Abrechnungsbetrug, Körperverletzung, Steuerhinterziehung

5 Jahre Knast: Augenarzt betrügt mit Medikamentencocktail

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Berlin -

Das Landgericht Köln hat einen 54-jährigen Augenarzt zu einer Haftstrafe von fast fünfeinhalb Jahren verurteilt, weil er Versicherungen, Patienten und Fiskus um fast 1,8 Millionen Euro betrogen hat. Neben massiver Steuerhinterziehung hat er jahrelang Arzneimittel an mehreren Patienten benutzt, obwohl die nur für die einmalige Anwendung zugelassen waren – abgerechnet hat er trotzdem je Patient. Die hat er darüber hinaus auch mit einem selbst erdachten Medikamentencocktail behandelt, der nicht zugelassen war – ohne ihnen das vorher zu sagen.

Der Arzt hatte in seiner Praxis regelmäßig und in großer Zahl Patienten behandelt, bei denen er die Diagnose einer feuchten, altersbedingten Makuladegeneration (AMD) gestellt hatte. Die Behandlungen führte er mit Lucentis, Jetrea oder Eylea durch, die allesamt in den Glaskörper des Auges injiziert werden und sowohl als Fertigspritze als auch als Durchstechflasche erhältlich sind. Der entscheidende Punkt: Beide Darreichungsformen sind nur für den einmaligen Gebrauch, also die einmalige Behandlung eines Auges, zugelassen. Allerdings reichen die in einer Durchstechflasche enthaltenen Mengen für mehr als zwei Behandlungen – aus diesem Umstand wusste er Geld zu machen.

Hatte er einen GKV-Patienten, stellte er für diesen ein Kassenrezept aus und ließ je zu behandelndem Auge eine Durchstechflasche des jeweiligen Medikamentes beim Versender Berg-Apotheke bestellen. Der GKV-Patient wurde behandelt – und der Rest einfach bei Privatpatienten weiterverwendet. Diesen ließ er anschließend die Sachkosten für das gesamte Medikament in Rechnung stellen, wobei er sich für die Rechnungsstellung verschiedener Abrechnungsunternehmen bediente. Dabei fiel durchaus etwas ab: Laut Gerichtsurteil betrugen die Kosten jeweils 1262,96 Euro pro Flasche Lucentis, 3247,97 Euro pro Flasche Jetrea und 1099,08 Euro pro Flasche Eylea.

Mindestens viereinhalb Jahre ging er laut Urteil so vor: In der Zeit zwischen November 2014 und Mai 2019 hat er durch insgesamt 384 Liquidationen tatsächlich nicht angefallene Sachkosten für die Medikamente in Höhe von insgesamt 639.893,74Euro in Rechnung gestellt und davon 621490,25 Euro erhalten. Das Ziel war laut Gericht klar: „Der Angeklagte handelte in der Absicht, sich durch die falsche Abrechnungsweise eine umfangreiche, dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen.“ Dass er die Medikamente nicht wirklich bestellt hatte, fiel natürlich auf: Regelmäßig gab es Beschwerden und Rückfragen von Patienten, Abrechnungsunternehmen und privaten Krankenversicherungen zur geschilderten Abrechnung der Medikamente.

Denn der Arzt konnte seiner nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bestehenden Verpflichtung, die Entstehung der Sachkosten nachzuweisen, nicht nachkommen. Er ging deshalb dazu über, den Patienten und Versicherungen ihm auf sein Bitten von der Berg-Apotheke zur Verfügung gestellte allgemeine Preisbestätigungen zu den Medikamenten vorzulegen. Auch die ließen natürlich keinerlei Rückschluss auf einen individuellen Bezug des jeweiligen Medikaments für den jeweils behandelten Privatpatienten zu, was die Versicherer auch monierten. „Nichtsdestotrotz kam es in der Folge – wie dargestellt – in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Zahlung durch die Patienten sowie hiernach zu einer Erstattungsleistung durch die privaten Krankenversicherungen“, so das Urteil.

Doch der Augenarzt betrog nicht nur mit Behandlungen, die zumindest medizinisch nicht zu beanstanden waren. Er mixte auch einen Medikamentencocktail, den er seinen Patienten in die Bindehaut injizierte. Spätestens 2014 begann er, regelmäßig und in erheblichem Umfang sowohl bei GKV- als auch bei PKV-Patienten eine von ihm selbst erdachte Injektionsbehandlung anzuwenden, bei der er unter anderem einen selbstgemischten Cocktail der dafür gar nicht zugelassenen Medikamente Modigraf und Restasis einsetzte, die er „in nicht näher feststellbarem Verhältnis vermengte“, wie das Gericht schreibt. Die so hergestellte Lösung injizierte er den Patienten nach vorheriger Spülung der Augen mit einem Antibiotikum und lokaler Betäubung mittels Augentropfen an vier verschiedenen Punkten eines jeden Auges.

Der in Modigraf enthaltene Wirkstoff Tacrolimus ist ein Immunsuppressivum und wird zulassungsgemäß gegen Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen verwendet. Das in Form eines Granulats zur Herstellung einer Suspension vertriebene Medikament ist eigentlich zur oralen Einnahme vorgesehen und zugelassen, nicht für die Anwendung in der Augenheilkunde. Restasis mit seinem Wirkstoff Ciclosporin ist zwar in den USA für die Anwendung am Auge zugelassen, nicht jedoch in Deutschland. Dass er die Medikamente im Off-Label-Use verwendete, ließ er seine Patientin allerdings nicht wissen. „Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass er aufgrund der defizitären Aufklärung nicht über wirksame Einwilligungen der vorgenannten Geschädigten, für deren Entscheidung – wie der Angeklagte erkannte – die Frage der Zulassung der verwendeten Medikamente von maßgeblicher Relevanz war, in die vorgenommenen Behandlungen verfügte“, so die Richter.

Bei der Abrechnung der Arzneimittel betrog er diesmal die Patienten – die Versicherungen hätten sowieso nichts erstattet. Modigraf bestellte er jeweils in einer 50er-Großpackung zum Gesamtpreis von 548,32 Euro und das Restasis in einer 30er-Großpackung zu einem Preis zwischen 171,30 und 285,91 Euro. Zwar benötigte er für die Behandlung eines Patienten jeweils nur eine Einheit der beiden Medikamente, stellte ihnen jedoch den Preis Großpackung in Rechnung.

Als wäre das alles nicht genug, machte er sich auch der Steuerhinterziehung im großen Stil schuldig. Für alle Taten zusammen – Steuerhinterziehung, Betrug, Körperverletzung durch die nicht zugelassene Behandlung ohne vorherige Aufklärung – verhängte das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 4 Monaten. Immerhin: Wenn es gut für ihn läuft, kann er nach Verbüßung seiner Strafe wieder als Arzt arbeiten. Das Gericht hat kein Berufsverbot gegen ihn verhängt.

Zwar habe er die Taten „unter grober Verletzung der mit seinem Beruf verbundenen Pflichten begangen“, so die Richter. „Indes konnte die Kammer sich nach Durchführung der gebotenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einer künftigen Gefährlichkeit des Angeklagten überzeugen.“ Und er wird auch noch einiges abzuarbeiten haben, denn den Betrag aus der Steuerhinterziehung und den Abrechnungsbetrügen hat das Gericht zur Einziehung verhängt: zusammen fast 1,8 Millionen Euro.

 

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