Die Hiobsbotschaft kam nach Börsenschluss: Am gestrigen Abend wurde das Team von Apo-Rot im Hamburg darüber informiert, dass der Standort stillgelegt wird. 80 Mitarbeiter sind betroffen. Gegenüber den Aktionären wird die Maßnahme unter dem Motto „beschleunigte Integration“ verkauft. Damit dürften insgesamt zwischen 260 und 450 Jobs in Deutschland der Übernahme zum Opfer gefallen sein. In den kommunizierten Umsatzzahlen für das erste Halbjahr ist Medpex eine feste Größe – obwohl die Übernahme finanztechnisch immer noch nicht abgeschlossen ist und der Versender aus Ludwigshafen damit noch nicht konsolidiert werden kann.
Zur Rose hatte Apo-Rot im Mai 2018 übernommen. Der Versand wurde wenig später nach Heerlen verlegt; das Auslandsgeschäft wiederum wurde in Halle/Saale abgewickelt und vor kurzem weitgehend eingestellt. Die Bereiche Marketing, Service und IT sollten dagegen nach der ursprünglichen Ankündigung in Hamburg bleiben.
Doch nun sollen auch die Abteilungen in Heerlen gebündelt werden, um „weitere Synergien zu realisieren“. Daher wird der Standort in Hamburg zum Jahresende stillgelegt. Rund 80 Mitarbeiter sind betroffen; ihr Arbeitgeber hat „freiwillig und aus sozialer Verantwortung heraus sozial verträgliche Lösungen in Form von Abfindungsangeboten entwickelt, in denen die Interessen der Mitarbeitenden angemessen berücksichtigt werden“. Das Management rechnet mit Kosten zwischen 1,5 bis 2 Millionen Franken.
Allmählich können sich die Mitarbeiter an den anderen Standorten von Zur Rose wohl ausrechnen, wie es um ihren Job bestellt ist. In Heerlen wurde nach Firmenangaben gerade „termin- und kostengerecht“ die neue Halle für die Logistikerweiterung fertiggestellt; nun wird mit dem Innenausbau und der Installation der Anlagen begonnen. Die vollständige Inbetriebnahme des neuen Distributionszentrums ist zwar erst im Laufe des Jahres 2021 geplant; allerdings werde geprüft, „ob bereits 2020 und damit früher als geplant die Logistikaktivitäten weiterer Gesellschaften nach Heerlen überführt werden können, um Effizienzsteigerungen zu erzielen.“
Bei der Übernahme des Versandgeschäfts von Apo-Rot klang das noch anders: Die damalige Chefin Birgit Dumke hatte im Mai 2018 gegenüber APOTHEKE ADHOC erklärt: „DocMorris ist interessiert daran, das erprobte Team zu übernehmen. 80 Mitarbeiter aus Marketing, Service und Verwaltung können in eine neue Gesellschaft mit Sitz in Hamburg wechseln. Das sind fast alle Mitarbeiter, die bei uns in diesem Bereich tätig sind.“ Schon damals war dagegen klar, dass die Logistik komplett aus Hamburg abgezogen wird. Etwa die Hälfte der 370 Mitarbeiter in diesem Bereich sollten Jobangebote im niederländischen Heerlen oder in Bremen erhalten.
CEO Walter Oberhänsli hatte bereits angekündigt, das operative Geschäft in Heerlen bündeln und die Markenwelt von Zur Rose übersichtlicher machen zu wollen. Zur Gruppe gehören derzeit neben Apo-Rot noch DocMorris, Eurapon, Medpex, Vitalsana und Zur Rose. Eurapon und Medpex gehören noch den jeweiligen Apotheken; Zur Rose tritt hier formal nur als Logistikdienstleister auf. Die Konstruktion war 2004 in Halle eingeführt worden, weil Zur Rose aus der Schweiz heraus keine Medikamente nach Deutschland verschicken darf. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Klage eines Apothekers gegen das Modell abgewiesen, der Vertrag war aber später nachgebessert worden.
