Was für schöne Bräuche es zu Pfingsten gibt. Bäume werden aufgestellt, Feuer entfacht. Kühe werden festlich geschmückt und auf Alm oder Weide geschickt. Früher wurde auch noch ein Ochse geschlachtet. Aber das gibt es heute nicht mehr. Dafür hat man ja die Apotheker.
Was hatte sich die Welt am Sonntag (WamS) für Mühe gegeben, um die Story richtig gut zu verkaufen. „Abzocke“ stand da in großen Lettern, der Anfangsbuchstabe der Headline in Warnfarbe als rotes Apotheken-A. Die krawallige Aufmachung war zwingend notwendig, denn die Geschichte hatte ansonsten nicht viel zu bieten: Da gibt es doch tatsächlich Betrüger unter den Apothekern und Staatsanwälte, die gleich mehrfach in Deutschland gegen solche schwarzen Schafe ermitteln.
Enthüllungsprofessor Glaeske war auch dabei – man findet ihn gleich unter A wie Apothekentest/Apothekenskandal im „Kleinen Handbuch für Entrüstungsreporter“. Noch am Dienstag geisterte die Geschichte durch die Republik, selbst die ansonsten leiderprobte ABDA sah sich veranlasst, eine kurze Notiz zu der Sache herauszugeben.
Dabei relativierte ausgerechnet der Kronzeuge die Vorwürfe umgehend: Laut Oberstaatsanwalt Alexander Badle gibt es nur wenige sündige Apotheker, die dafür aber schnell teuer für die Allgemeinheit werden können. Hatte Glaeske also doch recht: Rezepte sind die letzten Schecks in Deutschland und damit die Lizenz zum Gelddrucken – oder irgendwie so ähnlich.
Stehen Apotheker schon unter Generalverdacht, so sind ihre Zytostatika-herstellenden Kollegen zwangsläufig mit einem Bein im Knast: Eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern – das kann nicht gut gehen. Hat auch die AOK Hessen erkannt und für sich entschieden, lieber selbst vorzuschreiben, wer mit wem zusammenarbeiten darf. Auch das Bundesverfassungsgericht ließ sich nicht überzeugen, dass die freie Apothekenwahl ein Grundrecht ist. Ohne Begründung lehnten die Richter in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde eines Pharmazeuten ab, der seinen Arzt und seine Patienten weiter versorgt hatte und bis ans Existenzlimit retaxiert worden war.
Zum Sturm auf die wohnortnahe Versorgung haben auch andere Ortskrankenkassen (!) geblasen. Mit der Ausschreibung beim Bundesverband klappt es zwar irgendwie noch nicht so recht. Im Sommer soll es nach der zweiten Verschiebung aber endgültig losgehen.
Von der Apotheke um die Ecke nehmen auch immer mehr Verbraucher Abschied. Im vergangenen Jahr ist nach Angaben von IMS Health der Versandhandel weiter gewachsen: Das Geschäft mit OTC- und Freiwahlpräparaten legte um 8 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro beziehungsweise 131 Millionen zu. Was Apothekenkosmetik angeht, wird jede siebte Packung mittlerweile über das Internet verkauft. Laut IMS betreiben die Hersteller ein aktives Versandhandelsgeschäft, die Sortimente werden breiter und vielfältiger. Und Amazon macht vor, dass Ware auch innerhalb von Stunden ausgeliefert werden kann – zumindest in Metropolen, wo der Distanz- eigentlich ein Vor-Ort-Handel ist. Für alle anderen Gegenden gibt's die Drohne.
Doch es gab auch Momente der Anerkennung in dieser Woche. Die Leiterin der Krankenhausapotheke der Uni Mainz, Professor Dr. Irene Krämer, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Gewürdigt wurde ihr Einsatz für die Klinische Pharmazie, Stichwort: Krämer-Liste.
Ausgezeichnet wurden auch die beim Nachwuchs beliebtesten Ausbildungsapotheken. Je drei Offizin- und drei Klinikapotheken konnten sich über das Lob ihrer PhiP freuen. Wie schnell sich eine gute Ausbildung bezahlt machen kann, beweist übrigens Michael Althoff: Der 31-Jährige führt ein Jahr nach dem Staatsexamen bereits einen 3er-Verbund im rheinland-pfälzischen Neuwied. Wobei zu sagen wäre, dass zwei Apotheken von den Eltern übernommen hat – was ihm nach neuesten Apobank-Zahlen ein Millioneninvestement erspart hat.
Von der Selbstständigkeit können viele Angestellte nur träumen, daran ändern auch AMTS-Zertifizierung, BWL-Aufbaustudium oder -Weiterbildung nichts. Laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit liegt das Durchschnittsgehalt für Approbierte bei 3976 Euro. PTA verdienen durchschnittlich 2327 Euro, PKA in den alten Bundesländern kommen mit 2151 Euro knapp dahinter. Kein Wunder, dass sich so mancher Kollege nach einem zweiten Standbein umguckt. Zum Vergleich: Das Bruttomonatseinkommen von Einzelhandelskaufleuten beträgt 2329 Euro bei einer 38-Stunden-Woche, berichtet die Apothekengewerkschaft Adexa unter Berufung auf eine Gehaltsumfrage der Hans-Böckler-Stiftung.
Aber zurück zum Positiven: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erwies den Apothekern die (unverbindliche) Ehre und besuchte das ABDA-Sommerfest. Parallel legte er einen Entwurf vor, nach dem die Mitarbeiter am HV-Tisch künftig eigenverantwortlich Vorname und Telefonnummer des Arztes ergänzen dürfen, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen. Und selbst beim Strategietreffen zur Verbesserung der Kommunikation in Gesundheitsfragen sollen die Apotheker dabei sein dürfen. Geschenkt, dass Gröhe diesmal noch erinnert werden musste.
Und dann gab es kurz vor dem Feiertagswochenende noch mehr Segnungen für den Berufsstand: Im Aufsichtsrat der Stada soll wenigstens ein Apotheker bleiben dürfen; der aktivistische Investor gibt sich milde. Phoenix setzt zwar mehr als je zuvor auf Kette, will aber auch den Individualapothekern Gutes tun: 8600 Kooperationspartner sind mehr als 2000 eigene Filialen; man braucht Masse, wenn man die Hersteller bis an den POS bringen will.
Apotheker, die das transkontinentale Wettrüsten nicht unterstützen wollen, können demnächst über Pharmastoc einkaufen und untereinander Bestände austauschen. Die Internetplattform will den Zwischenhandel stärken und Schnäppchen ermöglichen; mal sehen, ob das Konzept diesmal klappt. Mit attraktiven und transparenten Konditionen war auch AEP angetreten. Dessen Logistikpartner Trans-o-flex will Phoenix jetzt mit einem eigenen Schnelllieferdienst sturmreif schießen, und auch juristisch steht AEP im Feuer: Die Rabatte sollten in dieser Woche vor dem OLG Bamberg verhandelt werden, doch der Richter musste in letzter Minute krankheitsbedingt absagen. Gute Besserung. Schönes Pfingstwochenende.
APOTHEKE ADHOC Debatte