Skonto-Spaghetti-Connection Silvia Meixner, 15.07.2017 07:58 Uhr
Im Bier war nichts. Nicht mal Alkohol. Aber was war in der Bolognese-Sauce? Das fragen sich Deutschlands Apotheker, seit das mit Spannung erwartete Urteil im Skonto-Streit auf Oktober verschoben wurde. Am Morgen war man sich beim Bundesgerichtshof (BGH) nämlich noch sicher, dass der Tag mit einem Urteil enden würde. Doch direkt nach der Verhandlung ging es in die Mittagspause – die Richter nahmen Spaghetti und alkoholfreies Bier auf der Terrasse der Kantine im sonnigen Karlsruhe zu sich. Wenig später vertagten sie ihr Urteil. Normal ist das nicht. Eine Spurensuche.
Der Küchenchef der Kantine im BGH in Karlsruhe, Luigi B., weigerte sich auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC mit der Vehemenz einer Diva, das Rezept herauszugeben. „Grande Geheimnis. Verklagen Sie mich doch!“, rief er theatralisch. Hier ist der Kunde König, so selbstbewusst kann man auch nur auftreten, wenn wenn man einen Arbeitsplatz mit 128 Richtern als Dauerkundschaft hat.
Gehen wir also davon aus, dass die Spaghetti tadellos waren, müssen wir nach weiteren Gründen für den seltsamen nachmittäglichen Stimmungsschwank der Richter suchen. „Noch Beratungsbedarf“, was könnte damit gemeint sein? Naheliegend: Beim dritten Schluck Bier ohne Alkohol summte das Smartphone. Die Spaghettiberge auf den Tellern begannen leicht, aber vorwurfsvoll zu zittern. Die Kollegen verdrehten die Augen, rieten aber: „Geh besser ran, könnte heute ja was Wichtiges sein.“
Schließlich geht es um ein großes Thema, AEP gewährt Apotheken 3 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto. Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen die Preisbindung und hat den Großhändler verklagt. Die Apotheker fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz. Der BGH soll jetzt Klarheit schaffen. AEP-Anwalt Reiner Hall erklärte jedenfalls, dass der Großhandel keine Dummheiten mache. Und dass Skonto allein noch nie eine Apotheke gerettet hat, weiß jeder Pharmazeut. Bleibt also nur, weiterhin abzuwarten. Für viele Apotheker sind Einkaufsvorteile ein wichtiger Bestandteil ihrer kaufmännischen Rechnung, Gerüchte über erneute Konditionenkürzungen machen derzeit die Runde und sorgen nicht gerade für einen sorglosen Sommer. Wenn dann auch noch Phoenix die Rechnung umstellt, stehen die Zeichen auf Alarm – auch wenn das laut Branchenprimus rein gar nichts damit zu tun hat.
Weiter in der Ursachenforschung für das Debakel: Wer rief an beim Terrassen-Lunch? Vielleicht erinnerte ein Staatssekretär aus dem BMG freundlich daran, dass so ein heikles Urteil im Wahlkampf, kurz vor der Bundestagswahl, vielleicht besser für alle Beteiligten, lange Bank... Nein! Das ist so abstrus, das kann man sich gar nicht vorstellen. War‘s die ABDA? Die Leute dort rufen oder mailen nicht mal zeitnah zurück, warum also sollten sie jemanden proaktiv anrufen? Kohlpharma könnte es gewesen sein, der Reimporteur ist „clever+“ und hofft auf die neue Regierung.
Vielleicht war auch nur SPD-Chef Martin Schulz dran, der gerade als Wahlkämpfer im G20-gebeutelten Hamburg Station machte. Apotheker Maurice Khalil wusste am Donnerstag beim Aufstehen noch nicht, wer seine wunderschöne historische Apotheke am Alten Pferdemarkt heim- , äh... aufsuchen würde. Er erfuhr es eine halbe Stunde vor dem Eintreffen des prominenten Gastes. Schulz wollte sich im Rahmen seiner politischen Sommerreise mit tapferen Hamburgern treffen, die während der Randale vom vergangenen Wochenende zusammen gebangt und zusammengehalten hatten.
