Das gemeinsame Einsatzteam von Navis und Apotheker ohne Grenzen Deutschland (AoG) ist auf dem Rückweg aus dem Erdbebengebiet der Türkei. Seit mehreren Tagen waren die Pharmazeut:innen in der Region Adana/Gaziantep/Samandag unterwegs. Nach sorgfältigem Abwägen der Umstände vor Ort, traf das Team nun schweren Herzens die Entscheidung, den Einsatz abzubrechen.
Zunächst wurden Navis und AoG drei Gebiete für den Aufbau des medizinisch-pharmazeutischen Nothilfe-Camps durch die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD zugewiesen. Für die Teams hat sich jedoch vor Ort klar herausgestellt, dass viele betroffene Menschen bereits versorgt sind.
Zudem sei bereits über die lokalen Strukturen weitere Hilfe im Auf- und Ausbau. „Der türkische Katastrophenschutz koordiniert die in- sowie ausländische Hilfe, bringt bereits Container und türkische Ärzte für die Versorgung in die betroffenen Gebiete. Der Aufbau und Betrieb von wochenlangen Nothilfe-Camps, um den medizinisch-pharmazeutischen Bedarf zu decken, ist in keiner der Ortschaften gerechtfertigt gewesen“, so die Pharmazeutin Petra Nolte, die für AoG vor Ort war. „Wir sind alle zugewiesenen Gebiete abgefahren und konnten sehen, dass sich die örtlichen Strukturen wieder aufbauen. Viele Verletzte wurden ausgeflogen und in noch funktionsfähige Krankenhäuser gebracht“, so Nolte.
Durch die eigenständige Einschätzung der Lage vor Ort wurde im Endeffekt die gemeinsame Entscheidung getroffen, den Einsatz nicht wie zunächst geplant durchzuführen: „Wir nehmen auf die lokalen Veränderungen Rücksicht und arbeiten weitere niederschwellige Hilfsangebote aus, die die medizinische und pharmazeutische Infrastruktur bis zur vollen Funktionsfähigkeit unterstützen können“, erklärt Nolte. „Wir haben den Einsatz schweren Herzens abgebrochen, nachdem wir mit sämtlichen Health-Officer vor Ort gesprochen haben. Wir mussten einfach feststellen, dass ein anderer Bedarf an Hilfe besteht, als wir leisten können. Viele Menschen. Brauchen jetzt vorrangig eine Unterkunft und etwas zu essen. Es ist uns wichtig, dass unsere Arbeit hier vor Ort die richtige Wirkung entfalten kann. Diese Entscheidung haben wir genau abgewogen und im Endeffekt sehr bewusst getroffen.“
Zeitgleich sei AoG an vielen anderen Hilfsoptionen beteiligt und habe den Einsatz und die Präsenz vor Ort auch dafür effektiv nutzen können. Es konnte mit lokalen Organisationen vor Ort über weitere Verknüpfungen von Hilfsangeboten gesprochen werden, um Regionen, in denen sich der Aufbau einer Nothilfe-Infrastruktur noch weiter verzögert, zu unterstützen.
Weiterhin versucht AoG mit einem türkischen Partner Medikamentenlieferungen nach Syrien zu ermöglichen. Es findet auch ein enger Austausch statt mit einem langjährigen Partner, welcher mit einem Arztmobil in entlegenere Regionen in der Türkei noch in dieser Woche aufbrechen wird. Hierbei unterstützt AoG mit einer Erstausstattung an Arzneimitteln.
AoG betont, dass „alle bisher geflossenen und noch eingehenden Spendengelder in guten und seriösen Händen“ sind und „effektiv und verantwortungsvoll für die Erdbebenopfer verwendet“ werden. „Aber genau in dieser Verantwortung wollen wir mit Respekt vor den lokalen Katastrophenschutzstrukturen keinen Einsatz „durchdrücken“, den wir für uns als professionelle Hilfsorganisation, für unsere Einsatzkräfte und für unsere Spender:innen nicht rechtfertigen können“, so die erfahrene AoG-Einsatzkraft.
„Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei allen ehrenamtlichen Einsatzkräften für ihr Engagement bedanken! Auch wenn es nicht zu einem klassischen Nothilfe-Einsatz in dieser Region kommt, so bin ich davon überzeugt, dass wir in den nächsten Stunden und Tagen solide und effiziente Hilfe leisten werden“, so AoG-Geschäftsführerin Eliette Fischbach.
Die Bundesregierung will Hilfen mit dringend benötigten Arzneimitteln für die Erdbebengebiete in der Türkei und in Syrien organisieren. Dazu ist an diesem Montag ein „Spendengipfel“ unter anderem mit Vertretern von Pharmaherstellern geplant, wie es am Donnerstag aus dem Gesundheitsministerium in Berlin hieß. Es solle dafür präzise aufgelistet werden, was akut gebraucht werde. In der Türkei fehlten zum Beispiel Chemotherapien für Krebsbehandlungen oder Blutgerinnungsmittel. Thema des Treffens soll den Angaben zufolge auch die Logistik für Hilfslieferungen in die Region sein.
Allein in der Türkei sind nach Regierungsangaben 1,6 Millionen Menschen in Notunterkünften untergebracht und 600.000 Menschen aus der Krisenregion herausgebracht worden.
Um weiterhin bestmöglich helfen zu können, bittet die Nothilfe von AoG um Spenden:
Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE 88 3006 0601 0005 0775 91 | BIC: DAAEDEDDXXX | BLZ: 300 606 01
AoG kauft mit Spendengeldern bedarfsgerecht die Medikamente ein, die genau jetzt im Erdbebengebiet benötigt werden und die auch in der internationalen Nothilfe und der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Ärzten vor Ort sofort angewendet werden. „Deshalb freuen wir uns über jede Spende, die wir zielgerichtet einsetzen für die Opfer des Erdbebens und bitten ausdrücklich keine Arzneimittel zu spenden.“
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