Der Hersteller Almased muss auf den Absturz seines gleichnamigen Diätmittels reagieren und beim Vertrieb mit anderen Mitteln wieder durchstarten. Notfalls mit anderen Verkehrsmitteln. Die Shakes und Drinks sollen jetzt in den Servierwagen auf Lufthansaflügen angeboten werden. Auch Fußballstadien und Schulküchen versprechen neue Absatzkanäle.
Die Idee mit dem Flieger ist genial. Dass ein Praktikant im Scherz darauf gekommen ist, muss ja keiner erfahren. Wenig Bewegung und kaum genießbares Essen – gerade für Vielflieger und auf Langstrecken ist ein nahrhafter Shake eine Option. Allerdings ist gute Beratung dem Hersteller sehr wichtig, weshalb es das Angebot nur in Premiumairlines geben soll. Trotzdem sind die gelben Dosen bereits auf easyjet-Flügen gesehen worden. Bei Almased kann man sich das nicht erklären.
Fieberhaft werden weitere Umsatzfelder gesucht, am Spielfeldrand ist man fündig geworden. Gespräche mit einem Bundesligisten laufen angeblich. Vielleicht schon nach der Winterpause – zur Abspeckhauptsaison – soll es bei Heimspielen im Stadion Almased statt Bier zu kaufen geben. Klingt eigentlich gut: Weniger Randale und langfristig Platz für mehr Zuschauer. Nur die Ultras der Fanszene müssen noch überzeugt werden – Win-Win ist auf der Tribüne auch kein gängiges Denkmodell.
Im Kultusministerium dürfte die Überzeugungsarbeit leichter fallen: Die Schulküchen mit Almased auszustatten, sollte ein Kinderspiel sein – und bleiben. Almased-Maskottchen Christian Ulmen (der neue Rudolf Keil) war für seine Fake-Doku „Jonas“ schon einmal in die Schule zurückgekehrt. Kann er doch wieder machen. Noch besser: Er nimmt Laura Ludwig & Kira Walkenhorst mit. Das mit Olympiagold dekorierte Beachvolleyball-Team darf nämlich wieder für Almased werben – während der Spiele war das verboten. Wer weiß, wie sich die Zahlen des Herstellers sonst entwickelt hätten…
Aber im Ernst: Das Unternehmen aus Bienenbüttel hat in den ersten sechs Monaten im Vorjahresvergleich 42 Prozent eingebüßt. Den Platzhirsch hat es besonders hart erwischt, wiewohl der Markt insgesamt gelitten hat. Haben wir denn wirklich alle schon Idealmaße? Dann sollte Almased vielleicht vorübergehend umstellen und die Leute mit der Produktlinie „Prallmased“ erst wieder in Form bringen, will sagen: außer Form.
Gut in Form sieht Bionorica sein Zugpferd Sinupret. Zwar kommt mit Hexal ein Konkurrent, der dem Phytohersteller allen Respekt abnötigt mit seinem guten Vertriebsteam und der vollen Kriegskasse – der Newcomer ist rund 10 Prozent billiger als das Original. Doch Bionoricas Vertriebsleiter Dr. Jürgen Ott ist überzeugt, dass das höher konzentrierte Sinupret extract sich durchsetzen wird. Ansonsten bleibt immer noch, die Idee mit den Airlines zu kopieren. Oder in der Offizin die Sichtwahl mit beraten lassen.
Was man tunlichst nicht tun sollte: Den Kunden sich selbst beraten lassen. Klosterfrau hatte das mal versucht und OTC-Dummies in die Freiwahl gestellt. Dumme Idee, fanden die Gerichte, Leerpackungen beeinflussten die Kaufentscheidung zu stark oder zu früh oder beides. Vorübergehend wurde auf Beratungskarten umgestellt, jetzt wurde der Indikationstisch in den ersten Apotheken von Klosterfrau wieder geräumt. Soll aber erfolgreich gewesen sein.
Als verpatzt gelten muss dagegen die versuchte Ablöse von Locabiosol (Fusafungin): Klosterfrau wollte mit Laryngomedin (Hexamidin) den Klassiker von Servier/Stada beerben. Probleme mit der Auslieferung der Direktbestellungen bei gut funktionierendem Bankeinzug sind eine schlechte Kombination.
Damit kennt sich auch die AOK Rheinland/Hamburg aus: Sie verlangt von den Apotheken ständig Beweise für offensichtlich nicht verfügbare Rabattarzneimittel. Die Krönung: Selbst als sich der Engpass bis zur Kasse gesprochen hatte, wollte diese den Ausfall nur mündlich bestätigen.
Ein anderer Apotheker hat den lokalen AOK-Chef direkt angeschrieben und um Tipps zum Umgang mit verschwiegenen Herstellern gebeten. Weil es offenbar leider ohne Druck nicht geht, hat er NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) den Brief gleich in Kopie geschickt. Und siehe da: Plötzlich gab der Hersteller kleinlaut zu, dass derzeit keine Ware da ist. Wird die AOK deshalb bei anderen Apotheken auf Defektbelege verzichten? Was tippen Sie?
Und noch ein Ratespiel: Jemand, der nichts mit Apotheken zu tun hat, fordert eine radikale Liberalisierung des Apothekenmarktes. Er findet das Fremdbesitzverbot mittelalterlich, die Apothekenpflicht hysterisch und die Preisbindung kommunistisch. Frage: Was hat diese Person für einen Beruf?
Doch während dieser Forderungskatalog der Unberufenen fast wortlautgleich in schöner Regelmäßigkeit unerhört verhallt, steht zumindest das Preisrecht tatsächlich auf dem Prüfstand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird am 19. Oktober entscheiden, ob ausländische Versandapotheken Extrawürste benötigen, um im Wettbewerb nicht zu verhungern.
Derweil bleibt der Apothekenalltag seinem Namen treu: Es gibt weiter Apothekentests (diesmal vom Bayerischen Rundfunk) und potentielle Abmahnfallen (diesmal die Kundenkarte). Und Fahrradständer können auch nach Jahrzehnten ordnungswidrig sein. Weil die Apotheke nicht plötzlich Gebühren zahlen wollte, baut die Stadt jetzt selbst einen Fahrradständer. Dann hat alles seine Ordnung…
Wie spektakulär der Deutsche Apothekertag (DAT) in diesem Jahr wird, bleibt abzuwarten. Viel vorgenommen hat man sich jedenfalls nicht. Das Antragsbuch ist dünn wie nach einer jahrelangen Almased-Diät, kalorien-, gluten- und honorarfrei.
Spannung verspricht allenfalls das Warmlaufen für die Präsidentschaftswahl. Amtsinhaber Friedemann Schmidt hat eine natürliche Bühne und Anspruch auf seine Rede. Gegenkandidat Kai-Peter Siemsen wird sich von seiner Hamburger Kammer in Szene setzen lassen.
Ein Thema kommt zu den Apothekern zurück: Die Beratung zur Pille danach wird anspruchsvoller. Die Apotheker müssen demnächst eigenverantwortlich entscheiden, ob die Kundin eine oder zwei Tabletten einnehmen soll. Auch das werden sie bei Bedarf meistern – egal, was die Frauenärzte sagen. Schönes Wochenende!
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