Lieferengpässe gehören mittlerweile leider zum Apothekenalltag, wie die Fantaschale in die Rezeptur. In den vergangenen Wochen macht sich zunehmend ein Engpass bei einem weiteren Wirkstoff breit: Nebivolol ist von zahlreichen Herstellern nicht lieferbar und damit insgesamt kaum zu bekommen.
In zahlreichen Apotheken lässt sich derzeit in der Nebivolol-Schublade ein großes Loch feststellen. „Es gibt massive Lieferschwierigkeiten bei allen Firmen – einschließlich des Originals Nebilet“, erläutert ein Apotheker. Glücklicherweise hatte sich die Apotheke bereits bevorratet, sodass der Engpass zunächst keine Auswirkungen hatte. Nun werden jedoch immer mehr Präparate knapp. „Es gab wie immer hitzige Diskussionen mit den Kunden, die nicht wechseln wollten.“ Einige seien mittlerweile jedoch auch kooperativ – durch die Corona-Krise seien viele bereits daran gewöhnt, häufiger wechseln zu müssen, weil bestimmte Firmen entsprechende Medikamente nicht liefern könnten.
Außer dem Original Nebilet von Berlin Chemie gibt es mehrere Generika: Neben Stada und Aliud haben auch Glenmark und Heumann entsprechende Präparate. Doch bei einer Verfügbarkeitsabfrage häufen sich die roten Symbole. Neben dem Originalhersteller kann auch Heumann derzeit nicht liefern. Eine gewisse Zeit konnte der Bedarf durch die anderen Hersteller gedeckt werden, doch auch hier wird es nun eng: „Bis Ende vergangener Woche konnten wir Nebivolol Puren ausliefern, nun ist auch unser Lager bei diesem Wirkstoff leer“, erläutert eine Sprecherin des Münchner Unternehmens. Da Nebivolol kein Rabattvertragsprodukt und Puren somit nur ein kleiner Marktteilnehmer sei, ließen sich Ausfälle von Mitbewerbern nur schwer kompensieren. „Wir sind bemüht, die Lieferfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen, sind aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, einen genauen Liefertermin zu nennen.“
Auch bei Glenmark gibt es aktuell Lieferschwierigkeiten. Der Hersteller ist aktueller Rabattpartner der AOKen und hat Inside Health zufolge einen Marktanteil an den gesamten GKV Verordnungen von rund 74 Prozent. Dem Konzern zufolge wird die Situation jedoch voraussichtlich noch bis Mitte August andauern. „Im Juni und Juli erwarten wir kontinuierliche Wareneingänge und werden diese unverzüglich dem pharmazeutischen Großhandel zur Verfügung stellen.“ Eine Direkt-Auslieferung an einzelne Apotheken sei leider nicht möglich – die Bestellung und Auslieferung erfolge wie gewohnt über den pharmazeutischen Großhandel.
Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lock-downs in den verschiedenen Ländern, sei die Verfügbarkeit von Arbeitskräften im April stark eingeschränkt gewesen, wodurch die Auslastung der Produktion nur zu 50-60 Prozent möglich war. „Hinzu kommt, dass beide im Zulassungs-Dossier eingetragenen Wirkstoffhersteller in Europa und Indien aufgrund der jeweils in den Ländern behördlich angeordneten Lock Downs, ebenfalls durch enorme Einschränkungen betroffen sind und somit den Wirkstoff nicht rechtzeitig beziehungsweise nur mit zeitlicher Verzögerung an uns liefern können“, erklärt Glenmark. Dies habe direkten Einfluss auf die Lieferfähigkeit wodurch keine durchgängige Verfügbarkeit derzeit nicht sichergestellt werden könne. „Aktuell rechnen wir damit, dass wir voraussichtlich Mitte August wieder genügend Ware erhalten werden, um die komplette Nachfrage vollständig bedienen zu können.“
Stada ist nach eigenen Aussagen derzeit noch lieferfähig. „Allerdings gibt es europaweit eine gesteigerte Nachfrage nach dem Wirkstoff“, erklärt der Konzern. „Die derzeitigen allgemeinen Lieferengpässe bei Nebivolol sind unseres Wissens nach unter anderem auf eine erhöhte Nachfrage sowie allgemeine Knappheit der Präparate am Markt zurückzuführen.“ Die Situation sei durch die Lieferengpässe bei den Mitanbietern daher auch für die Produkte von Stada und Aliud verschärft worden. Um die Lieferfähigkeit zu gewährleisten, komme im Konzern daher eine sogenannte „2nd-Source-Strategie“ zum Einsatz: „Diese hat zum Ziel, für alle wichtigen Wirkstoffe mindestens zwei qualifizierte Lieferquellen zu haben – idealerweise aus unterschiedlichen Ländern.“
Nebivolol kommt im Bereich der Hypertonie zum Einsatz: Der Wirkstoff liegt als Razemat aus zwei Enantiomeren vor. Während das D-Enantiomer als kompetitiver und selektiver Beta-1-Rezeptorenblocker fungiert, weist das L-Enantiomer vasodilatirende Eigenschaften auf, die durch eine Wechselwirkung mit dem L-Arginin-Stickoxid-Stoffwechselweg zusammenhängen. Die Standarddosierung von Nebivolol liegt bei 5 mg, die Maximaldosis beträgt 10 mg pro Tag. Bei bestimmten Komorbiditäten kann die Aufnahme und Verstoffwechselung jedoch beeinträchtigt sein – ist dies der Fall muss die Dosierung entspechend angepasst werden: Patienten mit Niereninsuffizienz oder ältere Patienten über 65 Jahren erhalten in der Regel eine Anfangsdosis von 2,5 mg täglich, bei Herzinsuffizienz sollte die Therapie mit nur 1,25 mg Nebivolol einmal täglich eingeleitet werden. Der blutdrucksenkende Effekt tritt meist nach etwa ein bis zwei Wochen ein, in manchen Fällen kann es jedoch bis zu einen Monat andauern.
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