Apotheker Hartmut Rudolf Wagner aus Schwäbisch Hall hat zahlreiche Kollegen abgemahnt. Doch womöglich droht ihm jetzt selbst Ärger: Die Telefonnummer seiner Brücken-Apotheke hatte er zu seinem Anwalt umgeleitet, Anrufe wurden vorübergehend von der Kanzlei „Richtig. Recht. Leipzig“ entgegengenommen. Aus Sicht der zuständigen Landesapothekerkammer Baden-Württemberg ist das nicht erlaubt.
Auf Nachfrage erklärte Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers: „Nach unserer Rechtsauffassung ist eine automatische Telefonweiterleitung von einer Apotheke an eine Anwaltskanzlei nicht zulässig, da eine Apotheke auch telefonisch für Patienten erreichbar sein muss und die Beratung zu Arzneimittelfragen von einer Anwaltskanzlei nicht durchgeführt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Apotheke Versandhandel betreibt.“
Ob die Brücken-Apotheke allerdings überhaupt eine Versandapotheke ist, ist noch nicht geklärt. Zumindest im offiziellen DIMDI-Register wird die Brücken-Apotheke nicht geführt. In den Abmahnschreiben wird dagegen behauptet, es handele sich um eine Versandapotheke. Nur so lässt sich auch ein Wettbewerbsverhältnis zu Apotheken in der ganzen Republik herstellen.
Apothekerverbände und Juristen raten betroffenen Apothekern, die geforderte Unterlassungserklärung nicht abzugeben und auch nichts zu bezahlen. Zumindest in einigen Fällen wurden die Abmahnungen ohnehin nicht als Einschreiben verschickt. Allerdings ist es der Kanzlei unbenommen, auch ohne vorherige Abmahnung vor Gericht zu gehen.
Ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen will auf jeden Fall reagieren: Er plant eine sogenannte negative Feststellungsklage gegen den Kollegen aus Schwäbisch Hall. Sollte er damit Erfolg haben, müsste Wagner die Kosten des Verfahrens tragen.
Wegen der Anrufweiterleitung könnte womöglich auch die Leipziger Kanzlei Ärger bekommen: Auf Nachfrage zum Grund für den Telefonservice wurde gegenüber Anrufern behauptet, Wagner habe Morddrohungen erhalten. Abgemahnte Apotheker versichern, dass ihnen gegenüber erklärt wurde, die Kanzlei sei vorübergehend das „Call-Center“ der Apotheke. Dies könnte jedoch wiederum als gewerbliche Tätigkeit eingestuft werden, die der Freiberuflichkeit des Anwalts entgegen stünde.
Kritisch werden von Juristen auch bestimmte Vorwürfe aus den Abmahnungen gesehen. So wird Apothekern unter anderem angelastet, Thalidomid- oder Lenalidomid-haltige Arzneimittel zu versenden – was tatsächlich unzulässig wäre. In den angegriffenen Bestellshops lassen sich diese Arzneimittel allerdings nur vorbestellen. Da die Apotheken zur Zahlung einer Abmahngebühr aufgefordert werden, ist dies aus Sicht eines Verbandsjuristen sogar betrugsrechtlich relevant.
Rechtsanwalt Dr. Andreas Zach aus München sieht zudem den Tatbestand der Nötigung als erfüllt an: Der Leipziger Anwalt Christoph Becker kündigt in den Abmahnschreiben an, die Aufsichtsbehörde und Apothekerkammer des betroffenen Apothekers einzuschalten, sollte dieser die gesetzten Fristen verstreichen lassen. Es folgt ein Vergleichsangebot.
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