Sammelklage gegen Brücken-Apotheker Alexander Müller, 03.06.2015 10:01 Uhr
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig zur Abmahnwelle der Brücken-Apotheke in Schwäbisch Hall dauern an. Doch parallel wollen betroffene Apotheker jetzt ihre eigenen Anwaltsgebühren bei dem ehemaligen Inhaber Hartmut Wagner einklagen. Auch sein Anwalt Christoph Becker soll in Haftung genommen werden.
Wagner und Becker hatten Ende November bundesweit rund 2500 Apotheker abgemahnt und zum Teil horrende Gebühren gefordert. Doch als sich die Apotheken teilweise organisiert zur Wehr setzten, wurde die Aktion schnell beendet: Am 9. Dezember erklärte Becker die Rücknahme aller Abmahnungen. Zwei Tage später wurde die Brücken-Apotheke wegen fehlender Liquidität vom Großhändler ausgeräumt.
Die Abmahnungen waren aus Sicht namhafter Juristen rechtsmissbräuchlich. In diesem Fall können sich Abgemahnte ihre eigenen Anwaltskosten vom Angreifer zurückholen. Dazu müsste allerdings ein Gericht die Rechtsmissbräuchlichkeit bestätigen. Die Hürden dafür sind im Wettbewerbsrecht relativ hoch, im Fall Brücken-Apotheke können Experten zufolge aber viele Kriterien als erfüllt angesehen werden.
Die Kanzlei Hönig & Partner aus Leipzig hat am vergangenen Freitag im Namen von 23 Apotheken eine Art Sammelklage gegen Wagner und Becker beim Landgericht Leipzig eingereicht. Konkret werden sämtliche angefallenen Rechtsanwaltsgebühren eingeklagt, die durch die Beauftragung im Rahmen der Abmahnwelle entstanden sind.
Rechtsanwalt Fabian Virkus zufolge wurde die Kanzlei Hönig & Partner von den Apotheken mit einer Einziehungsermächtigung zur selbstständigen Geltendmachung der Gebühren ermächtigt. Juristisch interessant sei darüber hinaus, dass die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnungen auf den Anwalt erweitert werden soll, damit dieser ebenfalls haftet. „Beides ist bisher noch nie Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewesen“, so Virkus.
Denn normalerweise wäre nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) nur der abmahnende Apotheker zum Ersatz der Kosten im Falle der Rechtsmissbräuchlichkeit verpflichtet – und nicht sein Anwalt. Da die Brücken-Apotheke geräumt wurde und endgültig geschlossen ist, besteht bei zahlreichen Abgemahnten aber die Befürchtung, dass Wagner selbst im Falle einer Verurteilung nicht zahlen könnte. In diesem Fall blieben die jetzt klagenden Apotheker auch noch auf den Gerichtskosten sitzen.
Der Leipziger Anwalt Becker ist dagegen noch im Geschäft. Er könnte Virkus zufolge in Haftung genommen werden, wenn er bei den Abmahnungen in Eigenregie handelte. Dazu müsste man ihm nachweisen, dass er zumindest teilweise ohne Rücksprache mit seinem Mandanten aktiv geworden ist. Von einer Haftung des Rechtsanwaltes erhofft sich die Kanzlei Hönig & Partner einen „Abschreckungseffekt“ für zukünftige Abmahnwellen, bei denen Apotheker von ihren Anwälten nur vorgeschoben würden, um an den Gebühren zu verdienen.
Dass es Absprachen zwischen Wagner und Becker etwa bezüglich des Abmahnrisikos gegeben hat, daran zweifeln die Anwälte der abgemahnten Apotheker nicht. Als Indiz gilt etwa das Verhältnis zwischen dem Umfang der Abmahnungen und der eigenen Geschäftstätigkeit der Brücken-Apotheke. Diese war ein reines Ladengeschäft ohne Versanderlaubnis – also kaum in Konkurrenz zu tausenden Apotheken bundesweit.
Becker hatte von den abgemahnten Apothekern aber regelmäßig bis zu 3000 Euro verlangt. Demnach hätte Wagner seinem Anwalt schon bei 1000 erfolglosen Abmahnungen drei Millionen Euro zahlen müssen. Auch das Prozessrisiko wäre entsprechend hoch gewesen.
Gut möglich, dass man sich darüber im Vorfeld anders verständigt hatte – etwa in Form einer Vereinbarung, dass die Kosten geteilt werden. Dieses und andere Indizien für eine Rechtsmissbräuchlichkeit will die Kanzlei Hönig & Partner in einem möglichen Prozess vortragen.
Die Richter könnten mit einer Verhandlung aber auch den Abschluss der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen warten. Bei den Staatsanwaltschaften Leipzig und Heilbronn waren zahlreiche Fälle eingegangen, die zwischenzeitlich alle in Leipzig gesammelt wurden.
Auch für die strafrechtliche Würdigung ist das Verhältnis von Wagner und Becker entscheidend. Beim Rechtsanwalt kommt es vor allem darauf an, ob er über sein Mandat hinaus aktiv geworden ist. In diesem Fall wäre er zu belangen. Dem Duo werden Betrug, Erpressung und Gebührenübererhebung vorgeworfen. Einem Sprecher der Leipziger Behörde zufolge wird gegen beide Beteiligte ermittelt, Ergebnisse gibt es noch nicht.
Gegen Becker sind außerdem mehrere Beschwerden bei seiner Anwaltskammer eingegangen. Doch die wird voraussichtlich nur aktiv werden, wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage erhebt. Noch ist in Leipzig aber nicht darüber entschieden, ob der Fall vor Gericht geht oder eingestellt wird.
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