Anwendungsbeobachtungen

Diese Präparate bringen Ärzten Geld

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Berlin -

Pharmahersteller lassen Arzneimittel von Ärzten in Anwendungsbeobachtungen (AWB) testen. 2014 beteiligten sich laut einem Bericht des ARD-Magazins Panorama rund 17.000 Mediziner an solchen Studien. Die Reporter kritisieren, dass durch die ausgezahlten Honorare das Verschreibungsverhalten manipuliert werde. Die Sendung wird heute Abend um 21.45 Uhr ausgestrahlt.

Ärzte erhalten dem Sender zufolge im Schnit 669 Euro pro Patient. NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung haben in Kooperation mit dem ARD-Magazin Panorama und dem Recherchezentrum Correctiv Daten zu rund 1300 AWB aus den Jahren 2009 bis 2014 ausgewertet, die an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemeldet wurden.

Insgesamt liefen 2014 demnach mehr als 500 Erhebungen, einige bereits seit mehreren Jahren und teilweise mit Laufzeiten bis über 2020 hinaus. Ob die einzelnen AWB sinnvoll und die Vergütungen tatsächlich angemessen seien, kontrolliere jedoch niemand.

2014 nahmen demnach etwa 10 Prozent der niedergelassen Ärzte teil. Jährlich würden etwa 100 Millionen Euro an Honoraren gezahlt. Daten von etwa 1,7 Millionen Patienten sollten demnach erfasst werden. Die Analyse der vorliegenden Daten lasse zumindest Zweifel an dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse aufkommen, heißt es. Denn oft würden AWB zu Medikamenten durchgeführt, die bereits seit vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten auf dem Markt seien – etwa zu Kontrastmitteln für Röntgenaufnahmen oder zu einer Reihe von Krebsmedikamenten.

Correctiv hat eine Liste mit den Top-50-Präparaten ins Netz gestellt. Unter den ersten zehn Produkten sind sieben Röntgenmittel, die an bis zu 150.000 Patienten geprüft wurden. Mit unter den Top-10 sind außerdem Lucentis, Seebri und Valdoxan. Spitzenreiter nach Vergütung ist Humira mit 4609 Euro je Fall. Insgesamt wurden 20 AWB mit 10.000 Patienten gemeldet.

Unter den AWB finden sich laut Correctiv vor allem Analogpräparate, deren medizinsicher Zusatznutzen fraglich sei. „Mehr als 485.000 Patientinnen und Patienten wurden angeblich für Kontrastmittel beobachtet, die zum Teil schon mehr als 20 Jahre auf dem Markt sind“, schreibt das Netzwerk.

Bei den AWB aus dem Jahr 2014 seien nur acht Medikamente mit neuartigem Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz dabei, aber 17 Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten. Außerdem fänden sich einige Altoriginale. „Auch dies legt den Verdacht nahe, dass mit Hilfe von Anwendungs­beobachtungen vor allem jene Medikamente in den Markt gedrückt werden, die im Verdacht stehen, Scheininnovationen zu sein.“

Kritiker beurteilen dem Bericht zufolge einen Großteil der Erhebungen als eine Art legale Bestechung. Es bestehe demnach die Gefahr, dass Mediziner wegen des finanziellen Anreizes teurere oder gar schlechtere Mittel verschrieben und dadurch das Budget der Krankenkassen belasteten oder die Gesundheit der Patienten gefährdeten, sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdKÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig.

Laut SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach stehen die Honorare in keinem Verhältnis zum Aufwand und sind gefährlich hoch. Das Ziel der Pharmaindustrie sei, so Patienten zu rekrutieren. Lauterbach bezeichnete AWB deshalb schon vor Jahren als „legale Form der Korruption“. Denn Ärzte würden durch die Honorare dazu animiert, ein bestimmtes Medikament zu verschreiben.

Bei einigen Kontrastmitteln wurden demnach Daten von Zehntausenden Patienten erfasst. Die Honorare bei AWB zu Krebsmedikamenten wie Avastin von Roche lägen teils bei über 1000 Euro pro Patient für die Erfassung von Daten aus mehreren Monaten. Bei einer derartigen Studie zu einer Behandlung bei Brustkrebs konnten die Ärzte dem Bericht zuofolge eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 200 Euro bekommen, wenn eine Patientin einen Fragebogen ausfüllte – für die Beratung der Patientin und den „Nachbetreuungsaufwand“.

Zwei Stunden Arbeit kalkulierte Roche demnach dafür und berief sich bei der Berechnung der Honorare auf die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der Konzern betont demnach, Ziel sei es nicht, dass Ärzte das eigene Medikament bevorzugten. Vielmehr gehe es darum, „weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit unter Praxisbedingungen zu generieren.“

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