Erst gab es nur Bücher, heute gibt es – alles: Amazon ist zum Universalversender geworden. Wäre da nicht dieses kleine gallische Dorf namens Apothekenpflicht. Dass man nicht einmal über den eigenen „Prime“-Dienst sollte Arzneimittel abgeben dürfen, passte nicht ins Weltbild des Weltkonzerns. Die Lösung: ein eigener Apothekenstaat.
Als Amazon schmerzhaft erfahren musste, dass der eigene Online-Shop an der Grenze zur Apothekenpflicht endet, wollte sich der Konzern ein Grundstück hinter der Grenze kaufen. Das ging aber nicht, denn als Versandriese darf man hier keine Apotheke gründen. Also trat Amazon in Verhandlung mit den Gesundheits- und Justizministern der Bundesländer, in denen es bereits Logistikzentren gibt.
Und tatsächlich fand sich ein Minister, der es für seine europarechtliche Pflicht hielt, der Kapitalgesellschaft eine Betriebserlaubnis zu erteilen. Schonend wurde dem Minister beigebracht, dass der Käse geschnitten ist. Der wollte sich aber keine Blöße geben und verhandelte im Geheimen weiter.
Amazon kaufte dem Bundesland einfach ein Stück Land ab, gründete einen Staat und eine Apotheke. Schon am Nachmittag stand der Versender auf der Länderliste des BMG. Endlich gab es alles bei Amazon. Die alten Ordnungsgelder wurden einfach nicht bezahlt, denn im Amazonland darf keiner vollstrecken.
Mit der nächsten Sortimentserweiterung hält man sich bei Amazon noch etwas zurück: Die Herstellung von Rezepturen werden vorerst noch nicht offensiv angeboten. Zwar will das BMG endlich das Honorar dafür anheben, aber rechnen können sie bei Amazon – und Allgemeinwohlpflichten stehen nicht in den AGB.
Auf rund 100 Millionen Euro mehr Honorar könnten die Apotheker hoffen. Wenn die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) umgesetzt werden, gibt es nämlich nicht nur mehr Geld fürs Salbenrühren, sondern auch für die BtM-Abgabe. Betäubungsmittel? Amazon wird wieder hellhörig.
PTA, die vorübergehend beim Logistikriesen anheuern wollen, sollten aber zweierlei bedenken: Der Anteil der Saisonarbeiter ist dort relativ hoch und es gibt Apotheker, die die Dienstzeit bei einer Versandapotheke nicht anerkennen. Berichtet jedenfalls eine PTA, die beide Seiten kennt. Ob HV-Tisch oder Call-Center ist überdies eine Typfrage: Rampensau oder Büromensch.
Eindeutig Rampensau ist jeder mit einer leitenden Funktion im pharmazeutischen Großhandel. In dieser Woche war es Wilfried Hollmann, der für Aufsehen sorgte, indem er dem eigentlich wenig geliebten Mitbewerber AEP die Daumen drückte. Natürlich nicht in betrieblichen Angelegenheiten, sondern rein juristisch. AEP soll bitte den Skonto-Prozess vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gewinnen, weil die Noweda sonst auch alles neu rechnen muss. Die kleine Spitze, dass AEP an allem selbst schuld sei, durfte natürlich nicht fehlen.
In Alzenau bei AEP freut man sich über die seltene blaue Unterstützung in der eigenen Fankurve. Nur die Schuldfrage sieht man naturgemäß anders. AEP-Chef Jens Graefe – auch kein ausgemachter Büromensch – strahlt Zuversicht für den dritten Akt im Verfahren aus. Mit den Apothekern will er weniger über Konditionen und mehr über das Gesamtpaket reden. AEP erfindet sich nicht gerade neu, aber das Boot, in dem bis Jahresende möglichst 20 Prozent der Apotheker Platz nehmen sollen, wird neu austariert.
Sich ihre Konditionen selbst aufgebessert hat eine PKA in Österreich. Jahrelang griff sie in die Kasse, aber bei Euro fällt das irgendwann selbst in einer gut laufenden Apotheke auf. Jetzt muss sie ins Gefängnis. Die meisten Mitarbeiter klauen höchstens Arbeitszeit, haben fürs Zuspätkommen dann aber recht kreative Ausreden.
In den allermeisten Fällen werden Apothekeninhaber aber nicht von ihren Mitarbeitern beklaut, sondern ganz klassisch von Einbrechern. Weil die sich selbst von Alarmananlagen immer weniger abschrecken lassen, wird technisch hochgerüstet. Eine effektive Variante: Eine Art Überwachungszentrale mit der eigenen Kamera verbinden, dicke Boxen in der Offizin aufstellen und den nächtlichen Besuch unfreundlich aber bestimmt zum Rückzug aufzufordern.
Nur hoffentlich bekommen die Krankenkassen nichts von diesen technischen Möglichkeiten mit, sonst buchen die das Überwachungszentrum tagsüber und kontrollieren die Abgabe in der Offizin. Über die Auslegung des Retax-Deals gibt es jetzt schon wieder Knies und jetzt kommen auch noch die Retax-anfälligen Zyto-Ausschreibungen dazu. In diesem Zusammenhang wird auch über die Haltbarkeit von Wirkstoffen gestritten. Führt der Sparzwang tatsächlich dazu, dass Versicherte bestimmter Kassen systematisch abgelaufene Arzneimittel bekommen?
Die Apobank hat die Neugründungen und Übernahmen des vergangenen Jahres ausgewertet. Dabei wurde die Statistik zu Tage gefördert, das Männer teurere Apotheken kaufen als ihre Kolleginnen. Das zu interpretieren, ist jetzt Ihre Sache. Schönes Wochenende!
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