In mehreren Projekten laufen weltweit die Entwicklungen für einen Corona-Impfstoff auf Hochtouren. Doch selbst wenn eine Vakzine gefunden sein wird, ist der Kampf gegen das Virus noch lange nicht gewonnen. Laut David Loew, Chef von Sanofi Pasteur, würden bis zu 16 Milliarden Impfdosen benötigt, um die ganze Weltbevölkerung zu schützen – eine nie dagewesene Herausforderung.
Bei einer Weltbevölkerung von 7 bis 8 Milliarden Menschen bestehe ein Bedarf von 16 Milliarden Dosen. Loew: „Sagen wir mal, dass die Hälfte der Bevölkerung geimpft wird, sind wir also bei 8 Milliarden Dosen. Das sind gigantische Volumina, die man sich kaum vorstellen kann. Zum Vergleich: Sanofi Pasteur produziert heute über alle Impfstoffe hinweg mit seinen 12.000 Mitarbeitern eine Milliarde Dosen im Jahr. Wir stehen vor einer Herausforderung, wie wir sie noch nie gesehen haben“, sagte der Chef der Impfstoffsparte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Nach ersten Schätzungen könne man sich vorstellen, dass Sanofi in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres 100 bis 600 Millionen Dosen herstellen könne. Doch es herrsche noch viel Unsicherheit, „wir wissen zum Beispiel noch gar nicht, wie groß die einzelnen Dosen sein müssen“. Er gehe davon aus, dass man in der zweiten Hälfte dieses Jahres mit den klinischen Tests der Phase I beginne. Sanofi treibe zwei Impfstoffkandidaten voran.
Die zweite Herausforderung sei die Frage der Produktion im großen Stil. Kleinere Unternehmen wie BioNTech und CureVac aus Deutschland arbeiteten auch an der „Messenger RNA“, das seien vielversprechende Ansätze. BionNTech kooperiere zudem mit Pfizer, „da sind wir quasi im gleichen Boot“. Aber dennoch gelte: „Auch wenn einige an der Börse mehrere Milliarden Euro wert sind, haben sie noch nie hunderte von Millionen von Dosen produziert“, so Loew.
Sanofi sei mit Investitionen von mehreren 100 Millionen Euro dabei, die Produktionskapazitäten ausbauen. „Es braucht insgesamt mehrere Milliarden, um die Kapazitäten hochzufahren, und zwar so schnell wie möglich. Die ganze Industrie sucht derzeit etwa Abfüll- und Verpackungsanlagen. Da können Sie nicht nur ein Gebäude mit 200 Mitarbeitern haben, wir müssen gigantische Volumen durchschleusen“, so Loew. Es fehle auch an Spritzen, deshalb setzte man auf Verabreichungen in multiplen Dosen. Die Frage sei zudem, ob es genügend Rohstoffe gebe.
Zur Finanzierung müsse die Industrie jetzt mit den Regierungen zusammenarbeiten. Die EU müsse die Entscheidung treffen, wie sie die Beschleunigung der Prozesse unterstützen könne. Die Industrie könne nicht das ganze Risiko tragen. Loew: „Wir brauchen das Versprechen, dass gewisse Volumen zu einem gewissen Preis abgenommen werden. Es muss einen Risikopakt geben.“ Derzeit gebe es 79 Impfstoff-Kandidaten in der Forschung. Alle möglichen Universitäten behaupteten, bald einen Impfstoff zu haben. Es sei toll, dass alle versuchten, wissenschaftlich neue Daten zu generieren, „aber es braucht jetzt eine Koordination in der Frage, auf welche fünf oder acht Pferde setzen wir?“
Loew warnt zudem vor internationalen Spannungen: „Wer als erster den Impfstoff hat, kommt als erster aus der Wirtschaftskrise.“ Die Wirtschaftsblöcke würden die Impfstoff-Entwicklung und Herstellung auf ihren eigenen Territorien fördern, doch ihre Ergebnisse nicht teilen. „Die Vereinigten Staaten werden sagen: Wir haben das finanziert, wir brauchen das jetzt für uns. Bei den Chinesen wird es ähnlich sein.“
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