Spezifische Migräneprophylaxe

Zwei Jahre Ajovy: Wie ist der Stand?

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Berlin -

Vor zwei Jahren wurde der CGRP-Antikörper Ajovy (Fremanezumab) von Teva in Deutschland eingeführt. Für den Hersteller ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen: Wie steht es mittlerweile um Wirksamkeit und Verträglichkeit und inwiefern profitieren Migräne-Patient:innen von der Therapie? Die Daten zeigen, dass es noch immer Luft nach oben gibt: Trotz der immer besseren Therapiemöglichkeiten wird die Erkrankung weltweit unzureichend diagnostiziert und therapiert.

Ajovy ist sowohl für Patient:innen mit episodischer wie auch mit chronischer Migräne indiziert. Eine Therapie mit CGRP-Antikörpern ist für Patient:innen mit monatlich mindestens vier Migränetagen gedacht. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zufolge haben sie jedoch nur dann einen Zusatznutzen, wenn keine der sechs verfügbaren Vortherapien wirkt. Fremanezumab ist derzeit der einzige in Deutschland zugelassene CGRP-Antikörper, der neben der monatlichen Dosierung alternativ eine Quartalsdosierung bietet. Nach zwei Jahren liegen nun erste Erfahrungswerte aus der Praxis vor.

„Im klinischen Versorgungsalltag spielen neben der Reduktion der Migränetage patientenrelevante Parameter wie Lebensqualität oder der Grad der Beeinträchtigung eine große Rolle“, erklärt Professor Dr. Dagny Holle-Lee vom Universitätsklinikum Essen. Denn Migräne kann die Lebensqualität der Betroffenen maßgeblich einschränken. Zur Bewertung von kopfschmerzbedingten Beeinträchtigungen werden verschiedene Scores verwendet: Während der sogenannte „MIDAS-Score“ die Zahl der Tage mit kopfschmerzbedingter Behinderung quantifiziert, wird beim „HIT-6-Test“ das Ausmaß der kopfschmerzbedingten Beeinträchtigung auf das Leben der Patient:innen subjektiv beurteilt.

Verbesserung von episodischer & chronischer Migräne

„Wir sind in der günstigen Situation, dass für die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den Rezeptor bereits zwei Jahre nach Markteintritt eine ansehnliche Anzahl an Daten vorliegt und weitere Daten in neuen Studien derzeit erhoben werden.“ Bei Patient:innen mit episodischer Migräne (EM) wurden unter beiden Dosierungen von Ajovy im Vergleich zu Placebo zwischen dem Ausgangswert und Woche zwölf signifikante Besserungen der Beeinträchtigung gemäß MIDAS-Score beschrieben. Bei Patient:innen mit chronischer Migräne zeigte sich gemäß HIT-6 ebenfalls eine signifikante Besserung der Beeinträchtigung unter beiden Dosierungsschemata im Vergleich zu Placebo vier Wochen nach der letzten Dosis.

Ein Problem der Migräne ist unter anderem die Komorbidität: Viele Patient:innen entwickeln aufgrund der häufigen Schmerztage einen Medikamentenübergebrauch, andere rutschen in eine Depression. Dadurch wird wiederum das Risiko einer Chronifizierung der Migräne gesteigert. Fremanezumab erwies sich bei Migränepatient:innen mit komorbider Depression sowie auch bei Migränepatient:innen mit Medikamentenübergebrauch als wirksam: Es wurden sowohl die Migränetage wie auch die Depressionssymptomatik verbessert. Derzeit wird mit der „Unite-Studie“ eine Untersuchung mit Migränepatient:innen durchgeführt, die gleichzeitig an einer schweren Depression leiden, um weitere Daten zu erhalten. Die Studien „Halo“ und „Focus“ zeigten zudem, dass eine Prophylaxe mit Fremanezumab auch bei Migränepatient:innen mit Medikamentenübergebrauch erfolgreich durchgeführt werden kann. „Bei einigen Patienten entfaltet sich die Wirkung von Fremanezumab sehr früh“, berichtet Holle-Lee. Es gebe aber auch Patient:innen, die erst spät auf die Therapie ansprechen.

Prophylaxe noch immer wenig verordnet

Doch im Praxisalltag kommt es oft zu Herausforderungen, wie Dr. Andreas Peikert berichtet. „Obwohl wir über gute Prophylaxe-Möglichkeiten verfügen, erhält auch heute noch nur ein Teil der Patienten, die für eine medikamentöse Prophylaxe infrage kommen, eine entsprechende vorbeugende Migränebehandlung.“ Untersuchungen zeigen, dass nicht alle Patient:innen eine korrekte Diagnose erhalten, viele befinden sich nicht einmal in ärztlicher Behandlung. Oft liegen die Schwerpunkte der Behandlung noch immer auf der Akuttherapie – hinsichtlich der Prophylaxe mit Antikörpern gegen CGRP oder dessen Rezeptor gebe es also noch erheblichen Aufklärungsbedarf.

Viele Ärzt:innen scheuen sich noch immer vor der Verordnung. Wirtschaftliche Bedenken bei der Verschreibung eines monoklonalen Antikörpers gegen CGRP oder dessen Rezeptor zur Migräneprophylaxe seien jedoch unbegründet, meint Peikert. Da sie – bei Beachtung einiger weniger Faktoren – als wirtschaftlich gelten: Nämlich dann, wenn die Patient:innen nicht auf die medikamentösen Therapien mit Betablockern, Kalziumkanalblockern, Antidepressiva, Antikonvulsiva sowie Botulinumtoxin A ansprechen. „Die Patienten, die bei uns in der Neurologie vorstellig werden, haben in der Regel bereits mehrere prophylaktische Vortherapien durchlaufen.“

Im Februar hatte Teva die Preissenkung von Ajovy bekanntgegeben, um die Therapie noch mehr geeigneten Patient:innen zukommen lassen zu können. Der neue AVP liegt bei 444,70 Euro pro Fertigpen beziehungsweise Fertigspritze. Das entspricht einer Senkung von rund fünf Prozent. Die Jahrestherapiekosten belaufen sich dadurch nun auf 5.248,04 Euro – unabhängig ob die monatliche oder Quartalsdosierung verordnet wird.

Der erste in Deutschland zugelassene CGRP-Antikörper war Erenumab (Aimovig, Novartis) im November 2018. Es folgte Galcanezumab (Emgality, Lilly) im April 2019. Ajovy (Fremanezumab) von Teva kam im Mai 2019 hinzu. Die Wirkung der Therapien basiert auf der Bindung an den Liganden des CGRP (Calcitonin Gene-Related-Peptide), das bei Migräneanfällen vermehrt im synaptischen Spalt ausgeschüttet wird.

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