Es hätte so schön sein können. Stattdessen schon wieder ein: Es hätte noch schlimmer kommen können. Während sich die Politik die verärgerten Ärzte durch Zugeständnisse vom Hals hält, bekommen die Apotheken mal wieder: Gar nichts. Stattdessen gibt's vom Finanzamt eins auf den Deckel, gerade dann, wenn man sich total korrekt verhält. Verkehrte Welt. Und mittendrin die verkehrte Interessenpolitik der ABDA.
Wenn man politische Forderungen hat, sollte man sich gerade machen, Rückgrat zeigen und nicht minder eine klare Kante. Doch mit der aufrechten Haltung hat man es bei der ABDA bekanntermaßen nicht so. Ein bisschen zu tief gebückt sind Friedemann Schmidt, Dr. Sebastian Schmitz & Co. anscheinend zu lange durch die Flure von Parteien und Ministerien geschlichen. Mit den devoten und überdies reichlich passiven Jungs aus der Jägerstraße glaubt die Politik es machen zu können. Die wehren sich ohnehin nicht.
Das Brückentags-Gejammer des DAV-Vorsitzenden Fritz Becker zum Nein in Sachen Honoraranpassung ist nur eine Bestätigung: Man hoffe, dass vielleicht und eventuell im Herbst noch einmal die Themen der Apotheker auf die Agenda kommen könnten. Aber wie es weiter geht und wie man sich verhalten will, darüber werde man dann erst noch einmal in den Gremien beraten. Sprach's und trat ziemlich gebückt und geschlagen ab ins Wochenende.
Die Gremien! Die sollen es also richten. Getreu dem Motto: „Wenn Du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“. Man will es gerade Becker, dem wohl noch Aktivsten unter den Passiven, dem Dominantesten unter den Devoten, nicht übel nehmen, dass er sich seiner Truppen sicher sein will, bevor er Hermann Gröhe ans Bein pieselt. Der wird die ABDA-Vorderen auch zukünftig schweigend anlächeln, umarmen und ersticken.
Anscheinend fehlt nicht nur Becker derzeit jegliche Fantasie, wie es überhaupt gelingen könnte, Forderungen der Apotheker zu formulieren, diese vorzutragen und schlussendlich durchzusetzen. Die in ihren inzestuösen Debatten um „Apotheke 2030“ und den neuen standesgemäßen Bauplatz für das nicht minder standesgemäße Standesgebäude verhedderte Truppe hat den Faden verloren. Unterstellt, sie hätte mal einen gehabt.
Schon die Forderung der ABDA nach „Erwartungsverlässlichkeit“ kam dermaßen devot daher, dass sich Bundesregierung und Koalition gedacht haben mögen, dass die Apotheker eigentlich keinerlei konkrete Forderung hätten. Wer nicht lauthals genug fordert, der hat halt keinen Bedarf, kein Bedürfnis. Außer vielleicht, regelmäßig eine auf den Allerwertesten zu bekommen.
Oder ist es doch eine – im besten ABDA-Stil – fein ausgeklügelte Strategie? Die Mär von der beinharten Apothekerlobby zu ersetzen durch die Story der lahmsten Lobby des Landes. Ganz nach der Devise: Wer unterschätzt wird, erreicht mehr. Und: Wer weniger erwartet, ist mit weniger zufrieden. Leider haben die Apotheken, von denen tendenziell mehr dicht- als aufmachen, weniger als nichts davon. Überall knallt eine Klatsche nach der anderen: von den Krankenkassen ohnehin regelmäßig, von den Medien nicht minder intensiv, neuerdings aber auch von der Gesundheitspolitik und auch aus der Regierung.
Nun fangen die ersten in der ABDA an, sich die FDP zurück zu wünschen. Die hat ja in Bremen eine sagenhafte Sensation geschafft und ist in die Bürgerschaft eingezogen. Doch die Wahrheit ist: Bei einer stark sinkenden Wahlbeteiligung steigt naturgemäß die Chance der kleinen Parteien. Was die Apotheker von der Mini-FDP lernen können? Dass man besser wahrgenommen wird, wenn man sich aufpumpt und Dominanz und Aktivität verströmt. Dann ist man plötzlich wieder im Geschäft.
Im Geschäft sind und bleiben auch die Ärzte. Die sind zwar ebenfalls derzeit mit sich beschäftigt, doch wer viel kratzt, hält immerhin die Krallen scharf. Zum Ärztetag in Frankfurt hatte Gröhe ein paar Goodies im Gepäck. Kanzlerin und Minister wollen keinen Stress. Und so gab man deren Forderungen in Sachen Versorgungsstärkungsgesetz kurzerhand ein Stück weit nach.
Schlecht fürs Geschäft hingegen ist die jüngste Entscheidung gegen einen ziemlich akkuraten Apotheker. Der hatte, weniger devot denn penibel, ein Fahrtenbuch geführt für sein Apotheken-Kfz. Doch dem Finanzamt reichte das nicht, und dem zuständigen Gericht auch nicht. Wer theoretisch betrügen kann, muss beweisen, dass er niemals betrogen hat. Nun muss der Apotheker nachzahlen, bis zu 50.000 Euro. Geld, das für Besprechungen mit Champagner und Whiskey fehlt, über die laut Treuhand Hannover allerdings auch genauestens Buch zu führen ist. Merke: Lieber Gesetzesbruch mit Ansage à la DocMorris als gesetzestreu ohne Beweis...
A propos: DocMorris-Eigenmarken gibt es jetzt bei Rewe. Allesamt Produkte, die weder die Supermarktkette noch den Versender einen entscheidenden Schritt weiterbringen dürften. Rewe wird ein bisschen spezieller, DocMorris ein bisschen beliebiger.
Die nachwachsende Noweda nutzt die Chance, um sich nicht am Genossenschaftsbruder zu reiben: Wie es wäre, wenn die Apotheken jetzt Werbung für Lebensmittelversender machen würden, fragt Firmenchef Wilfried Hollmann. Mal sehen, wie die Drohung ankommt. Im Streit mit Wörwag war der angedrohte Boykott jedenfalls erfolgreich.
Ganz guter Dinge ist Konkurrent Phoenix. Der Branchenprimus will auch in Zukunft seinen langjährigen Marktanteil von 28 + X halten beziehungsweise ausbauen. Von Passivität oder allzu devoter Einstellung ist da nichts zu spüren. Das Selbstbewusstsein in Mannheim erscheint größer denn je.
Weniger Grund für Stolz hat derzeit das BfArM. Das Verwaltungsgericht Köln legte ausführlich dar, dass nicht nur die Verwaltungsvorgänge „leider völlig ungeordnet“ sind, sondern dass in Bonn auch ein recht antiquiertes Weltbild gepflegt wird. Das Urteil liegt hoffentlich auch im zuständigen Ministerium und beim Minister auf dem Tisch. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass der Wind des Wandels auch in den heiligen Hallen in Bonn und bei den nachgeschalteten Institutionen und Gremien weht.
Auf Veränderung stehen die Zeichen auch bei GSK/Novartis – und beim Wort & Bild Verlag im trauten Baierbrunn: Die Familie zieht sich aus dem operativen Geschäft rund um das Flagschiff „Apotheken Umschau“ zurück, auch langjährige Mitarbeiter verlassen die Führungsspitze. Der Platzhirsch unter den deutschen Gesundheitsmedien richtet sich ein auf Veränderung, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.
Selbst bei der CDU dreht sich die Welt weiter. Da fordert ein Abgeordneter Cannabis für alle. Obacht Apotheker: Manche sind schneller als man gemeinhin glauben mag.
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