Ärzte und Apotheker helfen im Krisengebiet Benjamin Rohrer, 10.05.2011 09:09 Uhr
Seit Februar tobt in Libyen der Bürgerkrieg. Die Arzneimittelversorgung war nach Ausbruch des Konfliktes insbesondere in den Krisengebieten um die Städte Bengasi und Misrata fast komplett zusammen gebrochen. Doch die internationale Hilfe ist groß: Mit Hilfe einheimischer Regime-Gegner hat die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ ein provisorisches Versorgungsnetz aufgebaut, über das Medikamente und andere medizinische Hilfsmittel im gesamten Land verteilt werden.
Als einer der ersten Helfer reiste Anfang April ein französischer Apotheker in die Krisenregion. Während seines zweiwöchigen Aufenthalts hatte der Pharmazeut die Aufgabe, die Schwachstellen bei der Arzneimittelversorgung ausfindig zu machen. Durch die große Anzahl an verletzten Freiheitskämpfern benötigten insbesondere die Krankenhäuser Hilfe: Wichtige Medikamente wie Antibiotika, Anästhetika sowie Schmerzmittel seien in den Klinikapotheken kaum vorhanden, berichtete der Apotheker nach seiner Rückkehr in die Pariser Zentrale der Hilfsorganisation.
Die Arbeit der Hilfsorganisation konzentrierte sich zunächst auf die Stadt Bengasi: „Wir hatten das Glück, dass eine Gruppe von rebellierenden Ärzten bereits eine 'Zentralapotheke' eingerichtet hatte. Von dort aus versorgten sie die Kliniken im ganzen Land“, sagt Bruno Berson, einer der Leiter des Libyen-Einsatzes von „Ärzte ohne Grenzen“. Zusammen mit den libyschen Kollegen stellte die Hilfsorganisation dann einen Versorgungsplan für die Krankenhäuser der Stadt auf.
Aus dem Depot in Bordeaux lieferte die Hilfsorganisation anfangs 15 Tonnen Medikamente und weitere Hilfsmittel nach Bengasi. Zusätzliche 20 Tonnen seien über ein Lagerzentrum im ägyptischen Alexandria nach Bengasi gelangt; vor Ort seien die Arzneimittel von der Zentralapotheke an die städtischen Krankenhäuser verteilt worden, so Berson. Auch dank der Hilfe der Aufständischen war die medizinische Versorgung in Bengasi binnen kürzester Zeit wieder hergestellt.
Schwieriger war die Situation in Misrata: Durch die Kämpfe war die Küstenstadt komplett isoliert. „Auch da waren die Kliniken aber völlig überlastet und benötigten dringend Medikamente“, so Berson. Die größte Herausforderung sei der Transport der Medikamente in die umkämpfte Stadt gewesen: „Nach Bengasi konnten wir Straßen nutzen, um Misrata herum war das aber viel zu gefährlich.“ Aufgrund der Luftangriffe der Nato-Streikräfte war auch der Luftweg ausgeschlossen. „Alle Ladungen müssen daher mit dem Schiff nach Misrata gebracht werden - entweder von Bengasi oder von einer Zwischenstation auf Malta aus.“
In den vergangenen Wochen ist der Hilfsorganisation jedoch auch diese Mission gelungen: Allein aus Frankreich sind 12 Tonnen Arzneimittel in die drei Kliniken Misratas transportiert worden. Aus anderen Ländern, wie etwa Belgien, sind weitere Hilfslieferungen angekommen. „Wir wurden auch von den arabischen Nachbarstaaten unterstützt.“ Wie die von „Ärzte ohne Grenzen“ in Europa eingekauften Medikamente, seien die arabischen Arzneimittel von höchster Qualität, versichert der Einsatzleiter.
Derzeit arbeitet „Ärzte ohne Grenzen“ daran, die Kontrolle über das Versorgungsnetz an die Einheimischen zu übertragen. Die derzeit etwa 35 ausländischen Helfer sollen durch libysche Ärzte und Pfleger unterstützt werden. Für die Krisenstadt Misrata ist auch die Einstellung eines einheimischen Apothekers geplant, der die Arzneimittelversorgung in den drei Kliniken koordinieren soll.