Allein bis Ende 3. Quartal

Minus 383: Schließungswelle überrollt Apotheken

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Berlin -

Im verlustreichen Jahr 2023 mussten bundesweit mehr als 500 Apotheken ihre Türen schließen, und auch in diesem Jahr setzte sich dieser Trend fort. Allein bis Ende des dritten Quartals ist die Zahl der Apotheken auf einen neuen Tiefststand von 17.179 gesunken. Seit Jahresbeginn wurden 383 Betriebe geschlossen, wobei die meisten Schließungen in Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayern zu verzeichnen sind. Viele traditionsreiche Betriebe sperrten für immer ihre Türen zu.

Im Jahr 2023 mussten in Deutschland mehr als 500 Apotheken für immer schließen, im Jahr davor waren es knapp 400, und 2021 waren es über 300. Dieser Negativtrend setzte sich auch in diesem Jahr fort: Allein in den ersten drei Quartalen wurden bereits 383 Apotheken geschlossen. Bereits im ersten Halbjahr 2024 schlossen 307 Apotheken, während nur 24 neue eröffnet wurden.

Im ersten Quartal 2024 ging die Zahl der Apotheken um mehr als 132 zurück, während es weniger als ein Dutzend Neueröffnungen gab. Zum Vergleich: Im ersten Quartal des Vorjahres waren es 129 Apotheken weniger, mit 146 Schließungen und 17 Neueröffnungen. Auch im dritten Quartal setzte sich der Trend fort, wenngleich langsamer: Bis September 2024 mussten 100 Apotheken schließen, sodass die Zahl auf 17.179 fiel. Insgesamt wurden bis zum dritten Quartal 113 Apotheken geschlossen, während es lediglich 13 Neueröffnungen gab. Sollte sich der Trend im letzten Quartal fortsetzen, könnte die Zahl der Schließungen 2024 den Rekord von 2023 erneut übertreffen.

Schließungswelle überrollt Berlin

Und auch in diesem Jahr verschwanden echte Institutionen der Apothekenlandschaft für immer. Besonders frappierend sind die Schließungszahlen in Berlin. Schon lange beschränkt sich das Apothekensterben nicht nur auf ländliche Gebiete, sondern betrifft zunehmend auch urbane Zentren wie die Hauptstadt. Zwischen 2014 und 2023 haben in Berlin 145 Apotheken geschlossen, was einen Rückgang von 863 auf 718 Apotheken bedeutet. Besonders betroffen ist der Bezirk Lichtenberg, wo mehr als jede vierte Apotheke dichtmachte – insgesamt 26,2 Prozent. Stark betroffen sind auch Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf.

Die Gründe für die Schließungen sind vor allem betriebswirtschaftlicher Natur: steigende Betriebskosten, Inflation und Fachkräftemangel. Der Senat weist darauf hin, dass es keine staatliche Steuerung bei der Eröffnung oder Schließung von Apotheken gibt. Politische Maßnahmen konzentrieren sich auf eine Reform der Rahmenbedingungen und eine angemessene Vergütung für Apotheken.

Schließungen von A bis Z

Mit der Neuen Apotheke in Altenburg schließt zum Jahresende ein Traditionsbetrieb. Lutz Gebert, der die Apotheke seit 2007 führt, muss diesen Schritt aus wirtschaftlichen Gründen tun, wie er der Ostthüringer Zeitung mitteilte. „Wenn man immer wieder Monate mit negativem Betriebsergebnis hat, dann muss man irgendwann die Reißleine ziehen“, erklärt Gebert. Die Apotheke, seit 1946 im Familienbesitz, hat eine bewegte Geschichte, die 1954 mit der Verstaatlichung begann und nach der Wende fortgesetzt wurde.

