Die Schwan-Apotheke im schleswig-holsteinischen Husum wurde im August 360 Jahre alt. Nach drei Generationen im Familienbesitz wird Inhaber Volker Articus die Traditionsapotheke zum Jahresende an einen langjährigen Mitarbeiter übergeben. Der ehemalige Standespolitiker will sich weiterhin der historischen Pharmazie widmen – und seinem ungewöhnlichen Hobby, der Zauberei.
Gegründet wurde die Schwan-Apotheke am 21. August 1696. So steht es zumindest im Apothekenprivileg, das in Kopenhagen aufbewahrt wird. Die Gründung war ein Wunsch es Husumer Herzogs, der eine zweite Apotheke für die Stadt wollte. Denn die Schwan-Apotheke ist nur die zweitälteste Offizin der Stadt: Die Einhorn-Apotheke, die vom Stadtrat gegründet wurde, ist bereits mehr als 400 Jahre alt. Entsprechende Tierfiguren über den Eingängen machten es auch der analphabetischen Bevölkerung möglich, beide Geschäfte auseinanderzuhalten, erklärt Articus.
Im Gegensatz zur Einhorn-Apotheke ist die Schwan-Apotheke nie umgezogen. Seit 360 Jahren befindet sie sich somit im gleichen Gebäude – das noch gute hundert Jahre älter sein dürfte als die Offizin. Seit 1979 steht das Haus unter Denkmalschutz. Zufällig hat Articus zwei Jahre vorher die Apotheke barrierefrei umgebaut, so dass sie der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) entspricht.
In den vergangenen Jahren hat Articus nochmals die Inneneinrichtung etwas modernisiert: „Die Offizin ist dadurch großzügiger geworden“, sagt er. Der Charme der Traditionsapotheke ist aber erhalten geblieben: Denn im Verkaufsraum werden mehr als 60 Apothekengefäße seit der Gründungszeit ausgestellt. „Damit ist die Apotheke nun ein Anlaufpunkt für Touristen“, erzählt Articus.
Die alten Krüge wurden bei Anbauarbeiten auf dem Grundstück Ende der 1970er Jahre ausgegraben. Articus‘ Bruder Rüdiger ist Historiker und hat die Fundstücke genauer untersucht. Vermutlich stammen sie aus dem 19. Jahrhundert. Warum die Gegenstände aus der Apotheke entsorgt wurden, kann nur gemutmaßt werden. Vom 1. Februar bis 30. Oktober 1864 steckte Husum im deutsch-dänischen Krieg. Nach dem Sieg über die Dänen trat die preußische Medizinalordnung in Kraft. Articus vermutet, dass die alte Apothekenausstattung daraufhin nicht mehr genutzt werden durfte.
Die Schwan-Apotheke ist seit drei Generationen im Besitz der Familie Articus. „Mein Großvater kaufte sie im Jahr 1927“, berichtet Articus. So hat er drei große Jubiläen miterlebt: den 300., 325. und den 350. Geburtstag. Letzteren habe er groß gefeiert; zum 360. soll in diesem Monat nur eine kleine Feier stattfinden.
Was genau er dafür organisieren wird, steht noch nicht fest: „Ich warte mit der Planung noch, bis mein Nachfolger als dem Urlaub zurückkommt“, so Articus. Nach 39 Jahren als Inhaber wird der inzwischen 73-Jährige die Apotheke Ende des Jahres an seinen Mitarbeiter Gerd Paulsen übergeben. Paulsen arbeitet bereits seit mehr als 20 Jahren in der Schwan-Apotheke.
In der Familie konnte die Apotheke nicht bleiben. Von Articus‘ Kindern hat niemand Pharmazie studiert – obwohl zwei von ihnen beruflich bei der Pharmazie gelandet sind. „Mein Sohn ist Arzt, arbeitet aber inzwischen für Novartis. Meine eine Tochter ist Biologin, sie arbeitet am pharmazeutischen Institut in Rennes.“ Die jüngere Tochter habe sich zwar sehr für den Apothekenalltag interessiert, sei aber mit ihrer musischen Begabung Studienrätin für Englisch und Musik geworden.
Articus will auch im Ruhestand der historischen Pharmazie verbunden bleiben. „Ich werde weiter Führungen durch die Apotheke anbieten“, sagt er. Geeignet dazu sei etwa der Mittwochnachmittag, wenn es wegen der geschlossenen Arztpraxen in der Offizin etwas ruhiger zugehe. Zudem wird er im Vorstand des Fördervereins des Apothekenmuseums Heidelberg bleiben.
Neben der Pharmaziehistorie hat Articus ein weiteres, ungewöhnliches Hobby: Er ist Zauberer. Angefangen hat er damit schon in der Kindheit. 1948 musste er ins Krankenhaus. „Mein Vater brachte mir ein Buch mit, in dem Zaubertricks standen“, erinnert er sich. Articus übte Tricks mit Fingerhüten. „Außerdem lernte ich, wie man kurzzeitig den Puls abstellen kann“, sagt er. Da damals die Krankenschwestern jeden Morgen kamen, um den Puls zu messen, sorgte dieser Trick für einiges Aufsehen.
Später beim Pharmaziestudium in München hatte Articus seine ersten größeren Auftritte als Zauberkünstler. Zeitweise hatte der Apotheker pro Woche einen Auftritt – oft vor großem Publikum. 50 bis 150 Personen sahen ihm zu. „Dementsprechend mussten die Gegenstände, mit denen ich gezaubert habe, sehr groß sein, damit auch noch in der hintersten Reihe etwas zu erkennen war“, erklärt er.
Nun will sich Articus in Auftritten vor deutlich weniger Zuschauern üben. „Dann kann ich mit feineren Gegenständen zaubern, denn die kleineren Gruppen sehen mehr“, sagt er. Angst, dass der Trick dann leichter enttarnt würde, hat er nicht: „Ich arbeite mit sogenannten Sprechzaubern; dabei geht es darum, wie bei einem Theaterstück die Gedanken der Zuschauer zu lenken“, erklärt Articus. Je besser das gelinge, desto größer sei der Effekt.
Articus war als Apotheker mehrere Jahrzehnte standespolitisch engagiert. Zunächst war er Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, dann Präsident der Landesapothekerkammer. 2006 legte er seine politischen Ämter nieder. Das Engagement ließ sich mit seinem Hobby verbinden: „Ich habe auch auf ABDA-Versammlungen gezaubert“, sagt Articus. Es sei ein guter Ausgleich zur oftmals kleinschrittigen politischen Arbeit. „Beim Zaubern stellt sich sofort der Erfolg ein, direkt nach der Aufführung gibt es Anerkennung.“
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