Hersteller finden Nische für TV-Apotheker Alexander Müller, 22.02.2016 14:33 Uhr
Arzneimittel dürfen in der Werbung nicht von Apothekern oder Ärzten beworben werden. Dieses Verbot wird von den Gerichten eng ausgelegt, wie Procter & Gamble (P&G) bei seinem Wick-Spot erfahren musste. Auch in der Werbung für Vagisan von Dr. Wolff ist eine Apothekenszene dargestellt. Der Hersteller macht sich die unterschiedlichen Vorschriften für Arzneimittel und Medizinprodukte zunutze.
Im TV-Spot für Vagisan wird zunächst auf die Statistik hingewiesen, dass 43 Prozent aller Frauen unter Scheidentrockenheit leiden. Jetzt würden Frauen aktiv: „Sie fragen nach der rezeptfreien Vagisan-Feuchtcreme“, heißt es. Dabei wird eine Verkaufsszene dargestellt: Eine Dame im weißen Kittel steht hinter einem Verkaufstresen, der nicht nur wegen des Druckers einem HV-Tisch sehr ähnelt. Die Kundin deutet auf die Sichtwahl, aus der von der mutmaßlichen Apothekerin oder PTA eine Packung Vagisan entnommen und ausgehändigt wird. Abschließend gibt es den Hinweis, dass das Produkt hormonfrei ist.
Die Darstellung weckt auf verschiedene Weise die Assoziation Apotheke, nicht zuletzt der Hinweis auf ein nicht verschreibungspflichtiges Produkt. Der Begriff Apotheke wird nicht genannt, auch ein Apotheken-A ist nicht zu sehen. Dennoch reichten dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) im Fall des Wick-Spots HV-Tisch, Kittel und Sichtwahl aus, um eine typische Apothekenszene anzunehmen. Da „im Gesundheitswesen tätige Personen“ laut dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht für Arzneimittel werben dürfen, wurde der Spot verboten.
Bei Vagisan ist der Fall aber etwas anders gelagert: Beworben wird nicht das Arzneimittel unter der Dachmarke, sondern die Feuchtcreme – und die ist ein Medizinprodukt. Das Werbeverbot gilt laut HWG aber explizit nur für Arzneimittel – wobei nicht zwischen apothekenpflichtigen und freiverkäuflichen unterschieden wird.
Die Besonderheit bei Vagisan ist, dass es unter der Dachmarke eine Vielzahl von Produkten gibt: Die Biotin-Lecto-Kapseln sind Nahrungsergänzungsmittel, Milchsäure-Präparate gibt es als Kapseln und Vaginalzäpfchen, beides sind Medizinprodukte. Das gilt ebenso für die Feuchtcreme, die es wiederum auch als Zäpfchen gibt.
Die „Vagisan Feuchtcreme Kombi“ mit beiden Darreichungsformen ist ebenfalls ein Medizinprodukt. Die „Vagisan Myko Kombi“ ist dagegen ein Arzneimittel gegen Vaginalpilz. Zäpfchen und Creme enthalten in dieser Variante den Wirkstoff Clotrimazol. Eine Bewerbung dieses Präparats in dem Stil der Feuchtcreme-Werbung wäre wahrscheinlich unzulässig.
„Bei Medizinprodukten wird insgesamt ein niedrigeres Gefährdungspotenzial angenommen“, erklärt Andrea Schmitz, Leiterin der Geschäftsstelle Recht beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Daher gelte das HWG nur für Arzneimittel, eine produktübergreifende Regelung gebe es nicht.
Das heißt nicht, dass grundsätzlich alles möglich ist: „Bei der Frage der Irreführung des Verbrauchers wird es maßgeblich auf den Einzelfall ankommen“, so Schmitz. Bei einer Dachmarke komme es wiederum darauf an, ob die anderen Produkte unterschiedlich sind, etwa hinsichtlich der Anwendungsgebiete oder Wirkstoffe. „Ich vermute, ein Aspirin-Shampoo als Medizinprodukt dürfte schwierig werden, weil der Verbraucher an ein Kopfschmerzmittel denkt“, so Schmitz. In der Diskussion um Dachmarken habe sich der BAH für eine Einschätzung im Einzelfall eingesetzt. „Denn sonst käme es zu Generalverboten, die nicht hilfreich sind“, so Schmitz.
Dr. Wolff ist nicht der einzige Hersteller, der die Sonderstellung der Medizinprodukte in der Werbung ausnutzt: Engelhard setzt im TV-Spot für die Halsschmerztabletten „Isla med hydro+“ auf einen Herrn im weißen Kittel. Im Hintergrund ist eine Arztpraxis angedeutet, auf der Homepage des Herstellers hat er außerdem ein Stethoskop um den Hals.
Grafisch dargestellt ist im Hintergrund der Verlauf einer Erkältung. Der mutmaßliche Arzt sagt: „Häufig beginnt es mit Halsbeschwerden. Dann empfehle ich Isla med hydro+ Halspastillen. Sie schützen, befeuchten und lindern spürbar gereizte Mund- und Rachenschleimhäute [...]“. Unter der Produktabbildung am Schluss der Werbung steht der Satz: „Erhältlich in Ihrer Apotheke.“ Auch die Halspastillen sind „nur“ ein Medizinprodukt.