Mehr ist weniger Katharina Lübke, 19.07.2014 08:01 Uhr
Darf's ein bisschen mehr sein? Oder doch ein bisschen weniger? Wer oder was zu viel oder zu wenig zahlte, schenkte, oder versprach, beschäftigte in dieser Woche die Apotheker, Kassen und Aufsichtsbehörden. Denn was noch zu wenig oder schon zu viel ist, ist oft Ansichtssache.
Relativ viel wurde diskutiert, und schlussendlich beschlossen wurde, dass relativ zu wenig Lohn an ungelernte Kräfte geht. Deshalb müssen ab 2015 auch Apotheker ihren Aushilfen, Fahrern und Putzkräften mindestens Mindestlohn zahlen: 8,50 Euro die Stunde, wenn kein Branchenmindestlohn oder Tarifvertrag gilt.
250 Euro und damit 170 zu viel zahlte dagegen die BKK Mobil Oil laut NDR Info für jeden neuen Versicherten – Kopfpauschale mal anders. Da diese weit überhöhten Prämien nicht erlaubt sind, um neue Mitglieder zu werben, und die Kasse womöglich auch noch versuchte, dies zu verschleiern, muss sie nun zittern: Das Bundesversicherungsamt will den Fall prüfen.
Lockprämien gibt es auch für Apotheker: Nachdem Vivesco offiziell Alphega heißt, werden ein „Pionierbonus“ und Sonderprämien ausgeschüttet. So sollen möglichst viele der knapp 900 Apotheken die Farbe wechseln. Alphega setzt auch künftig auf Anreize: Wer brav mitmacht bei der Kooperation, bekommt Beiträge zurück.
Geld zurückgeholt haben sich die Apotheker in Baden-Württemberg von den Krankenkassen, die sich vorher zu viel Geld zurückgeholt hatten. Mindestens 400.000 Euro haben die Kassen fehlerhaft retaxiert. Nach Einspruch des Landesapothekerverbandes (LAV) müssen sie die offenen Rechnungen aber nun begleichen. Laut LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth ist das Ganze den Mitarbeitern der Kassen selbst schon peinlich. Das ist ein Anfang.
Zu wenig zahlen laut Ordermed-Chef Markus Bönig auch die Kunden der Versandapotheken, die Rx-Medikamente frei Haus bekommen. Er hat die Bodyguard-Apotheke – Chefin Christl Kraus hatte ihn zuerst geärgert – wegen Verstoßes gegen das Rx-Boni-Verbot abgemahnt und beschwört damit womöglich das nächste Grundsatzurteil zum Versandhandel herauf.
Ebenfalls zu wenig zahlen laut Wettbewerbszentrale Kunden, die eine Ambroxol-Lösung von Ratiopharm kaufen und ein Desinfektionsgel dazu bekommen. Deshalb gab es eine Abmahnung – und erneut erwischte es die Bodyguard-Apotheke. Die Werbeaktion verstoße gegen das Heilmittelwerbegesetz, das Zuwendungen oder -gaben verbiete.
Die Wettbewerbszentrale geht außerdem gegen die „Energie-Apotheke“ vor. Die haben zwar Kügelchen gegen „hysterischen Charakter“, aber leider keine Approbation. Unzulässig erscheinen auch die umfassenden Heilsversprechungen. Die Wettbewerbszentrale hat die Nicht-Apotheke abgemahnt.
Globuli gegen ein „schwaches Durchsetzungsvermögen“ scheinen zumindest die kleinen Reimporteure nicht zu benötigen. Die nehmen den Großen zunehmend Marktanteile weg, die Entwicklung geht von wenigen Großen zu vielen Kleinen.
Derzeit haben die Unternehmen aber andere Sorgen: Nach den Arzneimitteldiebstählen in Italien ziehen die entwendeten Medikamente wie ein Gespenst durch Europa. CC Pharma hat alle womöglich betroffenen Chargen zurück gerufen, Orifarm zog mit zwei Chargen nach.
Während der Markt bei den Reimporteuren zerfasert, und sich bei den Pharmherstellern verdichtet – Abbvie steht vor der Übernahme von Shire – ist die Zahl der Apotheken weiter im Sinkflug begriffen. Interessantes brachte allerdings die Deutsche Apotheker- und Ärztebank hervor: Während Männer hauptsächlich Filialen übernehmen, gründen ihre Kolleginnen häufiger neu. Laut den Zahlen übernehmen Frauen zudem eher „kleine Buden“ und Männer umsatzstarke High-Tech-Buden.
Dass es nicht nur auf die Größe und technische Ausstattung ankommt, wissen zumindest das Marktforschungsunternehmen IMS Health und die Unternehmensberatung Bormann & Gordon (B&G). Gemeinsam wollen die Firmen herausfinden, welches die besten Plätze in der Apotheke sind und wie Außendienstbesuche die Platzierung von Marken verändern.
Für die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) sind diese Überlegungen vielleicht schon zu viel kaufmännische und zu wenig heilberufliche Energie. Die APD mahnt, der Apotheker solle sich wieder mehr als Heilberufler sehen: ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung statt Punkte, Flyer und, OTC-Dumping. Was meinen Sie?
Fazit der Woche: Es ist in der Welt wie in der Pharmazie – die Dosis macht's.