Zur Rose erzielte im ersten Halbjahr nach eigenen Angaben inklusive Medpex insgesamt Verkaufserlöse von rund 772 Millionen Schweizer Franken, ein Plus von 28 Prozent. Tatsächlich fällt der Zuwachs deutlich geringer aus, da das Herauslösen des Versandgeschäfts immer noch nicht abgeschlossen ist und immer noch keine entsprechenden Umsätze konsolidiert werden können. So liegt der Umsatz tatsächlich 668 Millionen Franken und das Wachstum damit nur bei knapp 11 Prozent.
Wichtigster Markt und Wachstumstreiber bleibt Deutschland: Hierzulande setzte die Gruppe inklusive Medpex 481 Millionen Franken um (plus 41 Prozent, plus 46 Prozent in Lokalwährung). In der Bilanz stehen dagegen 377 Millionen Franken, ein Plus von 11 Prozent beziehungsweise 13 Prozent in Euro. Zum Jahresende könnte es daher ein böses Erwachen geben, denn rückwirkend können die Umsätze nicht konsolidiert werden. Dafür kann sich Zur Rose im kommenden Jahr dann erneut über gigantische Zuwächse freuen.
In der Schweiz bleibt das Geschäft mit den Ärzten der wichtigste Treiber (210 Millionen Franken), auch wenn regulatorisch bedingte Preissenkungen für einen Dämpfer sorgten. Das Versandgeschäft an Endkunden war leicht rückläufig (63 Millionen Franken). Insgesamt wurden im Heimatmarkt also rund 273 Millionen Franken umgesetzt. Andere Länder steuerten 18 Millionen Franken bei. Beim Unternehmensergebnis ist die Gruppe immer noch tief in den roten Zahlen: Der Verlust lag in den ersten sechs Monaten bei rund 17,1 Millionen Franken nach 17,6 Millionen Franken im Vorjahreszeitraum.
Zufrieden ist das Management mit den Gesetzesinitiativen in Deutschland, insbesondere mit der Einführung des E-Rezepts. Als größte Versandapotheke Europas werde man diesen „Meilenstein“ für das eigene Geschäftsmodell nutzen. So erwarte man in den kommenden Jahren eine deutliche Steigerung des Versandmarktanteils im Rx-Bereich von derzeit 1,3 Prozent.
Aus diesem Grund habe man auch die Firma Ehealth-Tec komplett übernommen. „Im Rahmen von strategischen Partnerschaften setzt Ehealth-Tec bereits erste E-Rezept-Pilotprojekte mit Krankenkassen, dem Smart-Home-Projekt der AOK Sachsen-Anhalt und des Immobilienunternehmens WGF sowie demnächst mit dem Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) in der Praxis um. Das erworbene technische Know-how ist ein weiterer wichtiger Baustein in der Entwicklung des Gesundheits-Öko-systems von Zur Rose.“
Mit dem Apothekenstärkungsgesetz sei auch die Debatte um das Rx-Versandverbot „endgültig beendet“. Das geplante Boni-Verbot ist laut Zur Rose europarechtswidrig und steht im Widerspruch zum EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016. „Weitere Elemente des Apothekenstärkungsgesetzes, wie das Wiederholungsrezept, wirken sich positiv auf das Versandgeschäft aus. Ärztinnen und Ärzte sollen künftig Verschreibungen für eine bis zu dreimal wiederholbare Abgabe ausstellen können. Insbesondere für Versicherte mit einer chronischen Erkrankung bedeutet dies eine wesentliche Erleichterung in der Arzneimittelversorgung.“
„Die aktuellen Veränderungen im Markt bewirken ein starkes Momentum zugunsten des Geschäftsmodells der Zur Rose-Gruppe.“ Mit Blick auf die Einführung des E-Rezepts bestätigt das Management den Ausblick für 2022: Die Gruppe peilt eine Verdoppelung des 2018 erzielten Umsatzes an. Die Marge soll auf Ebitda-Basis dann positiv bei 5 bis 6 Prozent liegen, entsprechend 120 bis 150 Millionen Franken.
Das Management bestätigt auch für das Gesamtjahr das Umsatzziel: Inklusive Medpex sollen die Erlöse auf rund 1,6 Milliarden Franken steigen, entsprechend einem Wachstum von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unter Berücksichtigung aller Sondereffekte wird auf Stufe Ebitda ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet, mindestens jedoch die 2018 erreichte Marge von minus 1 Prozent.
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