Lunapharm durchsucht dpa/APOTHEKE ADHOC, 23.07.2018 14:01 Uhr
Im Zusammenhang mit dem Medikamentenskandal in Brandenburg hat die Staatsanwaltschaft das Pharmaunternehmen Lunapharm durchsucht. Die Aktion im Landkreis Teltow-Fläming sei am Sonntag gelaufen, sagte Dorina Dubrau, Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft.
Bei dem Pharmahändler seien Unterlagen und Medikamente beschlagnahmt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem Frühjahr wegen Hehlerei gegen die Geschäftsführerin Susanne Kraut-Zeitel und einen Mitarbeiter der Firma. Beide sind auf freien Fuß. Weitere Details wollte die Sprecherin unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen.
Zuvor hatte der RBB berichtet, dass die Staatsanwaltschaft nach Hinweisen des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) tätig geworden sei. Unklar ist, ob die in Griechenland gestohlenen Krebsmedikamente noch wirksam waren, als sie an Apotheken in elf Bundesländer gingen.
Bei einer Inspektion durch das Landesamt seien am vergangenen Freitag bei dem Pharmahändler mehrere unverpackte Arzneimittel, auch mit griechischer Aufschrift, entdeckt worden, die für einen Arzneimittelgroßhandel in Bayern bestimmt waren, sagte Marina Ringel, Sprecherin des Ministeriums. Der Logistiker hatte jedoch die Ware in Hof in Bayern zwischengelagert. Die Auslieferung wurde dann am Samstag gestoppt. Aufgrund eines Amtshilfeersuchens prüft seit Montag die zuständige bayerische Behörde, die Sicherheit des Vertriebsweges der Medikamente.
Am Freitag hatte das Gesundheitsministerium der Firma bereits die Betriebserlaubnis entzogen. Zusätzlich wurde Strafanzeige gegen einen leitenden Mitarbeiter des Landesamtes gestellt, weil Verdacht auf Korruption bestehe.
In dem Skandal hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine umfassende Aufklärung gefordert. „Das Vertrauen in unsere Arzneimittelaufsicht und in unser Gesundheitssystem hat durch diesen Vorfall erheblichen Schaden erlitten“, hieß es am Samstag aus der Staatskanzlei. Die damit verbundene Verunsicherung für Krebspatienten mache ihn sehr betroffen. Von Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) erwarte der Ministerpräsident eine „umfassende Aufklärung“, hieß es weiter. Dies habe „oberste Priorität“.
Bei einem am Freitag eingerichteten Informationstelefon des Gesundheitsministeriums meldeten sich bereits in den ersten Stunden viele Anrufer, wie das Ministerium mitteilte. Es seien durchschnittlich zwölf Anrufer pro Stunde, so Ministeriums-Sprecherin Ringel. Täglich würden zwischen 10 und 16 Uhr Anrufe entgegengenommen. Ein Mitarbeiter der Hotline sagte, Anrufe kämen aus ganz Deutschland. Vor allem wollten die Anrufer wissen, welche Medikamente betroffen sind.
Auf seiner Internetseite veröffentlichte das Ministerium Fragen und Antworten, darunter auch Listen mit den ausgelieferten Medikamenten. Laut Ministerium wurden die Medikamente zwischen 2015 und 2017 in elf Bundesländer geliefert – darunter Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Das Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz bestätigte auf dpa-Nachfrage, dass geringe Mengen der gestohlenen Medikamente bei einem Großhändler in der Eifel gelandet seien.
Auch die Berliner Gesundheitsverwaltung informierte am Donnerstag über den Fall. Eine Überprüfung habe ergeben, dass eine Berliner Apotheke mit vier verschiedenen Medikamenten beliefert worden sei. Derzeit gebe es keine Erkenntnisse, dass in Berlin Patienten geschädigt worden seien. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) forderte vom Nachbarland Aufklärung.
Das Brandenburger Gesundheitsministerium hatte gegen einen Mitarbeiter des zuständigen Fachbereichs Arzneimittelaufsicht Strafanzeige erstattet und ihm die Führung der Dienstgeschäfte untersagt. Der bisherige Referatsleiter wurde mit einer anderen Aufgabe betraut. Zudem seien Zuständigkeiten im Ministerium neu geordnet worden, hieß es vom Gesundheitsministerium. Eine Task Force unter der Leitung von Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt soll nun die Vorwürfe aufklären. Neben Verwaltungsexperten sind auch der Vorsitzende der AMK sowie der AkdÄ an der unabhängigen, fachlichen Bewertung des Sachverhalts in dieser Task Force beteiligt. Die von der Gesundheitsministerin eingeleiteten ersten Maßnahmen seien „wichtige Schritte in die richtige Richtung“, so Ministerpräsident Woidke.
Seit Donnerstag werden im Ministerium Unterlagen der Staatsanwaltschaft gesichtet, die seit April 2017 wegen Hehlerei ermittelt. Nach einem Online-Bericht der „Bild“ könnte der Mitarbeiter bestechlich gewesen sein. Er sei wegen Korruptionsverdachts angezeigt worden, hieß es dort.
Wie bekannt wurde, hatte es bereits im Dezember 2016 erste Hinweise auf Unstimmigkeiten gegeben. Doch erst im Juni 2017 untersagten Brandenburger Behörden der Firma den Handel mit der Apotheke in Griechenland. Am Freitagnachmittag wurden dem Unternehmen die Betriebserlaubnis sowie die Herstellungs- und Großhandelserlaubnis für Medikamente entzogen.
Die Fraktionen von Grünen und CDU haben für diese Woche eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags in Brandenburg beantragt. Dabei soll geklärt werden, warum die Behörden nicht gehandelt haben. Verdächtige Medikamente hätten vom Markt genommen werden müssen, kritisierte Ursula Nonnemacher, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Inwieweit die betroffenen Medikamente wirkungslos oder sogar gesundheitsschädigend sein könnten, sollen nun Untersuchungen zeigen.