Vielen Apotheken drohen massive Ertragsverluste, weil die Großhändler in gewohnter Synchronität Konditionen kürzen wollen. Steuerberater warnen vor fünfstelligen Einschnitten. Doch in der Branche formiert sich Widerstand. Einspruchsschreiben gegen die Ankündigungen der Großhändler werden herumgereicht, eine Gruppe von Apothekenberatern will sogar das Bundeskartellamt einschalten.
Einen externen Anlass, der alle Logistiker betrifft, gibt es aktuell tatsächlich: In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der Überreaktion des Marktes sind die Spritkosten massiv gestiegen. Die Pharmagroßhändler geben das an die Apotheken weiter und erheben wahlweise eine „Stopgebühr“, einen „Energiekostenausgleich“ oder einen „Tourenkostenbeitrag“. Ob mit einer monatlichen Pauschale, pro Fahrt oder prozentual am Umsatz – fast alle Großhändler holen sich die Kosten aktuell zurück.
Doch die Konditionenkürzungen werden nicht nur mit den Spritpreisen begründet und beschränken sich auch nicht auf die neuen Pauschalen. So klagt die Sanacorp in Schreiben nicht nur über „stark steigende Diesel- und Energiepreise“, sondern auch über „strukturelle Veränderungen der Sortimente“ und damit „negative Auswirkung auf die Grundspanne“, „erhebliche Kostensteigerungen“ und „drastische Verschlechterung der Großhandelsmarge“ sowie „deutliche Kostensteigerung durch das Mindestlohngesetz“. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Außendienst schon unterwegs. „Wir müssen jedoch davon ausgehen, dass wir entkoppelt von den aktuell laufenden Ertragsmaßnahmen, zusätzlich auf unsere Kunden zugehen müssen“, so ein Sprecher des Großhändlers. Gemeint ist der Diesel-Zuschuss. „Im Vordergrund wird neben einer Kostenbeteiligung sicherlich eine geografisch-wirtschaftlich sinnvolle Tourenoptimierung stehen.“
Bereits im Herbst hatte Phoenix Gespräche über Konditionen und Servicelevel angekündigt und das mit „stetigen Kostensteigerungen“ sowie „negativen Strukturveränderungen“ begründet. Auch hier gibt es bereits Gespräche in den Apotheken. AHD/Gehe hat sich gleichfalls angekündigt.
Anfang der Woche hat nun die Noweda nachgezogen und die erheblich gestiegenen Betriebskosten, den Mindestlohn, den Margenverfall aufgrund der vielen Hochpreiser und die steigenden Energiekosten zum Anlass genommen, Kürzungen ab Juni anzukündigen. Weil die Genossenschaft nicht nur den Besuch des Außendienstes avisiert, sondern konkrete Zahlen mit einem konkreten Datum nennt, ist die Nervosität in den Apotheken groß.
Bei der Noweda gibt es einen Mix aus Maßnahmen. Wiederkehrend sind „Mindestlohn- und Energiekostenausgleich“ von je 0,25 Prozent oder pauschal 350 Euro sowie ein Handelsspannenausgleich bei 6,34 Prozent. Je nach Vertrag sind auch Kürzungen beim Skonto oder den OTC-Konditionen gesehen. Als Ziel vermutet ein Apothekenberater, dass sich die Noweda 0,6 Prozent über dem gesamten getätigten Nettoumsatz als Kürzung holen will. Damit das nicht automatisch ab Juni passiert, müssten die Apotheken aktiv widersprechen.
In einem solchen Vordruck für den Widerspruch heißt es: „Möglicherweise erschließt es sich der Noweda nicht, dass auch ich als Inhaber:in einer öffentlichen Apotheke gleichermaßen mit den gestiegenen Energiekosten und den enorm angestiegenen Personalkosten belastet werde. Ich kann diese Kostensteigerungen nicht einfach ‚plump‘ an unser Patienten weitergeben.“ Die unterzeichnende Apotheke behält sich nicht nur eine Beendigung der Geschäftsbeziehung zu Ende Mai vor, sondern auch die Einführung von einer Gebühr in Höhe von 17,50 Euro „pro Reklamation, die durch Ihr Unternehmen verursacht wurde“.
All das gehört zum normalen Spiel: Die Großhändler kündigen sehr massive Kürzungen an, die Apotheken und ihre Dienstleister drohen mit einem Anbieterwechsel und dann beginnen die Verhandlungen. Ein gewisser Spielraum scheint auch diesmal wieder eingepreist sein, aber auf Kürzungen müssen sich viel Apotheken wohl einstellen.
Die Apothekenleiter:innen seien sehr frustriert, berichtet ein Steuerberater. Denn die zusätzlichen Einnahmen in der Pandemie haben andere Löcher gestopft und zudem viel Kraft gekostet. Auch das Timing der Großhändler wirkt unglücklich: Die Inhaber:innen, dass die Großhändler im vergangenen Jahr mit der Impfstofflogistik gutes Geld verdient haben. Zum anderen denkt der Gesetzgeber gerade laut über ein erstes Spargesetz nach, von dem auch die Apotheken betroffen sein könnten. Vier- bis fünfstellige Verluste im Einkauf sind dann besonders schmerzhaft und schmälern den Wert der Apotheke.
Weil die Branche erneut in zeitlich engem Abstand sowie mit vergleichbaren Maßnahmen und Begründungen agiert, wollen einige Berater gemeinsam das Bundeskartellamt einschalten. Allerdings konnte die Wettbewerbsaufsicht in der jüngeren Vergangenheit im Marktgeschehen keine illegalen Absprachen nachweisen. Das ist ironischerweise genauso wie bei den Preisen an der Tankstelle.
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