Dass Apotheken auch mitten in der Metropole verenden können, zeigten in diesem Jahr Fälle aus der Hauptstadt. Bettina Eitner schloss ihre Grunewald-Apotheke in Berlin am 18. September, nachdem eine drohende Mieterhöhung von 1500 Euro sowie stagnierende Vergütungen und steigende Kosten die Situation unerträglich machten. Der Hausbesitzerwechsel zu einem Münchener Immobilienunternehmen verschärfte die Probleme zusätzlich. Auch das E-Rezept, bürokratische Hürden und der Personalmangel trugen zur Entscheidung bei. Zwei PTA kündigten aufgrund des Verkehrschaos in Berlin. Trotz positiver Bilanz entschloss sich Eitner mit 63 Jahren, die Apotheke zu schließen und sich der Abwicklung zu widmen.

In der niedersächsischen Kreisstadt Cloppenburg schließt kurz vor Weihnachten die traditionsreiche Königs-Apotheke nach 225 Jahren, berichtete die Nordwest-Zeitung. Es ist bereits die fünfte Schließung in Cloppenburg innerhalb der letzten sechs Jahre. Zuvor hatten die Laings-Apotheke, die Bären-Apotheke, die Markt-Apotheke und die Andreas-Apotheke ihre Türen geschlossen.

Ferda Hömke musste ihre Achtsam-Apotheke in den Dorstener Mercaden schließen. Der Dorstener Zeitung gegenüber berichtete sie, dass sie zuletzt mehr als 66 Stunden pro Woche in der Apotheke verbracht hat. Trotz ihres Engagements steht sie nun mit Schulden da. Die 44-Jährige gründete die Apotheke 2016 und führte sie ab 2018 eigenständig, kämpfte jedoch mit hoher Miete und den Herausforderungen, sich in einer fremden Stadt mit zwei kleinen Kindern zurechtzufinden.

Die Schließung der Rosen-Apotheke in Eutin überrascht viele Kunden. Apotheker Lars Hoffmann übernimmt die Mitarbeiterinnen in seiner Voss-Apotheke und sichert die Versorgung. Wie der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag berichtet, steht die Schließung im Kontext des zunehmenden Drucks auf Apotheken im gesamten Land, was das sogenannte Apothekensterben weiter vorantreibt.

Petri-Apotheke Gelnhausen: Baustellen, die Corona-Pandemie, steigende Preise und die Abwanderung von Kunden zu Online-Apotheken zwangen die junge Inhaberin zur Aufgabe.Foto: Petri-Apotheke Gelnhausen

Die Petri-Apotheke in Gelnhausen schloss Ende September 2024, nachdem Sonja Krechting sie 2021 übernommen hatte. Die Gründe für die Schließung waren vielfältig: Baustellen, die Corona-Pandemie, steigende Preise und die Abwanderung von Kunden zu Online-Apotheken setzten der jungen Apothekerin zu. Zudem kämpfte sie mit Personalengpässen, da mehrere Mitarbeiter in Rente gingen und keine Nachfolger gefunden werden konnten.

Ruth Oberste-Brink schloss ihre Neumünder Apotheke Ende Februar, da sie keinen Nachfolger fand. „Die jungen Apotheker suchen Apotheken mit Größenordnungen, die ich hier nicht bieten kann.“ Nach 8 Jahren und einer 80-Stunden-Woche konnte sie keine Nachfolge für ihren Betrieb in Hannoversch Münden finden. Das liegt ihrer Meinung nach am neuen Lebensgefühl der jüngeren Generationen: „Für sie steht die Work-Life-Balance an oberster Stelle. Als Selbstständige wird man die ganz sicher nicht immer optimal erreichen.“

Abdulrahim Hamoud leitete fast zehn Jahre lang die Lorsbacher Apotheke in Hofheim. Nach einer achtmonatigen Straßensperrung und dem Verlust vieler Kunden musste er die Apotheke Anfang August schließen. Bereits 2024 hatte es finanzielle Schwierigkeiten gegeben. Der Großhändler Phoenix forderte die Räumung des Lagers, was zu einer Differenz von 13.500 Euro führte. Weitere Lieferanten fand Hamoud nicht. Er muss zudem Softwareverträge bis 2026 weiterzahlen. „Es war das K.o. für mich“, erklärte Hamoud.