Kordula Schulz-Asche, bekannt von den Grünen, ließ sich derweil von Landapotheker Christian Richter im brandenburgischen Bad Wilsnack die Bücher zeigen. Die Dame macht schon seit einiger Zeit keinen Hehl daraus, dass sie so gerne wissen will, was Apotheker verdienen. Daraus ergibt sich die Frage, was man eigentlich als Apotheker macht, wenn plötzlich ein Politiker in der Offizin steht. Darf man, wenn er nicht humpelt oder mit einem Rezept winkt, die Zwangsbeglückung ablehnen? Oder auf dem Sakko des Gastes „aut idem“ ankreuzen?
Nicht jede Apotheke muss sich verbarrikadieren und um ihre Existenz bangen, es gibt sogar welche, die florieren und umziehen. Der Umzug der Flora-Apotheke in Herne wird aufmerksam von den Kunden begleitet, Freiwahl aus Noweda-Kisten hat man schließlich nicht alle Tage. Zu den Themen, die der SPD-Chef jetzt ebenfalls nicht kennt, gehört die zwischendurch bescheidene Lieferquote von Zentiva. Im April sackte sie auf 35 Prozent ab, die Noweda rief zum Protest auf und mobilisierte mehr als 3000 Apotheken.
Was empfehlen eigentlich Apotheker gegen Vergesslichkeit? Im Streit mit der EU-Versandapotheke hat Phoenix die erste Runde verloren. Aber nicht, weil die Gegenseite die besseren Argumente hatte. Sondern weil die eigenen Anwälte im Prozess die Vollmacht vergessen hatten. Da helfen nur eine Runde weinen, ein bis acht Schnäpse und neue Anwälte. Ähnlich wie bei DocMorris in Hüffenhardt, wo man jetzt auch noch das Lager räumen muss. Während gleichzeitig unterm Salzdom in einer Ex-Apotheke Pick-up praktiziert wird. Unfair! EuGH! Wäre er – der Doc – mal lieber Baggerfahrer geworden. Wenigstens läuft's in der Liebesbeziehung von Zur Rose und Migros rund.
Ein trauriges Thema hätten wir noch: Von vier Apotheken auf Null, das ist die Geschichte des Kieler Apothekers Klaus Rabe, den die üblichen Branchenprobleme von Personalmangel bis Kassenabschlag ausbremsten. Erst rutschte er in die Insolvenz, jetzt schließt er seine letzte verbliebene Apotheke. Zumindest geht er jetzt schuldenfrei in den Ruhestand, zu dem wir ihm ein glückliches Händchen und viel Sonnenschein wünschen. Für alle anderen gibt's noch den Apothekenretter Bergner.
Gegen die permanente Angst der Pharmazeuten vor der eigenen Unachtsamkeit ist leider kein Heilkraut gewachsen. Abgabefehler passieren immer wieder. Auch PTA können ein Lied davon singen. Tragisch endete eine Verwechslung im westfälischen Petershagen. Ein Apotheker hatte samstags auf die Lieferung vom Großhandel gewartet und dann daneben gegriffen. Jetzt wurde vor Gericht seine Strafe gemildert. Um in Notfällen einen kühlen Kopf zu bewahren, empfehlen Anwälte ein professionelles Krisenmanagement. Hier geht es zum Faktencheck und zur Checkliste. Und hier zur Übersicht mit den größten Fehlerquellen.
Für Optimismus sorgen zwei junge Brüder aus Fulda. Christian und Andreas Wetterich haben sich entschieden, Chemie- und Sportstudium aufzugeben, auf Pharmazie umzusatteln und das Lebenswerk des Vaters fortzuführen. Ihr Lächeln lässt Eisberge schmelzen! Vielleicht mischen sie die Stadt bald schon auf wie der Braunschweiger Apotheker Geert Helmut Oortmann. Der wollte nicht einfach nur die „Rezepte der Arztpraxen bedienen“, als er aus der Klinikapotheke in die Selbstständigkeit wechselte. Seine K10-Apotheke ist 365 Tage im Jahr geöffnet, seine Werbeaktionen sind bunt und unübersehbar.
Preisberatung zu Potenzmitteln kündigt er im Schaufenster schon mal mit „Komm gut“ an. Kommt nicht bei allen gut an. So mancher Kollege legt die Ohren an, wenn er den gelben Käfer oder das alte Feuerwehrauto erblickt, das Oortmann für Werbezwecke einsetzt. Wir finden: Weiter so! Wer alte Käfer liebt, kann kein schlechter Mensch sein. Und wer ein Herz für PTA hat, so wie Chrissy Lindner, auch nicht. Auch wenn er sie gerne in Ketten legen würde. Schönes Wochenende!