Ball flach halten! Patrick Hollstein, 11.06.2016 07:55 Uhr
Deutschland ist im EM-Fieber und die Apotheken sind mittendrin. Nach den zähen Verhandlungen zum Retaxfrieden, den ewigen Schikanen im Berliner Politikbetrieb und den aussichtslosen Kämpfen vor Gericht schwören sich die Pharmazeuten: Ab sofort werden Auseinandersetzungen auf dem Rasen ausgetragen. Doch das sportliche Experiment wird schnell abgebrochen, denn das Team mit dem rotem Apotheken-A auf dem Rücken verweigert den Anstoß und bunkert sich direkt im eigenen Sechzehner ein. Schiedsrichter Hermann Gröhe pfeift das Spiel ab und die Abda-Elf zurück ins Hauptstadtquartier.
Die Woche begann mit einer überraschenden Auswechslung: Hartmut Retzlaff verlässt das Team Stada – mitten in der heißen Phase des Streits mit dem Finanzinvestor AOC. Wegen einer schweren und voraussichtlich länger andauernden Erkrankung muss der Konzernchef sein Amt vorübergehend ruhen lassen und seine Mannschaftskollegen Dr. Matthias Wiedenfels und Helmut Kraft alleine weiter spielen lassen. Teamchef Dr. Martin Abend wünscht seinem Champion alles Gute und rasche Genesung – und sich selbst, dass die Turbulenzen und Skandale bald ein Ende haben. Verkaufsgespräche würden nicht geführt, sah man sich später noch veranlasst hinzuzufügen. Ein weiterer bekannter Spielertrainer, der hin und wieder für Schlagzeilen im Fachboulevard sorgt, ist Wilfried Hollmann, Mannschaftskapitän bei der Noweda. In der Niederlassung in Münster soll doch tatsächlich bei einer Inspektion durch die Bezirksregierung im vergangenen Dezember getrickst und getäuscht worden sein. Behauptet ein ehemaliger Fahrer. Doping bei „unserer Noweda“? In Essen weist man die Anschuldigungen zurück und behält sich rechtliche Schritte vor. Nicht gerade sportlich. Normalerweise scheut der Großhandelschef mit den meisten Fans im Land die offene Auseinandersetzung nicht. Wenn es gegen Hersteller geht, die bei den Konditionen knausern, johlen die Anhänger auf der Tribüne. Im Duell mit Dr. Clemens Fischer und Jenapharm ging die Noweda zwar nicht als Sieger vom Platz. Aber wenigstens wissen die Kunden jetzt, warum es bei beiden Herstellern einen Rabattausschluss gibt und warum Reimporte – allen Unkenrufen zum Trotz – eben doch ihr Gutes haben. Bei dieser La Ola macht der Deutsche Apothekerverband (DAV) nicht mit. Gemeinsam mit AOK-Stürmer-Ass Dr. Christopher Hermann trat Fritz Becker in dieser Woche gegen den Verband der Reimporteure und seine Importquote auf den Platz. Aggressives Dribbling, plötzlicher Ballverlust und schneller Konter, beherzte Gegenreaktion, dann war alles wie vorher und erst einmal Ruhe auf dem Feld. Der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) warf von der Ersatzbank her ein, dass der Berufsstand sich solche Manöver nicht leisten könnte – aus Gründen der sprichwörtlichen Kondition. Fair gespielt wurde am Ende doch noch im Spiel Wörwag gegen Gehe. Der Streit um die Skontokürzung ist vom Tisch, der Großhändler und der Generikahersteller haben sich auf neue Konditionen verständigt. Die Runde vor dem Landgericht Stuttgart wurde schon beim Warmlaufen abgesagt. Mit einem Abwehrfoul stoppte das Kölner Unternehmen Lück Health Consultants den Newcomer Dr. Slym. Die Firma darf die gleichnamigen Nahrungsergänzungsmittel wegen einer einstweiligen Verfügung derzeit nicht verkaufen. Dr. Lück wirft Dr. Slym vor, ein Plagiat des eigenen Produkts Precursor zu sein. Slym-Chef Julian Klym will nun seinerseits dem einstigen Beinahe-Partner rigoros dazwischen grätschen. Zum Elfmeter aufgelegt hat das Oberlandesgericht Bamberg im Rückspiel um die Konditionen des Großhandels. 90 Minuten lang (!) wurde über die Frage verhandelt, wie großzügig AEP und der Rest der Branche nach dem gültigen Reglement gegenüber ihren Kunden sein dürfen. Am 29. Juni erfahren wir, mit welchem Ergebnis zum Finale nach Karlsruhe geht. In der Verhandlung zeichnete sich ab, dass die Richter Skonti als Rabatt sehen und 70 Cent als unantastbar. Und das nur eine Woche nach der Hiobsbotschaft aus Luxemburg. Die Empfehlung von Generalanwalt Maciej Szpunar, Rx-Boni zu erlauben, lähmt den Kampfgeist, allen Durchhalteparolen zum Trotz. Wenn die Preisbindung fällt, ist eigentlich alles möglich: Rx im Outdoor-Laden, Autan als Gratis-Zugabe bei Lidl oder Fälschungen im ZDF-Shop. Vorsichtshalber hat die Koalition schon einmal das DrEd-Verbot verschoben. Lieber Fernverordnung als Vertragsverletzung, so die Devise. Nur die deutschen Apotheker müssen sich einstweilen weiter an die Regeln halten. Wer den Fiskus prellt, sieht gelb. Wer dabei übertreibt, muss das Spielfeld verlassen. Die rote Karte in der Pharma League heißt Approbationsentzug. Nur Chuck Norris muss keine Angst vorm Platzverweis haben. Er schreibt sich einfach eine neue Berufserlaubnis. In diesem Sinne: Schönes Wochenende. Schießt ein Tor!