Wegovy: Novo Nordisk bezahlte Befürworter Hanna Meiertöns, 14.03.2023 15:06 Uhr
Wegovy (Semaglutid) wurde 2022 durch die EU-Kommission zugelassen. Experten, die das Präparat öffentlich lobten, scheinen vom Hersteller Novo Nordisk Zuwendungen erhalten zu haben, wie die britische Zeitung „Oberserver“ berichtet.
Bislang ist das Arzneimittel nur in den USA erhältlich, Berühmtheiten wie Kim Kardashian und Elon Musk schrieben ihre Abnehmerfolge öffentlich den Spritzen zu, in den sozialen Medien ging der Wirkstoff Semaglutid viral. Der Abnehmmarkt ist sehr lukrativ, die Verkäufe von Ozempic (Indikation Diabetes) und Wegovy (Indikation Adipositas/Übergewicht) sind bei Novo Nordisk im vergangenen Jahr um 84 Prozent gestiegen – auf 2,4 Milliarden US-Dollar. Zuletzt war der Wirkstoff auch in Deutschland aufgrund der erhöhten Nachfrage nur schlecht zu bekommen, es wurde vor Rezeptfälschungen gewarnt.
Auch Gesundheitsexpert:innen und Organisationen befürworteten die „Abnehmspritze“, in der vergangenen Woche verkündete Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), dass der Wirkstoff bald nicht nur für Diabetiker:innen, sondern auch für Patient:innen mit Übergewicht verfügbar sein wird. Voraussetzungen sind ein Body-Mass-Index über 35 und mindestens eine weitere gewichtsbegründete Erkrankung wie Bluthochdruck.
Interessenskonflikte undurchsichtig
Die appetithemmenden Wegovy-Injektionen seien bislang „eins der stärksten pharmazeutischen Werkzeuge“, um Übergewicht zu behandeln, sagte Professor Dr. Jason Halford demnach in einem Beitrag bei BBC Radio, den Millionen Zuhörer:innen verfolgten. Seine finanziellen Verbindungen zu Novo Nordisk seien dabei allerdings nicht offengelegt worden, heißt es im Beitrag: Er sei ehemaliger Berater des Konzerns und nun Präsident einer Adipositas-Organisation, die insgesamt über 3,6 Millionen Pfund von Novo Nordisk erhalten hatte.
Ein anderer Experte, Nick Finer, nannte Wegovy einen „Gamechanger“: Er sei bis zum vergangenen Juli allerdings Senior Clinical Scientist bei Novo Nordisk gewesen und besitze Aktien an der Firma. Ein weiterer Wissenschaftler, Professor Dr. John Wilding, der das NICE beraten hatte, sei Präsident einer Organisation gewesen, die insgesamt mehr als 4,3 Millionen Pfund von Novo Nordisk erhalten hatte – das sei aus seiner Interessensdeklaration nicht hervorgegangen. Novo Nordisk habe zwischen 2019 und 2021 insgesamt über 3500 Zahlungen getätigt, unter anderem an Gesundheitsorganisationen und Experten, in Höhe von insgesamt 21,7 Millionen Pfund.
Die World Obesity Federation (WOF), die darauf pocht, dass die Behandlung als „essenzieller Gesundheitsservice” bezahlt wird, erhielt demnach in dem Zeitraum über 4,3 Millionen Pfund von Novo Nordisk, die Europöische Assoziation für die Studie von Übergewicht (EASO) erhielt über 3,6 Millionen Pfund. Beide Organisationen gehören zur UK Association for the Study of Obesity (ASO), die gegenüber NICE aussagte, dass Wegovy „aktuell mit Abstand die effektivste Behandlung für Übergewicht” sei.
Keine eindeutigen Regelverstöße
Durch die Zahlungen seien laut „Observer" keine Regeln gebrochen worden, der Konzern habe laut eigenen Aussagen niemals absichtlich außerhalb der gesetzlichen Regelungen oder Rahmenbedingungen gehandelt. Die Expert:innen versichern zudem, nicht beeinflusst worden zu sein. Kritiker:innen sehen das anders.
Professor Dr. Simon Capewell, Professor im Ruhestand am Institut für Bevölkerungsgesundheit an der Universität Liverpool beschrieb das Vorgehen als einen Versuch „Einfluss und positive Meinungen zu kaufen”, das sei „völlig inakzeptabel”. Das sei eine „orchestrierte PR-Kampagne” und er bedauere, dass sich viele Kolleg:innen daran beteiligt hätten. Allyson Pollock hingegen, Professorin für öffentliche Gesundheit an der Newcastle Universität beschrieb die Kampagne von Novo Nordisk als „nicht unüblich“ in der pharmazeutischen Industrie, die Öffentlichkeit werde insgesamt nicht ausreichend über die mögliche Voreingenommenheit aufgeklärt. NICE werde nun prüfen, ob die geltenden Regeln bezüglich der Interessenkonflikte befolgt worden seien.
Aktuell laufe gegen den Konzern auch ein Untersuchungsverfahren der britischen Pharmaaufsicht wegen Online-Seminaren für ein anderes Arzneimittel zur Gewichtsreduktion – Novo Nordisk werde vorgeworfen, mit „verschleierten Werbekampagnen“ siebenmal gegen den Branchenkodex verstoßen haben.