Manch einer mag sagen, dass im Zeitalter von digitaler Sichtwahl und individuell bespielbarem Display in der Offizin Schaufenster nicht mehr die größte Werberolle in der Apotheke spielen. Doch Schaufenster sind das Gesicht eines jeden Geschäfts, sagt Heike Belgert, Inhaberin des Art Window Werbeateliers in Berlin. Sie bestückt regelmäßig um die zehn Apothekenschaufenster in der Hauptstadt und ist eine echte Expertin auf ihrem Gebiet.

Auch zu Beginn des bundesweiten Lockdowns und darüber hinaus hat sie „ihre“ Apotheken betreut und ganz unterschiedliche Schaufenster gestaltet: Eine Apotheke wurde mit handbemalten Buddha-Figuren, Bambus und weisen Aussagen ausgestattet, um die Betrachter in dieser stressigen Zeit zu beruhigen und die verordnete Auszeit zu Hause zu betonen. In einer anderen wurde auf den Mangel an Mund-Nasen-Bedeckungen und das persönliche Engagement der Apotheke, welche selbst Community-Masken produzierte, aufmerksam gemacht. Belgert weiß: „Es ist ungemein wichtig, sich in das jeweilige Thema einzuarbeiten. Dann kommen auch die Ideen für gute Gestaltung.“

Doch bevor man wild los dekoriert, sollte man sich immer bewusst sein, was man mit der Dekoration erreichen will. Das ideale Endergebnis einer guten Schaufenstergestaltung kann nämlich viel mehr sein, als einfach nur den Umsatz bestimmter Produkte zu steigern und schön auszusehen. Je nach Thematisierung und Platzierung von Details kann es Anstöße zum Nachdenken geben, aber auch informieren. Es kann den Betrachtern unbewusst ein gutes Gefühl geben oder sie zum Schmunzeln bringen und dem positiven Ansehen der Apotheke zuarbeiten. „Das Schaufenster ist eine liebevoll werbende und kontinuierliche Kundenansprache mit dem Ziel fachliche Kompetenz, Freundlichkeit und gern auch Humor unaufdringlich zu suggerieren. Und das sieben Tage die Woche“, so Belgert.

Nicht immer tragen die dekorierten Apotheken-Schaufenster zu spontanen Kaufentscheidungen bei, wie man es beispielsweise beim Shoppingbummel durch die Einkaufsstraße mit vielen Bekleidungsgeschäften kennt. Bei Apotheken läuft das eher subtil: „Nicht jeder Passant hat Probleme beim Wasserlassen oder Haarausfall, nur weil dieses Thema gerade im Schaufenster gestaltet wurde. Wenn dann jedoch auch so ein schwieriges Thema toll und appetitlich gestaltet ist, weckt es wie nebenbei das Vertrauen in puncto persönlicher Umgang der Apotheke bei heiklen Themen. Ein sauberes und freundliches Schaufenster wird beim Passanten unterbewusst mit der Arbeit der Apotheke gleichgesetzt“, so Belgert.

Eine Studie des HI Retail Institute in Köln hat ebenfalls bestätigt, dass Schaufenster im Handel als Informations- und Inspirationsquelle für Kunden weiterhin an Bedeutung gewinnen. Sie gehören immer noch zum wichtigsten, branchenübergreifenden Marketingwerkzeug ­– vorausgesetzt, die Gestaltung ist gut umgesetzt. Hierbei sind die visuelle Wahrnehmung sowie die Reizverarbeitung ebenfalls sehr relevant: Eine andere Studie hat ergeben, dass der Mensch innerhalb von drei Sekunden drei Dinge bewusst und sieben Dinge unbewusst wahrnimmt.

Tipps zur Schaufensterdekoration:

• Die „Kundenbrille“ aufsetzen: Jeden Morgen kritisch auf den ersten Eindruck schauen
• Zielsetzung und Recherche, statt einfach losdekorieren
• Ideen in einem Skizzenbuch festhalten und sammeln
• Eyecatcher: Ein gutes Schaufenster braucht (mindestens) einen Blickfang. Idealerweise passt er thematisch perfekt zur Idee des Schaufensters.
• Bei der Positionierung der einzelnen Bestandteile die Augenhöhe der Passanten, die Laufrichtung und die räumlichen Gegebenheiten des Schaufensters berücksichtigen.
• Licht lockt Leute: Zu einem aufmerksamkeitsstarken Schaufenster gehört auch unbedingt eine gute Aus- und Beleuchtung. Strom kostet zwar Geld, aber dunkle Fenster kosten Kunden.
• Apotheken sollten im Schaufenster ihre Fachkompetenz im Beratungsbereich unterstreichen.
• Niemals die unbewusste Wahrnehmung des Betrachters unterschätzen