Von der Schließung überrascht wurden die Kunden der Eulen-Apotheke in Koblenz-Metternich. Anfang September hatte die Apotheke unerwartet geschlossen, berichtet die Rhein-Zeitung. Ein Zettel an der Tür informierte: „Nach vielen Jahren im Dienst Ihrer Gesundheit mussten wir Ihnen leider mitteilen, dass unsere Apotheke ihre Türen schließt.“ Die Gründe für die Geschäftsaufgabe blieben unklar.

Seit Oktober gibt es auf der Insel Lindau am Bodensee nur noch eine Apotheke. Alina Rusu schloss ihre Hirsch-Apotheke im September. 2019 hatte sie die Apotheke übernommen und die Tradition gerettet, doch die anstrengende Arbeit allein und private Gründe führten zur Schließung. Als alleinerziehende Mutter kämpfte sie mit Corona, Engpässen und Streitigkeiten. Viele Stunden arbeitete sie alleine, oft 70 Stunden pro Woche.

Ralf Frerichs schloss Ende März seine Löwen-Apotheke in Melle. Wegen sinkender Kundenfrequenz und steigender Kosten war der Standort nicht mehr rentabel. 2023 gab es erstmals rote Zahlen. Frerichs bedauerte, nicht früher gehandelt zu haben. Die Apotheke wurde geschlossen, immobile Kunden wurden per Botendienst versorgt. Drei Angestellte blieben im Verbund.

Mohren-Apotheke zu St.Lorenz: Die älteste Nürnberger Apotheke schloss zum 30.Juni.Foto: Mohren-Apotheke Nürnberg

Die Mohren-Apotheke zu St. Lorenz, seit 1442 die älteste Nürnberger Apotheke, schloss zum 30. Juni. Inhaber Wilhelm Bouhon erklärte, die Entscheidung sei aufgrund der „veränderten Innenstadtstruktur“ und sinkender Kundenzahlen gefallen. „Die Apotheke war wirtschaftlich nicht mehr tragbar“, sagte er. Die anderen beiden Mohren-Apotheken blieben bestehen. Die Apotheke behielt ihre Spezialisierungen bei, aber nicht alle Teammitglieder gingen mit zum neuen Standort.

Günter Baumann schließt zum 31. Dezember die Löwen-Apotheke in Niederwerrn aus Altersgründen. Einen Nachfolger konnte er leider nicht finden. Nach 45 Jahren wird die Apotheke ein wichtiger Teil der Hainleinstraße fehlen.

Eike Friedrich Lossin leitete 50 Jahre die Eversten-Apotheke in Oldenburg und schloss sie zum 31. März. Trotz intensiver Suche fand er keinen Nachfolger. Die Apotheke, bekannt für ihre Mahagonie-Einrichtung, wurde nach seinem Ausscheiden anders genutzt. In den letzten Jahren arbeitete Lossin ohne Mitarbeiter, und kümmerte sich um seine langjährige Kundschaft. Bis zum Schluss stand er allein in der Apotheke.

Michael Scholz übernahm die Hirsch-Apotheke in Pattensen vor 26 Jahren, doch der Wiederverkaufswert ist Geschichte. Im Oktober gab er seine Selbstständigkeit auf. Auch Scholz trifft diese Entscheidung aus betriebswirtschaftlichen Gründen. „Es ist fünf vor zwölf“, sagte er. Trotz weiter laufender Apotheke wird sie bald wirtschaftlich nicht mehr tragbar sein. Die Kosten explodieren, die Vergütung bleibt unverändert.

Wie die Freie Presse berichtet, schließt Andreas Muck nach 25 Jahren seine Apotheke im Kauschwitzer Einkaufszentrum Plauen-Park. Trotz Lücken in den Regalen und vereinzelter Ware wie Husten-Bonbons ist noch nicht jeder Kunde auf die nahende Schließung aufmerksam geworden. Muck erklärt den Schritt als alternativlos.

