Abmahnungen

Abmahn-Apotheke setzt Fristen aus APOTHEKE ADHOC, 08.12.2014 09:34 Uhr

Berlin - 

Der Abmahn-Apotheker aus Schwäbisch Hall rudert offenbar zurück: Der Inhaber der Brücken-Apotheke, Hartmut Rudolf Wagner, der tausende Kollegen wegen vermeintlicher Fehler auf ihren Webseiten abgemahnt hatte, hat die gesetzten Fristen ausgesetzt. Entsprechende Schreiben gingen von der Leipziger Kanzlei „Richtig. Recht.“ an die Anwälte der Abgemahnten.

Rechtsanwalt Christoph Becker kündigte am Wochenende zudem an, dass in dieser Woche „zentrale Vergleichsverhandlungen mit den Apothekerverbänden und anderen großen Beteiligten stattfinden sollen“. Vermutlich hat das Gespann – wie von Betroffenen angekündigt – zwischenzeitlich selbst Ärger. Becker schreibt: „Wir gehen davon aus, dass Sie stillschweigend ebenfalls alle laufenden Fristen aussetzen, bis die Vergleichsverhandlungen beendet sind.“

Wagner und Becker hatten Ende vergangener Woche zahlreiche Apotheker wegen verschiedener Verstöße auf ihren Internetauftritten abgemahnt. Häufig genannt wurden Fehler im Impressum oder bei der Angabe von Inhalts- und Zusatzstoffen. Anderen Apotheken wurde vorgeworfen, illegal Betäubungsmittel (BtM) zu versenden – auch wenn diese im Internet nur vorbestellt werden konnten.

In dem Schreiben wurden die betroffenen Apotheker unter Druck gesetzt: Ihnen wurden kurze Fristen für die Abgabe einer Unterlassungserklärung und der Zahlung der Abmahngebühren gesetzt. Sollten sie sich nicht dazu bereit erklären, drohte der Anwalt damit, Aufsichtsbehörde und Apothekerkammer einzuschalten.

Alternativ wurde den Apothekern ein Vergleichsangebot unterbreitet: Gegen Zahlung eines bestimmten Betrags innerhalb von fünf Tagen werde die Brücken-Apotheke von ihren Ansprüchen zurücktreten.

Der Wort & Bild Verlag – wegen Online-Auftritten von Apotheken im Apotheken GesundheitsPortal ebenfalls indirekt betroffen – erklärt: „Es muss daher derzeit nicht auf die Abmahnungen reagiert werden.“ Insbesondere drohten nach dem Ablauf der ursprünglich gesetzten Fristen keinerlei Nachteile, da von Wagner und Becker keine gerichtlichen Schritte eingeleitet würden.

Der Wort & Bild Verlag nimmt nach eigenem Bekunden ebenfalls an den Gesprächen teil: „Erst wenn diese für gescheitert erklärt sind, entsteht wieder Handlungsbedarf“, erklärt der Verlag. Der Wort & Bild Verlag gibt betroffenen Apothekern eine Argumentationshilfe der Wirtschaftskanzlei Bird & Bird zur Hand. Darin wird betont, dass zwischen der betroffenen Apotheke und Wagner ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen müsse, damit dieser überhaupt wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend machen könne. Dies sei aber „durchaus zweifelhaft“.

Für eine Apotheke in Schwäbisch Hall sei der Markt auf den üblichen Einzugsbereich begrenzt – und ob Wagner eine überregionale Versandapotheke betreibe, sei noch nicht abschließend geklärt. Die angegebene Domain concept-versandapotheke.de sei laut Registrierungsstelle DENIC noch nicht registriert.

Dass offenbar Abmahnungen an tausende Apotheker verschickt wurden, könnte laut Bird & Bird den Vorwurf des „missbräuchlichen Abmahnens“ begründen. Weitere Indizien dafür seien die sehr hohen Rechtsanwaltsgebühren und das unterbreitete Vergleichsangebot. Die Kanzlei empfiehlt Apothekern, beim eigenen Anwalt darauf zu achten, dass die Abrechnung nicht auf Basis des von der Gegenseite überzogen angesetzten Gegenstandswertes erstellt werde.

Die Angabe „e.K.“ ist Bird & Bird zufolge nur dann notwendig, wenn ein Produkt angeboten oder zum Kauf aufgefordert werde. „Hieran fehlt es bei den beanstandeten Online-Auftritten, die allein die Apotheke selbst und allgemein ihr Leistungsspektrum darstellt.“ Auch eine Widerrufsbelehrung sei nur dann notwendig, wenn ein Kaufvertrag abgeschlossen werde, nicht aber bei einer Vorbestellung.

Falsch ist demnach, dass Angaben zur Berufshaftpflicht gemacht werden müssen. Apotheker seinen lediglich dazu verpflichtet, Angaben über die Kammer, der sie angehören, und die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen zu machen. Eine Pflicht, Angaben zur Berufshaftpflicht zu machen, finde sich zwar in der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung. Diese finde aber keine Anwendung auf Apotheken. Unbegründet ist aus Sicht der Anwälte auch der Vorwurf des unerlaubten Versandhandels mit Betäubungsmitteln, wenn diese nur vorbestellt werden könnten.

Auch andere Anwälte und Apothekerverbände sehen Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnungen rechtswidrig sind, und empfehlen, die geforderte Unterlassungserklärung nicht abzugeben und den vorgeschlagenen Vergleich nicht zu akzeptieren.

Den Angreifern droht derweil selbst Ärger, unter anderem weil die Apotheke ihre Telefonnummer an die Leipziger Kanzlei weitergeleitet hat. Das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart könnte das Juristen zufolge als Verstoß gegen die Dienstbereitschaft werden. Und gegen Becker wurde dem Vernehmen nach sogar Strafanzeige gestellt.