingefangen.
Andere sammeln ihre Rezepte einfach inkognito. Weil die letzte Apotheke vor Ort zugemacht hat, hat ein Apotheker aus dem Nachbarort einen Briefkasten eröffnet. Angemeldet ist das Ganze nicht, sollen ja nur Bestellungen eingeworfen werden. Aber wenn zufällig jemand Rezepte einwirft…
Die KKH traut nicht allen Rezepten, die zur Abrechnung eingereicht werden. Und bei der Kontrolle hat die Kasse tatsächlich einen „Teststreifen-Apotheker“ überführt. Insgesamt ist die Kasse nicht so gut auf Apotheker zu sprechen, verursacht doch einer von ihnen so viele unbegründete Kosten wie 116 Physiotherapeuten.
Dramatisch ging es in einer Apotheke in den Niederlanden zu. Ein Überfall mit automatischer Waffe, Absperrung, Helikopter und einem Sondereinsatzkommando der Polizei. Na und? In Fulda stehen sogar Werwölfe hinter dem HV-Tisch – allerdings nur zu Karneval.
Und was sonst noch war: Der „Pfusch-Apotheker“ muss nun selbst seine Unschuld beweisen, Martin Schulz hat irgendwann mal die Preisbindung verteidigt und man kann auch ohne Abitur Pharmazie studieren. Oder man spielt in der eigenen Offizin „Findet Nemo und Dori“. Ach, noch einmal jung sein, noch einmal Student sein. Schönes Wochenende!