Eine Ärztin aus Rheinland-Pfalz soll an der Verordnung von Kompressionsstrümpfen kräftig mitverdient haben: Sie soll ihre Patientinnen und Patienten an ein bestimmtes Sanitätshaus verwiesen und dafür 10 Prozent vom Umsatz kassiert haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt die Urteile der Vorinstanz – kürzte aber den Einziehungsanspruch der betroffenen Kasse auf 60.000 Euro.
Weil sie sich in rund 150 Fällen des gewerbsmäßigen Bandenbetruges beziehungsweise der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen schuldig gemacht hatte, verurteilte das Landgericht Koblenz die Ärztin im Januar 2023 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Ferner wurde die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von knapp 77.000 Euro angeordnet.
Die Inhaberin einer chirurgisch-phlebologischen Vertragsarztpraxis hatte mit dem Betreiber eines Sanitätshaus die Zuführung von Patienten zur Versorgung mit flachgestrickten Kompressionsstrümpfen vereinbart; im Gegenzug sollte sie 10 Prozent des jährlichen mit den gegenüber den Krankenkassen abgerechneten Hilfsmitteln erhalten.
Einerseits wies die Ärztin ihre Patienten selbst auf das Sanitätshaus hin, andererseits wurden in den Praxisräumen durch eine Mitarbeiterin des Sanitätshauses feste „Sprechstunden“ durchgeführt. Dabei wurde eine große Anzahl der betroffenen Patienten beraten und mitunter auch vermessen. Die Termine wurden durch zwei Praxismitarbeiterinnen koordiniert.
Zwischen Januar 2015 und Juni 2016 wurde so alleine gegenüber der AOK in 43 Fällen knapp 88.000 Euro abgerechnet. Das Sanitätshaus erfüllte die Absprache mit der Ärztin nicht nur in Gestalt von Barzahlungen, sondern übernahm auch die Lohnkosten der beiden Praxisangestellten in Höhe von insgesamt 26.000 Euro.
Als das Antikorruptionsgesetz in Kraft trat, wurde das Modell umgestellt. Fortan beriet die Mitarbeiterin die Patienten nicht mehr in der Praxis, sondern in einer eigens zu diesem Zweck eröffneten Filiale des Sanitätshauses nur wenige Meter von der Arztpraxis entfernt. Die Boni in Höhe der verabredeten 10 Prozent wurden bar an die Ärztin ausgezahlt.
Bis Oktober 2018 wurden alleine gegenüber der AOK in 102 Fällen weitere 128.000 Euro abgerechnet. Zusammen mit den Verordnungen zu Lasten anderer Kassen kam die Ärztin so auf eine Provision von knapp 51.000 Euro.
Das Landgericht sah die Schuld als erwiesen an und verurteilte die Ärztin nach der jeweils geltenden Rechtslage in den betreffenden Zeiträumen. Der BGH bestätigte das Urteil, kürzte aber den Wertersatz im ersten Tatkomplex auf 8800 Euro. Denn nur in diesem Umfang ließen sich die Provisionen der AOK zuordnen; der Rest stehe im Grunde den anderen betroffenen Kassen zu, so sinngemäß die Begründung. Jedenfalls gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betrugstaten zum Nachteil anderer Krankenkassen nicht näher aufklärbar seien.
Im Gegensatz dazu seien die Zahlungen aus dem Tatkomplex II eindeutig der AOK zuzuordnen, sodass der Wertersatz in diesem Prozess von knapp 77.000 auf 60.000 Euro reduziert wurde. Allerdings ist es gut möglich, dass weitere Gelder an die betroffenen Kassen zurückfließen: Auch die anderen Beteiligten – das Ehepaar, dem das Sanitätshaus gehörte sowie die drei involvierten Angestellten der beiden Betriebe – müssen sich ebenfalls vor Gericht verantworten.
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