Dass Behörden schneller sind als Unternehmen, kommt selten vor. Doch wenn am 1. Dezember die jüngste Novelle der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) in Kraft tritt, sind die Hersteller noch nicht bereit. GlaxoSmithKline (GSK) ist noch in der Findungsphase, was den Launch von Zovirax duo angeht. Und auch Reckitt Benckiser (RB) hat sein Nurofen-Pflaster offenbar noch nicht fertig.
Der Bundesrat hatte dem Entwurf Anfang November zugestimmt, nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger werden die Änderungen nun am 1. Dezember wirksam. Zu den wichtigsten Positionen für die Apotheken gehört der OTC-Switch der Kombination von Aciclovir und Hydrocoriston zur Behandlung von Herpes labialis bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren. Vom Virostatikum können bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform enthalten sein, beim Glucocorticoid darf die Konzentration bei bis zu 1 Prozent liegen. Auch die Freigabe von Ibuprofen „zum äußeren Gebrauch einschließlich Pflaster in einer Konzentration bis zu 6 Gewichtsprozenten“ könnte Bewegung in die Sichtwahl bringen.
Doch obwohl der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht den entsprechenden Anträgen bereits im Januar zugestimmt hat, scheinen weder GSK noch RB vorbereitet zu sein. Vom Nurofen-Pflaster ist weit und breit nichts in Sicht; eine Anfrage beim Konzern blieb bislang unbeantwortet.
Was Zovirax angeht, wollte eine GSK-Sprecherin weder bestätigen, dass mit dem Produkt noch in diesem Jahr zu rechnen ist, noch wollte sie Details zum Produkt und zur geplanten Kampagne verraten. Auch dass der Preis bei 20 Euro liegt, wollte sie nicht bestätigen. Nach derzeitigem Stand wäre das neue Produkt fast doppelt so teuer wie der Klassiker; Generika sind bereits ab 4 Euro erhältlich. Auch Pencivir (Omega) mit dem Wirkstoff Penciclovir ist für rund 10 Euro zu haben.
Topische Corticoide sind eigentlich bei Virusinfektionen kontraindiziert; Hydrocortison kann die Virusvermehrung sogar begünstigen. Daher besteht die Gefahr einer Virusgeneralisierung, vor allem in der Replikationsphase. Im Mausmodell konnte jedoch die Überlegenheit von der Kombination aus Aciclovir und Hydrocortison im Vergleich zu Placebo oder den Monopräparaten bestätigt werden. Der Zusatz des Glucocorticoids soll durch eine Entzündungshemmung zu einer schnelleren Wundheilung beitragen; auf diese Weise soll das Entstehen ulzerativer Läsionen verhindert werden. Für andere Arten von Herpes ist keine Freigabe geplant.
GSK ist mit Zovirax Marktführer im Bereich der Herpescremes; allerdings ist die Konkurrenz dem Original dicht auf den Fersen: Aciclovir Ratiopharm, Aciclostad und Pencivir liegen allesamt in der Größenordnung zwischen 1 und 1,4 Millionen Packungen. Nach Umsatz liegen Zovirax und Pencivir wegen des höheren Preises mit circa 30 Prozent Marktanteil weit vor der Konkurrenz.
Von untergeordneter Bedeutung unter den Aciclovir-haltigen Cremes sind Hexal (Acic) sowie Aliud und Heumann. Insgesamt gibt es 40 weitere Mitbewerber. Das älteste Mittel ist übrigens Lomaherpan, das seit August 1983 auf dem Markt ist und seit zwei Jahren zu Infectopharm gehört. Der Melissenextrakt verhindert Studien zufolge das Eindringen der Viren in die Zelle und hat einen Marktanteil von circa 5 Prozent. Ebenfalls unter den Top 10 ist Lyranda von Weber & Weber: Die im April 2013 eingeführten Kautabletten mit hochdosiertem Lysin und neun weiteren Mikronährstoffen sind zur diätetischen Behandlung von Lippenherpes gedacht.
Die Erstinfektion mit Herpes-simplex-Viren Typ 1 (HSV1) verläuft oft unbemerkt und findet bereits im Kindesalter statt. Wer sich mit HSV1 infiziert hat, bleibt lebenslang Träger des Virus, denn es nistet sich in die Nervenzellen des Rückenmarks ein und schlummert dort, bis es irgendwann reaktiviert wird. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind Träger des Virus, jedoch bricht er nur bei etwa 20 bis 40 Prozent im Laufe des Lebens aus. Kommt es zur Virusaktivierung, können Kribbeln, Spannungen und Juckreiz auftreten, bis sich schließlich erste Bläschen bilden.
Beim ersten Kribbeln sollte bereits mit der Behandlung begonnen werden, denn die Virusvermehrung findet hauptsächlich in den ersten 48 Stunden nach dem Ausbruch statt. Sind die Bläschen bereits aufgeplatzt, ist es meist zu spät für die antiviralen Wirkstoffe. Aciclovir wird fünfmal täglich im Abstand von vier Stunden aufgetragen. Der Arzneistoff wird von der Virus-DNA-Polymerase in die Virus-DNA eingebaut – es kommt zum Kettenabbruch. Neben dem Original Zovirax sind Generika im Handel.
Penciclovir wird im Abstand von zwei Stunden und mindestens sechsmal täglich aufgetragen. Der Wirkstoff soll auch noch in der Papel- und Bläschenphase wirksam sein und die Replikation der Virus-DNA hemmen. Die Virusvermehrung wird gestoppt, der Heilungsprozess vorangetrieben und Schmerzen vermindert. Pencivir (Omega) ist als getönte und ungetönte Creme im Handel.
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