Metamizol gehört zu den wichtigsten Schnelldrehern in der Apotheke. Zentiva hat mit Novaminsulfon Lichtenstein die Nase mit weitem Abstand vorn, auch dank zahlreicher Rabattverträge mit den Kassen. Weil der Hersteller nach den Lieferengpässen der vergangenen Jahre die Produktion umgestellt hat, kommt es jetzt bei der Abgabe zu Problemen. Denn seit Anfang Februar gilt ein neuer Rabattvertrag – mit demselben Anbieter.
Seit dem 1. Februar gelten neue AOK-Rabattverträge. Apothekenteams und Patient:innen müssen sich umstellen – auch bei Metamizol: Hier erfolgte ein Wechsel von Novaminsulfon Lichtenstein auf Metamizol Zentiva. Beide Präparate kommen vom selben Hersteller, sind aber wegen ihrer unterschiedlichen PZN nicht austauschbar. Denn es handelt sich um einen Exklusivvertrag.
Der Namenswechsel sorgt in Apotheken für Diskussionen am HV-Tisch. Die Packung sehe nur etwas anders aus, aber der geänderte Name stoße bei den Patient:innen auf Ablehnung, sagt ein Apotheker. Die Kund:innen wollten es nicht nehmen. „Sie denken, es ist ein komplett anderes Arzneimittel.“ Er kritisiert, dass es bei den Rabattverträgen „immer nur um den wirtschaftlichen Aspekt“ gehe: „Die Apotheke und der Patient sind außen vor.“ Wie bei vielen Kolleg:innen ist bei ihm langsam die Grenze des Erträglichen erreicht. „Ich halte die Anfeindungen und ewigen Diskussionen nicht mehr lange aus, befinde mich schon seit langem am Limit. Nicht nur wegen Corona. Ich kann und will nicht mehr der Sündenbock der Krankenkassen sein.“
Metamizol Zentiva ist überhaupt erst seit 15. Dezember verfügbar. Die Umstellung hat produktionstechnische Hintergründe: Die zweite Zulassung ermögliche eine Erhöhung der Kapazitäten durch Inbetriebnahme einer zweiten Produktionslinie, heißt es aus dem Unternehmen. Die Kapazität der bestehenden Produktionslinie zu erhöhen, sei nicht so einfach möglich.
Warum Metamizol Zentiva und nicht Novaminsulfon Zentiva? Weil das Arzneimittel nach Auflage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Namen des Wirkstoffs enthalten musste, so Zentiva. Dass in der Apotheke Diskussionen mit verägerten Kund:innen an der Tagesordnung sind, bedauere man.
Novaminsulfon Lichtenstein ist seit mehreren Jahren das am häufigsten verordnete Präparate in Deutschland. Mit 24,5 Millionen Verordnungen liegt das Präparat laut Arzneiverordnungsreport (AVR) noch vor dem Ibuprofen-Generikum Ibuflam, das ebenfalls aus dem Hause Zentiva kommt und 2020 insgesamt 18,6 Millionen Mal zu Lasten der Kassen verordnet wurde. Mit Kosten von 300 Millionen Euro liegt Novaminsulfon Lichtenstein auch nach Umsatz auf Rang 16 – zwischen zahlreichen Hochpreisern.
Unter allen Anbietern von Metamizol hat Zentiva mit Novaminsulfon einen Marktanteil von 81 Prozent. Auf Rang 2 folgt Ratiopharm mit 3,3 Millionen Verordnungen im Wert von 42 Millionen Euro, das entspricht einem Marktanteil von 13 Prozent. Die Tochterfirma AbZ hat 2020 ihren Absatz mehr als verfünffacht, Aristo hat vervierfacht. Beide Hersteller kommen aber nur auf niedrige einstellige Anteile am Gesamtmarkt, genauso wie Hexal/1A, Novalgin (Sanofi) und Berlosin (Berlin Chemie).
2015 und 2016 gab es massive Lieferengpässe bei Novaminsulfon Lichtenstein, sowohl Tabletten als auch Tropfen waren betroffen. Seitdem steigt die Nachfrage weiter an: Metamizol erreichte auch 2020 einen deutlichen Verschreibungszuwachs, obwohl die Indikation wegen des Risikos von Agranulozytose und Schockreaktionen seit vielen Jahren auf starke Schmerzen, Tumorschmerzen und hohes Fieber eingeschränkt ist. Mit 259 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) hat sich der Einsatz hierzulande innerhalb von zehn Jahren verdoppelt.
Wegen tödlicher Agranulozytosen und schwerer Schockreaktionen wurde Metamizol in vielen Ländern verboten oder nie zugelassen. In Deutschland wurde der Wirkstoff wegen seiner Risiken bereits 1986 der Rezeptpflicht unterstellt und in seinen Indikationen stark eingeschränkt. Trotzdem sind die Verordnungen seitdem nicht zurückgegangen, sondern laut AVR sogar mehr als 15-fach angestiegen.
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