Die Versandapotheke Sanicare darf die Zuzahlung nicht erlassen oder stunden. Versandapotheker Johannes Mönter hat sich daher etwas Neues einfallen lassen: Jeder Kunde, der bei einer Studie von Sanicare teilnimmt, bekommt die Hälfte der Zuzahlung erlassen. Untersucht werden soll über einen Zeitraum von 36 Monaten der Einfluss von Zuzahlungen auf die Therapietreue. 2000 Teilnehmer machen seit dem Start im November schon mit; insgesamt sollen 6000 Patienten im Dienste der Wissenschaft bei Sanicare bestellen. In Berlin wurden die ersten Ergebnisse präsentiert.
Ausgewertet wurden bislang 1200 Fragebögen. Bei der Einstellung der Patienten zu Zuzahlungen überraschten die Fragen mehr als die Antworten: 73 Prozent der Sanicare-Probanden glauben nicht an eine Verbesserung des Therapieerfolgs, wenn sie selbst einen Teil der Kosten tragen müssen. Die Hälfte der Befragten fühlt sich durch Zuzahlungen auch nicht motiviert, die Einnahmevorschriften genauer zu beachten. 70 Prozent finden nicht, dass die Zuzahlungen für viele Betroffenen zumutbare Belastungen sind. Kosteneinsparungen für das Gesundheitswesen durch Zuzahlungen bezweifeln 40 Prozent.
Bei der Frage nach der Therapietreue gaben rund 20 Prozent an, innerhalb von 14 Tagen zweimal oder öfter ein Arzneimittel nicht eingenommen zu haben. Meistens wurde die Tablette schlicht vergessen. Die Untersuchung zeigte außerdem, dass die Anweisungen des Arztes einen großen Einfluss auf die Therapietreue haben. Negativ wirkt sich dagegen vor allem die Angst vor Abhängigkeit von dem Medikament aus.
Zwei weitere Befragungsrunden mit den gleichen Patienten sollen folgen und die Auswirkungen der Zuzahlungen auf den Krankheitsverlauf untersuchen. Denn empirische Studien in Deutschland fehlten noch, so Dr. Dr. Jens Holst, einer der Studienleiter. Untersuchungen in den USA, Kanada oder Italien belegten aber, dass es einen Zusammenhang zwischen Zuzahlungen und der Therapietreue gebe. Holst nennt auch einen Grund, warum die Zuzahlungen nicht gleich komplett erlassen wurden: Auch die Höhe habe einen Einfluss auf die negativen Effekte.
Wissenschaftlicher Partner von Sanicare ist ein Unternehmen namens „Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG)“, das gleichzeitig die Auszahlung der Erstattung übernimmt. Laut Präambel soll das Unternehmen „Betriebe und Institutionen der sozialen Sicherung und andere Einrichtungen“ unter anderem in „ihren individuellen und beruflichen Handlungsmöglichkeiten“ unterstützen.
BIAG gehört zwei Wissenschaftlern des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen. Dort leitet Professor Dr. Gerd Glaeske die Abteilung „Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung“.
Glaeske findet Zuzahlung als Steuerungselement in der Arzneimittelversorgung grundsätzlich ungeeignet: „Die Verordnung bestimmt nicht der Patient, sondern der Arzt. Deshalb ist die Beratung zur Einnahme des Arzneimittels so wichtig.“ Hier könnten sich aus Sicht des Gesundheitsökonomen die Apotheken und Versandapotheken als Informationszentren profilieren. „Aber diese Chance wird nicht genutzt. Leider geschieht die Arzneimittelübergabe in 40 Prozent der Fälle kommunikationslos“, so Glaeske.
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