Standardimpfungen

Impfungen: Sorgerecht entscheidet

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Berlin -

Ob ein Kind geimpft wird oder nicht, entscheidet alleine der sorgeberechtigte Elternteil. Das hat das Amtsgericht Darmstadt im Fall einer Frau entschieden, die ihre Kinder ohne Einwilligung des Vaters gegen Tetanus, Diphterie, Masern und Pneumokokken impfen lassen wollte.

Zunächst seien beide Eltern impfkritisch eingestellt gewesen, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Haltung des Vaters basierte offenbar auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Mutter änderte nach mehreren Gesprächen mit der Ärztin ihrer Kinder jedoch ihre Meinung.

Die Medizinerin riet zur Impfung der Kinder entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), insbesondere die Impfungen gegen Keuchhusten, Pneumokokken und Tetanus sowie Diphterie seien sinnvoll. Die Ärztin habe aber auch darauf hingewiesen, dass die Pneumokokkenimpfung nur bis zum 2. Lebensjahr möglich sei. Daher bat die Mutter im November 2014 den Kindsvater schriftlich um seine Einwilligung zur geplanten Impfung. Dieser lehnte jedoch im Dezember 2014 ab. Dagegen ging die Mutter juristisch vor und verlangte die Alleinentscheidungsbefugnis, die ihr das Gericht jetzt zusprach.

Die Entscheidung über die Impfungen sei den „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) zuzuordnen. Die strittigen Schutzimpfungen würden allgemein empfohlen und seien Teil der U-Vorsorgeuntersuchungen, welche ihrerseits zur Alltagssorge gehörten. Die weitüberwiegende Mehrheit der Bevölkerung lasse die Impfungen durchführen; dementsprechend sei die Entscheidung von demjenigen zu treffen, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhielten.

Die Impfungen beträfen nicht nur die unmittelbare Gesundheitssorge, sondern seien auch bedeutend für das Verhalten im Alltag: So könne eine fehlende Tetanusimpfung den betreuenden Elternteil davon abhalten, die Kinder an bestimmten Stellen im Freien spielen zu lassen. Schließlich wisse der sorgeberechtigte Elternteil am besten über den Gesundheitszustand der Kinder bescheid.

Dass Impfungen zu Komplikationen und Nebenwirkungen führen können, ist aus Sicht der Richter kein Argument, diese als „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ einzustufen, für die laut BGB gegenseitiges Einvernehmen der Eltern erforderlich ist. Eine Differenzierung in komplizierte und unkomplizierte Krankheiten sei nicht zielführend, da auch Routineuntersuchungen zu Komplikationen oder Nebenwirkungen führen könnten.

Anders seien Fälle zu beurteilen, in denen keine Impfung vorgenommen werden soll. Dies sei nicht mehr „alltäglich“ im Sinne des BGB. „Die Folgen des Nichtimpfens sind gegebenenfalls derart gravierend, dass die Angelegenheit erhebliche Bedeutung erlangen kann.“

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