Eucerin, Vichy, La Roche-Posay – Kunden können eine ganze Reihe apothekenexklusiver Dermokosmetik bei Zalando kaufen. Dahinter steht die Versandapotheke Medikamente per Klick, die Produkte über den Marktplatz des Schuh- und Modehändlers vertreibt. Die Aktion sei eng mit den Herstellern abgestimmt gewesen, betont Geschäftsführer Karlheinz Ilius. Die Unternehmen selbst zeigen sich wenig begeistert, können aber auch nichts dagegen tun – denn der Fall liegt anders als bei Douglas.
Zalando erweitert sein Sortiment stetig, der reine Online-Schuhhändler gehört längst der Vergangenheit an: Mittlerweile kann man über das Flaggschiff der umstrittenen Samwer-Brüder fast alles bekommen, was unter die Kategorie Fashion fällt – von Kleidung über Sonnenbrillen bis hin zu Uhren. Wer sich dafür interessiert, interessiert sich oftmals auch für hochwertige Kosmetik. Und die gibt es seit einigen Monaten auch bei Zalando. Was dem Endverbraucher aber in der Regel nicht auf den ersten Blick auffällt: Dahinter steht eine Versandapotheke.
Und die hat sich ihren Teil dabei gedacht: „Die Initiative zur Kooperation ging von uns aus. Wir haben Marktplätze gesucht, auf denen wir Segmente selbstbestimmt vertreiben können und nicht in Konkurrenz zu anderen Versandapotheken treten“, erklärt Ilius. „Bei Zalando steuern wir selbst, welche Produkte wir dort vertreiben und haben die Möglichkeit, die Produktseiten selbst zu gestalten.“ Diese Selbstbestimmung habe auch zur Entscheidung geführt, auf Zalando statt andere Plattformen zu setzen.
„Wir halten von dieser Art der Kooperation sehr viel mehr als von Marktplatzverkäufen bei Amazon, wo man keinen Einfluss auf das Produktumfeld hat, viele Händler die Preise drücken und Amazon 15 Prozent Provision pro Bestellung erhält. Bei Zalando ist es hingegen eher so, dass wir dort neue Kunden finden können, die sonst nicht zu unserer Klientel gehören und bestenfalls irgendwann direkt über uns bestellen.“ Es sei Medikamente per Klick im Vorfeld besonders wichtig gewesen, dass es möglichst wenig Überschneidungen zu unserer eigenen Kundenklientel gibt.
An die pharmazeutisch verbürgte Seriosität einer gut geführten Apotheke dürfte das Modeportal allerdings in den Augen der meisten Verbraucher nicht herankommen. Sollte das für die Hersteller, die bei der Einhaltung der Selektivverträge sonst so rigoros sind, kein Problem sein? Ilius betont, das Vorgehen sei abgestimmt gewesen. „Wir haben die Kooperation proaktiv und über einen längeren Zeitraum mit allen Herstellern abgesprochen und von ihnen grünes Licht für die Kooperation erhalten“, sagt er. „Dabei haben wir auch alle Selektivverträge prüfen lassen und sämtliche Vorgaben von der Produktpräsentation über die Logistik bis zur Beratung sauber umgesetzt.“ Es sei nicht so abgelaufen wie seinerzeit bei Douglas, betont er.
Aauf dem Marktplatz der Parfümeriekette vertreibt Apo-Rot seit dem vergangenen Jahr ebenfalls eigentlich apothekenexklusive Dermakosmetik – war dabei aber nur als Logistikpartner aufgetreten. Hier ist der Fall anders gelagert. „Es handelt sich dabei um keine Kooperation, sondern Medikamente per Klick ist Partner in unserem Partnerprogramm“, widerspricht Zalando auf Anfrage Ilius, erwähnt dabei aber den entscheidenden Punkt: Medikamente per Klick ist nur auf dem Marktplatz vertreten, Kauf und Abwicklung laufen komplett über die Apotheke, die bestehende Selektivverträge mit den Herstellern hat.
Die zeigen sich wenig begeistert, sehen aber auch keine wirkliche Handhabe. „Wir sind überzeugter Partner der stationären Apotheke und bestehen auf die Einhaltung unseres Eucerin-Selektivvertrages. Da auf dem Zalando Marktplatz eine Apotheke als Verkäufer auftritt, liegt kein Verstoß unseres Selektivvertrages vor“, sagt Enno Martini, Geschäftsführers Pharmacy Deutschland bei Beiersdorf. „Um die stationäre Apotheke hingegen zu stärken, investieren wir mehr denn je in die Betreuung durch unseren Außendienst, ein breites Schulungsangebot sowie verkaufsfördernde Maßnahmen.“
Ähnlich klingt es aus dem Hause L’Oréal: „Solche Marktplatzmodelle sind grundsätzlich für Apotheken als Vertriebskanal zulässig und rechtskonform. L’Oréal liefert für diese Marktplätze keine Materialien zur Verkaufs- oder Beratungsunterstützung wie Muster, Tester, Schulungen und dergleichen“ so eine Sprecherin auf Anfrage. „Unser Schwerpunkt ist und bleibt die Stärkung der stationären Apotheke und die Bekämpfung des Graumarktes. Wir investieren weiterhin stark in die Unterstützung der lokalen Apotheken mit Schulungen, Media und Verkaufsanimationen wie ‚Gesundheit Hautnah‘.“
Allerdings: Wirklichen Grund, die Faust in der Tasche zu ballen, haben die Hersteller im Moment wohl auch nicht. „Die Dermokosmetik hatte 2020 coronabedingt ein schweres Jahr. Von daher ist es nachvollziehbar, die Zielgruppe dort abzuholen, wo sie sich bewegt“, sagt Thomas Heil, Vice President Consumer Health bei IQVIA. Aus Herstellersicht sei Zalando deshalb erst einmal ein interessanter Ort für den Vertrieb. Allerdings bringe sie das auch in die Zwickmühle. „Andererseits gibt es das starke Commitment der Hersteller zur stationären Apotheke, das sich auch in den Selektivverträgen wiederspiegelt, mit deren Hilfe gerade der Graumarkt eingedämmt werden soll. Von daher ist es auch für die Hersteller eine knifflige Situation“, so Heil. „Das könnte ein erster Schritt zur Aufweichung der Apothekenexklusivität sein.“
Auf einen ersten Schritt folgt oft ein zweiter – könnten über Zalando also bald auch Freiwahl oder gar OTC-Produkte vertreiben? Ilius dementiert, will die Hintertür aber auch nicht zuschlagen. „Unser Sortiment bei Zalando ist bisher rein auf Kosmetik ausgelegt und eine Erweiterung ist nicht geplant“, erklärt er. „Man soll aber niemals nie sagen.“ Zu den Konditionen der Zusammenarbeit will und dürfe er sich nicht einlassen, die seien verhandelt worden, im Wesentlichen aber wie auf anderen Marktplätzen auch – hauptsächlich eine Provision pro verkauftem Produkt. Beschweren könne er sich aber über die Zahlen nicht, sagt Ilius: „Bisher läuft die Kooperation sehr gut.“
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