Zur Rose hat sich frisches Geld beschafft – nicht gerade günstig, aber im Umfang genug, um die im April fällige Anleihe zurückzuzahlen. Damit sind die Reserven zum großen Teil schon wieder weg.
Über eine Wandelanleihe und eine Kapitalerhöhung hatte sich Zur Rose Ende August frisches Geld besorgt. Mit 139 Millionen Franken brachte die Aktion weniger als geplant – ursprünglich wollte Zur Rose 100 Millionen Franken über die Wandelanleihe und 50 Millionen Franken über die Ausgabe neuer Aktien einholen. Am Ende wurden es 95 und 44 Millionen Franken.
Vor allem aber hat es der Zinssatz für die Anleihe in sich: Mit 6,875 Prozent liegt er am oberen Ende des zuvor ausgegebenen Korridors (6,125 bis 6,875 Prozent). Zum Vergleich: Die derzeit laufenden Anleihen sind mit 2,5 beziehungsweise 2,75 Prozent deutlich günstiger.
Trotzdem will Zur Rose die im April fällige Anleihe über 115 Millionen Franken jetzt zurückkaufen. Das spart zwar Zinsen, lässt aber das Polster spürbar abschmelzen. Eigentlich hatte sich Zur Rose laut Finanzvorstand Marcel Ziwica sogar zwischen 165 und 190 Franken sichern wollen, sodass das Management nach Umschuldung noch zwischen 50 und 75 Millionen Franken für Unternehmenszwecke zur Verfügung gehabt hätte. Jetzt sind es 14 Millionen Franken.
Weitere Kapitalmaßnahmen wären aber durchaus möglich: Bei der Generalversammlung hatte sich Zur Rose erst im Frühjahr bei den Aktionären die Erlaubnis geholt, neue Aktien im Umfang von bis zu 50 Prozent des derzeitigen Aktienkapitals auszugeben. Das waren umgerechnet bis zu 700 Millionen Euro – zum damaligen Aktienkurs.
Mit einem Polster von knapp 200 Millionen Schweizer Franken in cash sieht die Finanzlage von Zur Rose auf den ersten Blick gut aus. Erst Ende vergangenen Jahres hatte man die Kriegskasse noch einmal gefüllt und über eine weitere Kapitalerhöhung knapp 190 Millionen Franken eingesammelt. Doch gleichzeitig schloss die Gruppe das Jahr mit einem Rekordverlust von knapp 230 Millionen Franken ab. Der Mittelabfluss lag auf Basis des Free Cashflow bei 200 Millionen Franken.
Auch für das laufende Jahr wird ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von minus 75 bis 95 Millionen Franken angepeilt, sodass erneut ein negativer Free Cashflow von 150 Millionen Franken erwartet wird. Die Finanzreserven könnten also bedrohlich abschmelzen. Dazu kommt, dass in den kommenden Jahren zwei weitere Anleihen über 175 beziehungsweise 200 Millionen Franken auslaufen.
Man prüfe verschiedene Finanzierungsoptionen, welche „die Interessen aller relevanten Anspruchsgruppen ausgewogen berücksichtigen“, hieß es zuletzt vom Unternehmen, nachdem Gerüchte über einen möglichen Verkauf die Runde gemacht hatten. „Aufgrund der starken Position der Zur Rose-Gruppe im wachsenden Online-Apothekenmarkt, der bisher erfolgreich getätigten Mittelbeschaffungen und dem breiten Portfolio an zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumenten, sind der Verwaltungsrat und die Konzernleitung von der Refinanzierungsfähigkeit überzeugt.“
Dass das Management überhaupt solche Versicherungen abgeben muss, spricht allerdings eine ganze andere Sprache. Die Handlungsspielräume sind womöglich beschränkt: Die Refinanzierung über Fremdkapital wird nun wie erwartet deutlich teurer. Eine neuerliche Kapitalerhöhung käme wiederum wegen des schwachen Aktienkurses zur Unzeit. Hinzu kommt, dass der Kurs bereits massiv verwässert wurde: Alleine drei Kapitalerhöhungen im Gesamtumfang von rund 600 Millionen Franken gingen in den vergangenen drei Jahren über die Bühne. Seit dem Börsengang hat sich die Zahl der Aktien auf diese Weise ungefähr verdoppelt, seit dem Einstieg des ersten Großinvestors im Jahr 2016 sogar fast verdreifacht. Der Umsatz ist seitdem aber um weniger als den Faktor 2 gewachsen.
Einen Joker hätten CEO Walter Hess und Ziwica noch. Sie könnten das Geschäft in der Schweiz verkaufen oder DocMorris als eigenständige Firma an die Börse bringen – so wie es Insider eigentlich von Anfang an erwartet hatten. Ganz ähnlich hatte der frühere CEO Walter Oberhänsli schon einmal seinen Job und die Existenz von Zur Rose gerettet: Weil die Vereinbarungen mit den Banken in Sachen Verschuldung und Eigenfinanzierung nicht erfüllt worden waren, hatten die Gläubiger 2009 nahezu die gesamten Firmenwerte gepfändet. Abgewendet werden konnte der Zusammenbruch nur durch den Verkauf des Generikaherstellers Helvepharm für 43 Millionen Euro an Sanofi.
Einstweilen versucht das Management, das Geldverbrennen bei Zur Rose zu stoppen. Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen stellten sie das Programm „Break even 2023“ vor: War noch im Frühjahr ein ausgeglichenes operatives Ergebnis (bereinigtes Ebitda) für 2024 ins Auge gefasst worden, soll dies nun bereits ein Jahr früher geschehen. Nicht weniger als 130 Millionen Schweizer Franken will das Management pro Jahr einsparen. 2023 will Zur Rose ein ausgeglichenes operatives Ergebnis erzielen und ein Jahr später auch den Mittelabfluss stoppen. Die Einsparziele seien dabei unabhängig vom E-Rezept.
Die Botschaft ist klar: Zur Rose will sich gesund schrumpfen. Durch besseren Einkauf und höhere Preise sollen die Margen verbessert werden, außerdem soll bei Personal, Logistik und Marketing drastisch gespart werden. Auch das Sortiment soll eingedampft werden. Der Fokus soll auf lukrativen Kunden und Aufträge liegen, auf Suchmaschinen und Preisvergleichsportale will man verzichten. Auch die internationale Expansion wird zurückgestellt. Alleine in diesem Jahr will das Management einen zweistelligen Umsatzverlust in Kauf nehmen. Nur eine Prämisse gibt es: Man werde die Marktführerschaft nicht aufgeben, so Hess.
APOTHEKE ADHOC Debatte