Engelhard gehört zu den ältesten OTC-Herstellern in Deutschland. In diesem Jahr feiert das Familienunternehmen sein 150-jähriges Jubiläum. Die Pandemie hat die Feierlaune etwas eingetrübt: Corona hat den Hersteller von Prospan und Isla besonders hart getroffen, Engelhard musste einen starken Umsatzeinbruch verzeichnen. Dennoch hat sich Firmenchef Richard Mark Engelhard seinen Optimismus bewahrt: Er ist überzeugt, dass der Markt zu alter Stärke zurückfinden wird.
Engelhard war 1872 gegründet worden, und zwar vom Ur-ur-Großvater der beiden heutigen Firmenchefs. Angesichts dieser einzigartigen Familientradition sollte das Firmenjubiläum in Niederdorfelden vor den Toren von Frankfurt/Main gebührend gefeiert werden, seit Jahren hatte man darauf hingearbeitet. Höhepunkt sollte die Eröffnung der neuen Produktionsanlage sein, für die man sich 2015 entschieden und 2018 den Grundstein gelegt hatte, weil die bisherigen Kapazitäten trotz Drei-Schicht-Betrieb an ihre Grenzen stießen und immer wieder Lohnhersteller beauftragt werden mussten. 2020 sollte Einweihung gefeiert werden. Doch dann kam Corona.
„Zum ersten Mal in unserer Geschichte überhaupt hatten wir weniger Aufträge“, beschreibt Engelhard die damalige Situation. Auch dass man die Belegschaft in Kurzarbeit schicken musste, sei eine Zäsur gewesen. Natürlich habe es damals auch Verunsicherung gegeben: „Wir haben viel erklärt. Heute können wir sagen, dass unser Team gut mitgegangen ist. Das hat sehr geholfen – nicht nur weil man gespart hat, sondern auch weil man noch einmal zusammengerückt ist.“
Das war wichtig. Denn mit seinen Klassikern Isla und Prospan ist Engelhard seit jeher stark im Erkältungsbereich vertreten – entsprechend war das Unternehmen besonders stark von der Pandemie getroffen: Zeitweise brachen die Umsätze um 37 Prozent ein. Bedauerlich findet Engelhard, dass die bei Atemwegserkrankungen bewährten Arzneimittel von vielen Ärzten nur zurückhaltend empfohlen wurden und die Patienten mehr oder weniger alleine gelassen wurden. „Die Apotheken haben ihr Bestes getan.“
Erstaunlich ist vor dem Hintergrund der eingebrochenen Nachfrage, dass es laut Engelhard kaum Probleme mit größeren Retouren gegeben hat und dass man – zumindest in reduziertem Umfang – durchgehend produzieren konnte. Unbehagen merkt man dem Firmenchef jedenfalls nicht mehr an. Den Begriff vom Klumpenrisiko räumt er direkt ab: „Wir sehen unsere Fokussierung als Stärke und nicht als Problem.“ Vorteile habe man etwa, weil man die Produkte in 100 Ländern vertreibe und damit Bestellungen viel besser ausgleichen könne als andere Unternehmen. Gleichwohl seien zusätzliche Indikationen immer interessant, daher würden seit einiger Zeit auch wieder neue Produkte eingeführt: Mit Velgastin habe man etwa 2020 ein Produkt gegen Blähungen auf den Markt gebracht.
„Hat uns Corona geschadet? Ich würde sagen, es hat uns aufgehalten“, zieht Engelhard ein ganz persönliches Fazit. Viele Ideen seien liegen geblieben, viele geplante Projekte müsse man jetzt nach und nach aufarbeiten.
Längst läuft das Unternehmen wieder im Normalbetrieb, gerade aus dem Ausland gebe es eine sehr große Nachfrage. „Viele Bestellungen werden aktuell nachgeholt, die wir im Dreischichtbetrieb abarbeiten.“ Auch der Außendienst sei wieder mit großer Begeisterung unterwegs und werde in Apotheken und Praxen positiv empfangen. „Das ist natürlich etwas, das nach zwei Jahren Pause wirklich gut tut.“
Einfacher geworden ist das Geschäft aber nicht. Eine große Herausforderungen aus seiner Sicht: „Es ist viel schwieriger und komplexer geworden, den Bedarf zu antizipieren. Es gibt nicht mehr die klassische Erkältungswelle im Herbst und Winter.“ Im Sommer sei das Infektionsgeschehen gar nicht abgeflacht, Kinder und Erwachsene hätten vielfach mit Infektionen zu kämpfen gehabt. Die spannende Frage sei nun, ob und wie sich das Erkältungsgeschehen wieder einpendele.
Problem Nummer 2 seien die steigenden Kosten. „Wir haben zum Glück laufende Verträge, aber natürlich wird es spannend, wenn wir kommenden Frühjahr neue Vereinbarungen schließen müssen.“ Zweistellige Kostensteigerungen gebe es trotzdem in so ziemlich allen Bereichen, von Rohstoffen über Packmittel bis hin zur Energie. Weitergeben ließen sich diese Belastungen nur verzögert und auch nur in begrenztem Umfang.
In dieser Gemengelage müsse man auch noch dafür sorgen, dass man nicht zu viel und nicht zu wenig bestelle und dass die Lieferketten nicht abrissen. Probleme könnten an vielen Stellen auftreten, vom Container über Produktionskapazitäten bis hin zu Hilfsstoffen. „Wir hatten einer Lieferanten, der aufgrund der Dürre nicht produzieren konnte.“ Daher sei die Disposition gefordert, „hier sind momentan starke Nerven gefragt“.
Dass der Markt vor einem Umbruch steht und neu verteilt wird, erwartet Engelhard zwar nicht. Er ist aber zu der Überzeugung gelangt, dass man in dieser für die gesamte Industrie schwierigen Zeit vor allem mit einer guten Verfügbarkeit punkten kann: „Wer lieferfähig ist, der profitiert.“ Hinzu kommen sollen bei Engelhard umfangreiche Services wie Schulungsangebote für die Apothekenteams.
Engelhard blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Ich habe mir meinen Optimismus immer bewahrt und würde es mal so sagen: Die Chancen liegen vor uns, sowohl was bestehende als auch neue Produkte betrifft.“
Das neue Gebäude wurde 2020 übrigens trotzdem in Betrieb genommen – gefeiert wurde online, wie es unter Corona eben nur möglich war. „Das einzig Gute war, dass wir nicht unter dem Druck des laufenden Betriebs umziehen mussten.“
APOTHEKE ADHOC Debatte