584 Kilometer für ein Apothekenpraktikum Eugenie Ankowitsch, 07.07.2018 09:26 Uhr
Viele deutsche Apotheken bemühen sich um Praktikanten und hoffen, die jungen Menschen für einen Apothekenberuf zu begeistern. Die Rauk-Apotheke in nordrhein-westfälischen Kierspe durfte nun eine ganz besondere Praktikantin begrüßen. Welisane Ndoumbe kommt aus Frankreich und wollte unbedingt ein Praktikum in Deutschland absolvieren.
584 Kilometer: So viel errechnet nämlich die Navigationssoftware für die kürzeste Strecke zwischen Montigny-le-Bretonneux, der Heimatstadt von Welisane, und Kierspe. Doch der 16-Jährigen war es nicht zu weit, um sich in der deutschen Partnerstadt um einen Praktikumsplatz zu bewerben. Die junge Französin hatte zwar die Wahl zwischen einem Praktikum in der Heimat oder einem Auslandsaufenthalt, beschloss aber letztendlich, beides zu kombinieren. Zielstrebig wandte sie sich an die Verwaltung von Montigny-le-Bretonneux und bat um Unterstützung bei der Praktikumssuche. Diese hat sich wiederum an die Stadtverwaltung in Kierspe gewandt. „Die Dame von der Stadtverwaltung stand eines Tages in der Apotheke und fragte mich, ob ich eine Praktikantin aufnehmen könnte“, berichtet Bärbel Schulz.
Damals, im Oktober 2017, hatte Schulz die Rauk-Apotheke gerade erst übernommen und musste sich neben all den mit der Übernahme verbundenen Angelegenheiten auch noch mit einem Wasserschaden herumschlagen. „Ich schaute sie an, schaute nach oben, wo sich riesige Wasserlachen ausbreiteten, und dachte mir nur: ‚Eine Praktikantin, jetzt?!‘“ Die Stadtmitarbeiterin habe sie jedoch beruhigen können, indem sie verneinte und die Praktikantin erst für den Juni 2018 ankündigte.
„Auch noch kurz bevor Welisane kam, habe ich mich gefragt, ob wir das hinkriegen“, erinnert sich die Apothekerin. „Doch es klappte alles ganz wunderbar.“ Dabei musste Schulz nicht einmal ihr eingerostetes Französisch aus den Untiefen des Gedächtnisses hervorholen. Denn Welisane besucht in Frankreich eine deutsche Schule und spricht daher ein ganz ausgezeichnetes Deutsch.
Welisane war jedenfalls ganz begeistert von ihrer Arbeitsstelle auf Zeit, genau wie Schulz und ihre Mitarbeiterinnen von ihr. Die 16-Jährige hat nur lobende Worte für ihre deutschen Kolleginnen: „Hier wird sich sehr viel mehr um die Kunden bemüht, als das in Frankreich in einer Apotheke der Fall ist“, da ist sich die Praktikantin sicher.
Die 16-Jährige sei überhaupt keine Belastung, sondern habe sich als sehr selbstständig und engagiert erwiesen, ist auch ihre Chefin voll des Lobes. So konnte Welisane schon kurzer Zeit nach Praktikumsbeginn eine örtliche Schulklasse durch die Apotheke führen und die Abläufe erklären. Gemeinsam mit der Apothekerin zeigte die naturwissenschaftlich interessierte junge Frau den Schülern, wie man Zäpfchen zubereitet und eine Handcreme anrührt.
Auch privat habe Welisane schnell Anschluss gefunden, erzählt Schulz. Sie habe sich etwa mit der Tochter einer Apothekenmitarbeiterin angefreundet. Gemeinsam seien die beiden Mädchen nach der Arbeit zum Reiten gegangen. Mit ihrer Gastfamilie habe sie unter anderem die Lingesetalsperre besichtigt und sei in einem Kletterpark gewesen. „Wir würden sie am liebsten behalten“, sagt die Apothekerin. Doch nach drei Wochen wartet schon die 584 Kilometer entfernte Heimat auf die junge Frau.