Alter, mach isch Dir Apothekerpreise! APOTHEKE ADHOC, 18.03.2017 08:00 Uhr
Cannabis als Medizin ist legalisiert – und schon gibt es Kritik an den Apotheken. Nicht wegen der schlechten Beratung. Und auch nicht weil besonders konservative Vertreter des Berufsstands die Abgabe verweigern. Sondern weil die Gewinnspanne bei 100 Prozent liegt. Die Kassen haben eine Lösung gefunden und Dealer vor der Offizin platziert.
Der jungen Mutter fällt die Medizini aus der Hand, als sie beim Verlassen der Apotheke von hinten angeraunt wird: „Brauchst du Gras? Geb isch dir korrekt.“ Die rüstige Oma flüchtet vor dem zwielichtigen Fremden schnell in die Offizin – „kraaassss“, ruft der ihr hinterher. Der ältere Herr schließlich, der sich mit forschem Schritt nähert, zögert eine Sekunde zu lange und findet sich prompt in ein Gespräch verwickelt wieder.
„Hab isch Internet gelesen, dass Apotheke Cannabis verkauft“, so der Dealer. „Ischwör Alter, ist viel zu teuer.“ Mit verschwörerischer Miene zaubert er eine kleine Plastiktüte aus der Jackentasche. „Mach isch Dir Rabatt“, sagt er. Und das Beste: „Zahlt Krankenkasse. Bin isch Rahmenvertrag.“ Auf die „1A-Pharmazeutikqualität“ verweist er dann noch. „Made in Germany!“ Denn er weiß: Die Kundschaft ist anspruchsvoller geworden.
Was er nicht weiß: Der Herr ist gar kein Apothekenkunde, sondern Apothekentester von SWR-Marktcheck. Eigentlich als investigativer Testkäufer für die Reportage „Versandapotheken – sind Preise und Beratung besser als in der Apotheke vor Ort?“ unterwegs, findet der Mann vom Fernsehen schnell Gefallen an der Cannabis-Story und den Apothekerpreisen. Doch als er das Kamerateam herbeiruft, ist der Dealer ganz schnell weg.
Auf die Idee, Dealer als Ersatzapotheker einzuspannen, hatte die Kassen ein Arzt gebracht: Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), hatte den pharmazeutischen Kollegen unterstellt, sich am Gras zu bereichern. Die „Apothekenpreise“ bei Cannabis seien viel zu hoch. Wenn die Apotheken die Rezepturen als Fertigarzneimittel abrechnen würden, wäre das Ganze billiger, rechnete er vor – ruderte dann aber zurück.
Nachrechnen lohnt sich nicht, das ist wie bei Großhandelsrechnungen, das wird schon stimmen. Der Großhandelsmarkt in Deutschland ist so übersichtlich, dass er gelegentlich das Interesse des Bundeskartellamtes weckt. Und manchmal müssen die Wettbewerbshüter nachschauen, ob eine Übernahme nicht zu regionalen Alleinstellungstendenzen führt. Dass der Markt auch nach der Ebert+Jacobi-Übernahme nicht zur Ruhe kommt, zeigen neue oder zumindest junggebliebene Spekulationen über Gehe/Phoenix/Alliance. Dementis gibt es immer, bis zur Vollzugsmeldung. Dementieren würden Großhändler in der Regel auch, dass sie ihre Konditionen kürzen.
Manchmal wünschen sich Inhaber, sie könnten diesem Irrenhaus entfliehen und „etwas ganz anders machen“. Und einige Kollegen haben das tatsächlich gemacht. Aber seien Sie unbesorgt: Auch die haben ihre Sorgen. Trotzdem sind spannende Karrieren drin, wenn man sich durch das Pharmaziestudium gequält hat.
