Wenn NEM zu viel versprechen Alexander Müller, 12.09.2022 08:58 Uhr
Gerade in der Frühphase der Pandemie haben viele Hersteller bei der Bewerbung ihrer Produkte Bezug auf das Coronavirus genommen. Und immer wieder sind sie dabei über das Ziel des rechtlich Zulässigen hinausgegangen. Das gilt auch für das Unternehmen Naturavitalis, dass bei der Bewerbung seiner Nahrungsergänzungsmittel eine Grafik verwendete, die aus Sicht des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) unzulässig war.
Auf der Webseite des Herstellers waren verschiedene stilisierte Viren und Bakterien dargestellt, außerdem ein Mann, der diese mit der ausgestreckten Hand abwehrt. Daneben stand „Volle Power für Ihr Immunsystem“. Juristisch ging es im Rechtsstreit um Artikel 7 Absatz 3 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), wonach krankheitsbezogene Aussagen für Lebensmittel unzulässig sind. Zweiter Punkt ist die Health Claims Verordnung (HCVO), die gesundheitsbezogene Aussage regelt.
Kritik der Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale hatte moniert, dass Verbraucher:innen suggeriert werde, das Produkt könne aktiv vor Infektionen schützen. Das Landgericht Essen teilte diese Auffassung in erster Instanz. Jetzt hat das OLG Hamm diese Entscheidung bestätigt.
Der Hersteller meinte im Berufungsverfahren, das Landgericht habe die HCVO falsch angewendet: „Volle Power für Ihr Immunsystem“ sei keine produktspezifische Angabe, sondern eine reine „Themenüberschrift“ – vergleichbar mit einer Abteilung im Drogerie- oder Supermarkt. Der eigentliche Produktbezug erfolge erst, wenn die Verbraucher:innen durch diesen „Wegweiser“ zu den konkreten Produkten geleitet würden. In der Grafik werde nur allgemein die Funktion des Immunsystems dargestellt.
Produktbezug gegeben
Die Wettbewerbszentrale fand das an der Sache vorbei argumentiert. Denn neben der umstrittenen Überschrift seien konkrete Produkte des Herstellers abgebildet. Der Bezug zu den Lebensmitteln sei also eindeutig gegeben.
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Die den Krankheitserregern entgegengestreckte Hand symbolisiere, dass die darunter abgebildeten Produkte die Immunabwehr stärkten. Die Werbung wurde zudem zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 geschaltet – ohne dass diese allerdings direkt erwähnt wurde oder dies für die Entscheidung erheblich gewesen sei.
Die EU-Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln umfasst eine sehr konkrete Liste, welche bestimmte Wirkung mit welchem Nährstoff, Substanz oder Lebensmittel in Beziehung gesetzt werden darf. Diese Bedingungen seien hier nicht erfüllt.
Revision hat das OLG nicht zugelassen. Hersteller Naturavitalis kann dagegen noch Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.