Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund hat die Jamaika-Unterhändler von Union, FDP und Grünen davor gewarnt, Arbeitszeitregelungen aufzuweichen. Mindeststandards des Arbeits- und Gesundheitsschutzes müssten – auch in einer mehr und mehr digitalisierten Welt – gewahrt bleiben, forderte der Marburger Bund. Unter dem Schlagwort „Arbeiten 4.0“ würden derzeit wesentliche Eckpunkte des Arbeitszeitrechts wie etwa Erholungsurlaub, Höchstarbeitszeit und Ruhezeit teilweise offen infrage gestellt.
Wer eine weitere Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit fordere, (Mindest-)Ruhezeiten infrage stelle und deren Unterbrechung über das bestehende gesetzlich geregelte Maß hinaus für zulässig erachte, stelle sich in Widerspruch zu den einschlägigen arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen, so der Marburger Bund, der vor allem angestellte Ärzte vertritt. Das Arbeitszeitgesetz schaffe mit Öffnungsklauseln schon jetzt ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten, um im Krankenhausbereich eine spezifische
Flexibilität zu gewährleisten.
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, beklagte, dass derzeit Personalabbau zu permanenter Überlastung, zu Zeitmangel und abnehmender Arbeitszufriedenheit der Krankenhausbeschäftigten führe. „Förderung von Zeitsouveränität“, wie dies bei den Sondierungen von Union, FDP und Grünen angesprochen worden sei, „muss deshalb in erster Linie bedeuten: mehr Zeit für Patientengespräche, für Fort- und Weiterbildung und für Privatleben und Familie“, erklärte Henke.
Die Gewerkschaft Verdi und der Marburger Bund vereinbarten unterdessen, sich durch das Tarifeinheitsgesetz nicht von Arbeitgeberseite gegenseitig ausspielen zu lassen. Deshalb sei vorgesehen, dass eine Klausel die Verdrängung der kleineren
Gewerkschaft ausschließt und dies zur Voraussetzung eines Tarifabschlusses gemacht werde. Das Tarifeinheitsgesetz sieht nämlich vor, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen in einem Betrieb künftig der Abschluss mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft gilt. Wer die meisten Mitglieder hat, sollen im Zweifel Arbeitsgerichte entscheiden.
Der Marburger Bund forderte zudem klarere Vorgaben für Investitionen in Krankenhäuser. Bund und Länder müssten endlich einen Weg finden, wie der tatsächliche Investitionskostenbedarf der Krankenhäuser verbindlich gedeckt werde. Erforderlich sei eine gesetzlich verankerte Mindestförderung für den Substanzerhalt und die Investition in bedarfsgerechte Strukturen.
Die für den Klinikbetrieb vorgesehenen Mittel seien zwar durch das seit 2016 geltende Krankenhausstrukturgesetz stabilisiert worden, aber noch längst nicht in dem vorgesehenen Umfang in den Kliniken angekommen. Die jährliche Preisfindung auf Landesebene müsse eine volle finanzielle Abdeckung der Tariflohnsteigerungen ermöglichen.
Laut Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden die Personalkosten inklusive der Tarifabschlüsse voll und ganz durch die Krankenkassen getragen, auch wenn immer wieder anderes behauptet wird. „Wir erwarten, dass die Kliniken nicht länger auf Kosten des Personals sparen, sondern endlich genügend Pflegerinnen und Pfleger einstellen“, erklärte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz.
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