Und auch der Job in der Apotheke ist schön und bunt. An manchen Orten bunter als an anderen: Pericings, Tattoos oder anderer auffälliger Körperschmuck macht vor dem HV-Tisch nicht halt. Im Team muss man sich darauf verständigen, was geht und was nicht. Die Kunden scheinen toleranter als viele denken. Und wer sich unsicher ist, kann sich einen Stilberater ins Haus holen.
Zu Streit im Team sollte das Aussehen jedenfalls nicht führen. Geld übrigens auch nicht, auch wenn die Gehaltsentwicklung der Angestellten in ihrem Berufsleben durchaus Anlass dazu bietet. Verglichen mit anderen Branchen ist die Dynamik in der Offizin eher bescheiden. Mit 50 in der Sackgasse?! Sind Apotheker nun zu billig, zu teuer oder einfach zu gut? Ein Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Tarifvertrag dürfte empirisch nachweisbar sein.
Und das wiederum führt auch unter Kollegen zu Streit. Wenn etwa der Jungapotheker am Ort plötzliche einen Großangriff startet oder die Filialleiterin nach einem Tag wieder abspringt. Auch von geflohenen Kopfgeldjägerinnen wird berichtet.
Enttäuscht ist nach 33 Jahren im Beruf Renate P. Die PTA aus Nordrhein-Westfalen hatte vor 20 Jahren ihren Traumjob, seitdem sei es bergab gegangen. Sie und ihre Kollegen würden klein gehalten – sowohl von der Politik als auch von den Apothekern. Als PTA sei man heute auch PKA: Immer mehr Chefs erwarteten, dass auch kaufmännische Tätigkeiten übernommen würden. Sie wünscht sich mehr Anerkennung und Wertschätzung in ihrem Beruf und fordert Reformen, um den Beruf attraktiver zu machen. Denn: „Ohne PTA würden drei Viertel der Apotheken schließen.“
Da kann man verstehen, dass mancher Apotheker sein Sortiment um Schreibwaren erweitert. Und da sich die Offizin in einem ehemaligen Schlecker-Markt befindet, gleich auch um Drogerieartikel – natürlich apothekenrechtlich fein sauber voneinander getrennt. Wie bei dem nahenden Ende jener Drogeriekette seinerzeit das eine von dem anderen getrennt wurde, müssen jetzt die Gerichte entscheiden.
Vor Gericht treffen sich auch Apotheker, wenn der eine wettbewerbsrechtlich über die Stränge geschlagen hat. Bei einigen Versandapotheken gehört offenbar auch der Gegentestkauf zum guten Ton, damit man sich vielleicht doch noch verständigt.
DocMorris wird dagegen bei den Krankenkassen angeschwärzt. Angeblich ist die niederländische Versandapotheke bei der Verrechnung der Zuzahlung mit den in Luxemburg legitimierten Boni etwas freizügig. Der GKV-Spitzenverband soll sich die Sache noch einmal anschauen, hat aber bislang wenig Jagdinstinkt an den Tag gelegt.
Für das Rx-Versandverbot sieht es nun etwas düsterer aus: Die SPD-Ministerien des Inneren und der Justiz haben sich dagegen ausgesprochen. Da auch in der Fraktion die kritischen Stimmen zumindest lauter sind, wird sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wohl auf einen Kompromiss einlassen müssen.
Parallel gibt es schon die nächsten Verfahren zu Rx-Boni: Vor dem Landgericht Lüneburg streiten zwei Apotheker, ob ein Willkommensbonus von 50 Cent schon gegen die Preisvorschriften verstößt. Die Apothekerkammer jedenfalls sieht es so und hat eine Untersagung ausgesprochen. DocMorris‘ Boni-Prozess ist dagegen endgültig beerdigt, das EuGH-Verfahren wurde vor dem OLG Düsseldorf für erledigt erklärt. Das hätte man auch einfacher haben können, liebe Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV). Was die ABDA mit ihrer neuen Partnerschaft plant, fragen Sie lieber erst nach, wenn alle Unterschriften ausgezählt sind. Schönes Wochenende!