Vergleichsangebot über 1,5 Millionen Euro APOTHEKE ADHOC, 09.12.2014 15:34 Uhr
Die Fristen bei der Massenabmahnung von Apotheken sind ausgesetzt. Apotheker Hartmut Rudolf Wagner aus Schwäbisch Hall und sein Anwalt Christoph Becker aus Leipzig sind offenbar auf dem Rückzug: Bereits in der vergangenen Woche hatten sie dem Homepage-Anbieter apotheken.de ein Vergleichsangebot unterbreitet: Gegen eine Zahlung von 1,5 Millionen Euro sollen alle Forderungen gegen die 2500 betroffenen Kunden fallen gelassen werden.
Wagner und Becker hatten bundesweit Apotheken abgemahnt und jeweils hohe Abmahngebühren verlangt. Besonders abgesehen hatten sie es offenbar auf Apotheken, die den Homepage-Service vom Wort & Bild Verlag (Apotheken GesundheitsPortal) oder vom Deutschen Apotheker Verlag (apotheken.de) nutzen.
Dabei können die Kunden aus verschiedenen Standardformularen auswählen, die Systematik ist aber immer dieselbe. Der Govi-Verlag stand mit aponet.de nach eigenen Angaben dagegen nicht in der Schusslinie; die ABDA-Tochter hatte sich vor einigen Jahren aus dem Bereich weitgehend zurückgezogen.
Bei Nutzern von apotheken.de war unter anderem bemängelt worden, dass Thalidomid-haltige Arzneimittel versandt würden. Tatsächlich können diese Arzneimittel nur vorbestellt werden. Projektleiterin Sarah Wessinger erklärte, dass man das Vergleichsangebot zurückgewiesen habe. Sie hält die Abmahnungen für rechtsmissbräuchlich. Die angebotenen Inhalte seien rechtlich einwandfrei, so Wessinger. Kunden sollten die geforderte Unterlassungserklärung daher auf keinen Fall unterschreiben, sondern sich mit dem Kundenservice in Verbindung setzen.
Die Betreiber von apotheken.de hatten angeboten, die Kosten für die außergerichtliche Korrespondenz zu übernehmen. Die Apotheker mussten den beauftragten Kanzleien eine Vollmacht erteilen – Dr. Saalfrank aus Köln oder Oppenländer aus Stuttgart. Letztere bietet allen anderen betroffenen Apothekern zudem ein Pauschalangebot: Für 500 Euro übernimmt Oppenländer die Prüfung der beanstandeten Werbemaßnahmen sowie die außergerichtliche Bearbeitung der Abmahnung.
Beim Wort & Bild Verlag gab es offenbar bislang kein Vergleichsangebot – annehmen würde man ein solches einem Sprecher zufolge aber auch nicht. Da Wagner nicht über eine Versanderlaubnis verfüge, sondern einen entsprechenden Antrag wieder zurückgenommen habe, sei derzeit davon auszugehen, dass kein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Außerdem seien die für die angebliche Versandapotheke angegebenen Internetadressen concept-versandapotheke.de und conzept-versandapotheke.de von einem Dritten registriert.
Der Wort & Bild Verlag empfiehlt seinen Kunden, weder eine Erklärung abzugeben noch irgendwelche Zahlungen zu leisten. Vielmehr habe man die Initiative ergriffen und Wagner und Becker aufgefordert, die Abmahnungen zurückzunehmen, also auf sämtliche Ansprüche gegenüber allen abgemahnten Apothekern umgehend zu verzichten. Anderenfalls würden gerichtliche Schritte eingeleitet. Im Übrigen behalte man sich alle möglichen Maßnahmen, auch berufs- sowie strafrechtliche Schritte, auch gegenüber dem Rechtsanwalt vor.
Ob die Dienstleister im Zweifelsfall für die Kosten aufkommen würden, ist bislang nicht abschließend geklärt. Formal stünden sie womöglich nicht in der Verantwortung, weil die Angaben zur den Apotheken zwar aus eigenen Datenbanken kommen, von den Apothekern aber vor der Veröffentlichung überprüft und freigegeben werden müssen. Allerdings wird wohl kein Anbieter seine Kunden im Stich lassen, die immerhin für die Dienstleistung bezahlen.
apotheken.de ist seit 2001 am Start; nach Angaben des Verlags nutzen mehr als 6000 Apotheken das Angebot. Der Wort & Bild Verlag hat neben dem Portal die App „Apotheke vor Ort“ mit Vorbestellfunktion im Angebot.