Ärzte

Plusminus kritisiert Ärztefortbildungen

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Berlin -

Ärzte müssen sich regelmäßig fortbilden, sonst verlieren sie ihre Zulassung. Für die Veranstaltungen gibt es klare Regeln: Sie müssen unabhängig von kommerziellen Interessen sein, Sponsoren dürfen Form und Inhalt nicht beeinflussen. Unter dem Titel „Beeinflusste Ärzte“ berichtete das Magazin Plusminus gestern Abend, wie diese Regeln von Herstellern beliebig unterlaufen und Ärzte beeinflusst werden.

Viele Veranstaltungen und Redner würden von Herstellern bezahlt, so die Plusminus-Redakteure. Sie besuchten mehrere solcher Veranstaltungen und beobachten immer wieder Verstöße: So spreche etwa auf einer Fortbildung über Asthma ein Referent, der für zahlreiche Pharmakonzerne tätig gewesen sei, darunter GSK, AstraZeneca, Novartis, Berlin Chemie und Boehringer Ingelheim. Die Zusammenarbeit erwähne er jedoch nicht, „dabei müsste er mögliche Interessenkonflikte allen Teilnehmern im Saal offen legen“, so Plusminus. Im Hintergrund werbe zudem ein Plakat für das neue Kombipräparat des Sponsors.

Bei einer Fortbildung über Diabetes empfehle ein Referent immer wieder ein spezielles Medikament: Das Präparat sei gerade weltweit auf einem Siegeszug und senke das Gewicht des Patienten signifikant. Bei einem Pausengespräch mit einer Vertreterin des Unternehmens werde ein Besuch in der Praxis angeboten – „Manipulation versteckt oder offen“, so Plusminus. Auf einer Fortbildung für Cholesterinsenker nutze ein Mitarbeiter des Sponsors die Zeit für politische Forderungen.

Auch große Kongresse würden genutzt: Ohne „Industriesponsoring“ gehe hier nichts, so Plusminus. Eine von den Redakteuren besuchte Veranstaltung mit rund 9000 Teilnehmern werde von Herstellern mit rund 600.000 Euro unterstützt. Dazu kämen mehr als 5 Millionen Euro von verschiedenen Fachgesellschaften. Werbung sei hier allgegenwärtig.

Der Berliner Neurologieprofessor Thomas Lempert wirbt auf dem Kongress für werbefreie Fortbildung und unabhängige Experten in den Gremien, die Behandlungsempfehlungen erarbeiten. Er kritisiert den massiven Einfluss von Herstellern: „Wir haben heute häufig einen werbenden und begeisterten Unterton, wenn es um neue Medikamente geht. Das ist unwissenschaftlich und unärztlich“, sagt er. Ärzte würden einen Teil der Marketing-Botschaften als wissenschaftliche Wahrheit verinnerlichen. So erhalte man nicht mehr die beste Abwägung zwischen Nutzen und Risiko eines Arzneimittels. „Medikamente zu verordnen, ist ein Eingriff in den Körper des Patienten.“ Den eigentlichen Preis zahlten die Patienten.

Lempert schätzt, dass bis zu 80 Prozent der Mediziner an gesponserten Veranstaltungen teilnehmen. Insgesamt gebe es rund 337.000 Veranstaltungen. Wie viele davon von Pharmafirmen unterstützt werden, fanden die Redakteure nicht heraus: Von den angefragten Landesärtztekammern hätten lediglich vier geantwortet. Demnach schwanken die Anteile zwischen 3,3 Prozent und 15,5 Prozent.

Wie sehr sich Ärzte davon beeinflussen lassen, ist unklar. Das Magazin führt eine Umfrage an, laut der 47,4 Prozent der befragten Ärzte glaubten, ihre Kollegen ließen sich manipulieren. Von sich selbst glaubten das nur 1,3 Prozent.

Der pharmakritische Ärzteverein Mezis macht regelmäßig auf Verstöße aufmerksam, diese würden der Ärztekammer gemeldet, sagt Mitglied Dr. Ludwig Brügmann. Auch direkt in den Veranstaltungen kritisierten sie Verstöße offen. Erstmals sei vor kurzem eine Fortbildungsveranstaltung nach entsprechender Kritik nicht mehr von der Kammer empfohlen worden.

Laut Mezis-Mitglied Adelheid Lüchtrath führen beeinflusste Fortbildungen dazu, dass mehr Geld für Produkte ausgegeben wird, die niemand braucht. „Wenn die Ärzte sich weniger nach der Pharmaindustrie ausrichten würden, wäre das Gesundheitssystem billiger.“

Auch die Beziehungen zwischen Herstellern und Apotheker sind nicht immer unproblematisch: Im Januar berichte Plusminus unter dem Titel „Das Geschäft mit der Glaubwürdigkeit“ am Beispiel Almased über Apotheker, die sich als Werbefiguren einspannen lassen. Apotheker Rudolf Keil und PTA Hannelore Schnitzler warben für die Marke. Der Hersteller hatte wegen seiner Werbung mit dem Apotheker bereits 2013 Ärger.

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