Kooperation statt Kette: 80 Tage nach dem Führungswechsel steht das Grundkonzept für die Neuausrichtung von Celesio. Statt verzweifelt nach neuen Geschäftsfeldern zu suchen, will der neue Konzernchef Markus Pinger das Kerngeschäft - die Arzneimittellogistik - flott machen und weiterentwickeln. Celesio soll sich als Komplettdienstleister für Apotheken profilieren; auch Erfahrungen aus dem Kettengeschäft im Ausland sollen den Kunden hierzulande zugute kommen. Um mit seinen Franchise-Ideen voranzukommen, ist Pinger bereit, große Zugeständnisse zu machen: „Wir werden eine Lösung für DocMorris finden.“
Bei Celesio soll sich künftig alles wieder um die Apotheke drehen: Pinger will Angebote schaffen, auf die kein selbstständiger Pharmazeut verzichten können soll - vom Einkauf bis hin zu gemeinsamen Marketingkonzepten und Dienstleistungen für den Patienten.
Das klingt zunächst nach dem Standardkonzept einer jeden Apothekenkooperation. Doch Celesio wäre nicht Celesio und Pinger nicht der ausgewiesene Experte für das Gebiet Lieferkette, wenn der Ansatz nicht weiterginge: So soll künftig gleich auf europäischer Ebene eingekauft werden; gleichzeitig will der Konzern die Warenlager der Apotheken kontrollieren und sich rechtzeitig um Nachschub kümmern: „Der Apotheker beherrscht die Pharmazie, wir die Logistik. Wir sollten uns zusammentun.“
Heute sei die Distribution von Arzneimitteln auf Hersteller, Vor-Großhändler, Großhändler und Apotheke verteilt, so Pinger. Jeder Marktteilnehmer müsse dabei eigene Lager- und Transportkapazitäten vorhalten. „Dies auf intelligente und übergreifende Weise in einer Hand zu bündeln, wird für alle zu einem hohen Effizienzgewinn führen, den Celesio-Pharmagroßhandel in die neue Position einer zentralen Logistik-Drehscheibe bringen und uns so neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen“, ist der Chef überzeugt.
Im Kontrast zu seinem Vorgänger ist Pinger der Auffassung, dass die Marke einer Apotheke derzeit nicht das Wichtigste ist - sondern ein funktionierendes Geschäftsmodell. Aus diesem Grund soll es innovative Shop-Formate geben, aber auch gemeinsame Angebote für die verschiedenen Verkaufskanäle. Bis Ende 2012 wollen Pinger und sein Team einen Vorschlag erarbeiten, wie das Problem der hauseigenen Konkurrenz aus Holland gelöst werden kann: „Wir müssen erkennen, dass die Apotheken unseren Versandumsatz als ihren verlorenen Umsatz sehen.“ Und so denkt man in Stuttgart möglicherweise darüber nach, wie die Apotheken in das Versandgeschäft eingebunden werden könnten.
An dem Thema Apothekenkette will sich Pinger nicht die Finger verbrennen: „Es gibt eine Linie, die man in Deutschland nicht überschreiten darf, und das ist das Eigentum der Apotheke.“ Wichtiger als eigene Filialen ist dem Konzernchef ein gutes Verhältnis zu seinen Kunden: „Es ist ungewöhnlich und auf Dauer auch nicht gut, wenn man mit seinen eigenen Kunden im Clinch liegt“, so Pinger.
Bereits 2012 will der Celesio-Chef die Apotheker mit einem vermarktungsreifen Konzept überzeugen. „Großhandel 2.0“ heißt die neue Strategie bei Celesio, böse Zungen werden sagen: „Kette 0,5“. Dass das Komplettpaket auf breite Ablehnung stoßen könnte, sieht der Konzernchef nicht: „Ein funktionierendes Franchise ist meistens ein gutes System: Man kombiniert professionelle Dienstleistungen mit dem unternehmerischen Handeln und dem 'Herzblut' vor Ort.“
Rückendeckung von Großaktionär Haniel hat Pinger jedenfalls: Bis zu 100 Millionen Euro kann der neue Konzernchef ausgeben, um das neue Konzept aufzubauen und Celesio effizient zu machen. Im Gegenzug verspricht er Einsparungen von 50 Millionen Euro - und den erhofften Turnaround: Nach vier schlechten Jahren soll 2012 die Wende gelingen, sprich das Ergebnis mindestens auf Vorjahresniveau gehalten werden.
Auch Zukäufe soll es wieder geben: In Brasilien liebäugelt Pinger offenbar mit dem Einstieg ins Kettengeschäft, außerdem wird über weitere Zukäufe in Lateinamerika nachgedacht. Auch in den arabischen Staaten soll Celesio Fuß fassen. Weil jeder Euro aber nur einmal ausgegeben werden kann, stehen nach Medco Celesio weitere Geschäftsbereiche zur Disposition: So wird in Stuttgart bereits offen über einen Verkauf des Prewholesalers Movianto und des Pharma-Dienstleisters Pharmexx gesprochen.
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