„Anfällig für Fehler, für Fälscher und Betrüger“ Alexander Müller, 13.08.2018 09:52 Uhr
Erst Bottrop, dann Valsartan und zuletzt Lunapharm – der Apothekenmarkt hat in den vergangenen Monaten viel ungewollte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Heute diskutiert die Süddeutsche Zeitung (SZ) die jüngsten Fälle und kommt zu dem Schluss, dass der Arzneimittelmarkt „immer anfälliger für Fehler und Betrug“ wird.
Im Wesentlichen ist der Beitrag eine Kritik an der Importquote. Mit Apotheker Dr. Franz Stadler (Sempt-Apotheke, Erding) hat sich die SZ den passenden Kronzeugen besorgt. Stadler ist aber auch Zyto-Apotheker und so beginnt der Beitrag mit einer Szene aus seinem Sterillabor. Der kleine Raum stehe für das große Versprechen, „dass alle Medikamente, die hier hergestellt werden, auch wirklich wirken, dass sie gesund machen und nicht krank“.
In der Folge geht es im Beitrag aber nicht um die Sterilherstellung, sondern um Lunapharm. Der Handel mit mutmaßlich gestohlenen Arzneimitteln wird dem Importsystem zugeschrieben. „Das System ist intransparent und unübersichtlich und macht es Kriminellen einfach, gestohlene oder gefälschte Ware einzuschleusen – so wie bei Lunapharm, das die gestohlenen Krebsmittel möglicherweise für ganz normale Importware hielt“, heißt es im Beitrag.
Und dann geht es plötzlich um den Valsartan-Rückruf, die Verunreinigung der Tabletten und die Zahl der potenziell Betroffenen in Deutschland. Auch der SZ ist bewusst, dass die beiden Fälle schwer zu vergleichen sind, beide stehen der Zeitung zufolge aber symptomatisch für einen veränderten Arzneimittelmarkt „und wie er immer anfälliger wird für Fehler, für Fälscher und Betrüger“.
Deutschland sei heute nicht mehr die Apotheke der Welt, 80 Prozent aller Wirkstoffe kämen aus Indien und China, erinnert die SZ. „Doch das ist nicht das einzige Problem im weltweiten Arzneimittelmarkt“, meint die Autorin. Das andere ist demnach die Importquote. Eine ganze Branche habe sich darauf spezialisiert, Medikamente innerhalb Europas hin- und herzuverschieben – von Italien nach Slowenien, von Slowenien nach Deutschland oder von Deutschland nach Griechenland und wieder zurück. „Es kann sein, dass es mehrmals umgepackt oder umetikettiert wird. Ob es richtig gelagert und gekühlt wird, weiß niemand“, so die Kritik.
Politisch gewollt sei dies – Stichwort Importquote, mit der die Krankenkassen Millionen einsparten. Stadler kommt mit seinem Boykottaufruf zu Wort. Die Kollegen sollen einfach keine Importarzneimittel mehr abgeben, hatte er schon gegenüber APOTHEKE ADHOC geäußert und damit eine lebhafte Debatte ausgelöst. „Wir haben so lange geschwiegen, jetzt muss sich endlich was tun“, sagt Stadler der SZ.
Und dann werden die Themen im Beitrag doch vermischt: Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe sich geäußert – zum Fall Valsartan: „Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Medikamente ohne Verunreinigung hergestellt werden.“ Die Verunreinigung war allerdings einem fehlerhaften Produktionsprozess geschuldet und hat nichts mit Importen zu tun.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag (CDU) fordert eine nationale Aufsichtsbehörde zur Überwachung des Arzneimittelhandels, „eine richtig gute Truppe auf hohem Niveau“. Dies könnte beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt sein, das sich bisher vor allem um die Zulassung von Medikamenten kümmert. Maag halte aber nichts davon, Importe schlechtzureden. Denn die seien zur finanziellen Entlastung des Arzneimittelsystems wichtig. Stadler findet, dass damit die Arzneimittelsicherheit geopfert wird. Er werde im nächsten Monat die Importquote nicht erfüllen – und lieber Hunderte Euro Strafe zahlen.