Im Leverkusener Ortsteil Quettingen machen gleich zwei Apotheken dicht. Die 70 Jahre alte Dr. Oehms Apotheke in der Lützenkirchener Straße will in der ersten Januarwoche schließen. Der Inhaber hofft zwar noch, einen Nachfolger oder einen Pächter zu finden. Seine Apotheke sei aktuell aber nicht mehr wirtschaftlich, sagte der Betreiber gegenüber Radio Leverkusen. Zusätzlich habe die Konkurrenz durch Online-Apotheken zur schwierigen Lage beigetragen. Von Stadt und Regierung spüre er keine Unterstützung, sagte der Inhaber. Auch für die Maurinusapotheke sind die Kosten nicht mehr tragbar; sie schließt schon Ende Dezember. Mit den beiden Schließungen gibt es dann in Quettingen nur noch die Bären Apotheke.

Auch die Kronen-Apotheke in Röslau musste in diesem Jahr schließen. Cornelia Thoma und Lisa Burkhardt führten seit 2019 gemeinsam eine OHG mit der Apotheke sowie weiteren Standorten in Marktleuthen und Arzberg. Trotz guter Zusammenarbeit und einer besseren Work-Life-Balance führten wirtschaftliche und personelle Gründe zur Schließung. Dienstleistungen erforderten mehr Personal, doch die Rentabilität war nicht gegeben. Das Team wird übernommen, und die Mitarbeiter wechseln nach Marktleuthen.

Mit dem Stichtag Heiligabend wird zudem die St. Jakobs-Apotheke in Regensburg schließen. Das erklärte Inhaber Helmut Müßig, gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung. Als Gründe nannte er steigende Kosten und die zunehmende Schwierigkeit, den Betrieb kostendeckend zu führen. Die Schließung steht exemplarisch für die wirtschaftlichen Probleme, mit denen zahlreiche Apotheken zu kämpfen haben, und wirft Fragen nach strukturellen Reformen auf.

Nicht immer heißt es Lebewohl für immer: Zwar wird die 125 Jahre alte Sonnen-Apotheke in Scheeßel geschlossen. Das Geschäft der Elbe-Weser-Gesundheit OHG mit Beeke- und Meyerhof-Apotheke läuft weiter. Foto: Elbe-Weser-Gesundheit OHG

Die 125 Jahre alte Sonnen-Apotheke in Scheeßel wird zum Jahresende geschlossen, während das Geschäft der Elbe-Weser-Gesundheit OHG mit den Apotheken Beeke-Apotheke und Meyerhof-Apotheke weitergeht. Hans-Erik Meyer, Inhaber der Beeke-Apotheke, erklärt: „Wir haben lieber zwei starke Apotheken als drei schwache.“

Auch Martin Lörzer schloss seine Bilharzapotheke in der Sigmaringer Innenstadt zu Ende Oktober. Hauptgründe für die Schließung waren die hohe Konkurrenz in der Nähe, die auslaufenden Lieferantenverträge und der steigende Kassenabschlag, der seine Einnahmen verringerte. Auch die Schwierigkeiten mit E-Rezepten und die ausstehenden Zahlungen der Krankenkassen trugen zur Entscheidung bei. Lörzer kehrte nach fünf Jahren in Sigmaringen in seine Heimat Schweinfurt zurück, um die Stadtapotheke zu übernehmen, in der er früher gearbeitet hatte.

Elke Seitz-Beller hat die Apotheke am Markt in Winnenden nach 22 Jahren geschlossen. Gegenüber dem Zeitungsverlag Waiblingen erklärte sie, dass die Entscheidung, ihren Betrieb zu schließen, aufgrund der Herausforderungen durch die Digitalisierung und den Wettbewerb gefallen sei.

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