Patriarch zieht Konsequenzen

Walgreens: Pessina hört auf

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Berlin -

Der Patriarch verabschiedet sich: Stefano Pessina tritt von seinem Posten als CEO von Walgreens Boots Alliance (WBA) zurück. Der mächtigste und reichste Apothekenchef der Welt zieht damit die Konsequenzen aus den Schwierigkeiten, die WBA mit dem Umgang der Covid-19-Pandemie hat. Die haben aber nur die Probleme verschärft, die den Konzern ohnehin seit Jahren plagen.

Die Covid-19-Pandemie kam für die wenigsten Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt. Ausgerechnet den Apotheken- und Pharmagroßhandelskonzern WBA hat sie aber besonders hart getroffen: Wegen des massiven Drucks zur Umstrukturierung ohnehin in schwerem Fahrwasser, hat die Krise bei WBA besonders hart eingeschlagen. Konzernpatriarch Stefano Pessina zieht deshalb nun die Konsequenzen: Am Montag gab das Konzernhauptquartier in Deerfield im US-Bundesstaat Illinios bekannt, dass Pessina seinen Posten als CEO zur Verfügung stellt, sobald der Aufsichtsrat einen Nachfolger gefunden hat.

Ganz in den Ruhestand verabschieden will sich der 79-Jährige allerdings nicht: Auch nach der Staffelübergabe will er dem Konzern als Aufsichtsratsvorsitzender zur Verfügung stehen. Der bisherige Aufsichtsratschef James Skinner werde dazu zurücktreten, aber weiter Mitglied des Gremiums bleiben. Die Personalrochade solle helfen „die weitere Entwicklung in den zentralen strategischen Zielen voranzutreiben und das Geschäftsmodell zukunftsfest zu machen, um mit dem sich schnell entwickelnden Gesundheitssektor Schritt zu halten“, schreibt WBA.

Pessina war seit der Fusion von Walgreens und Alliance Boots im Dezember 2014 am Steuer. Im Januar 2015 wurde er zunächst zum Interims-CEO berufen und im darauffolgenden Juli zum ordentlichen CEO ernannt. Zeitgleich wurde Skinner Aufsichtsratsvorsitzender und behielt den Posten ebenfalls bis heute.

Pessinas Aufstieg begann aber mitnichten mit der Megafusion 2014. Die Wurzeln des ersten globalen Apothekenkonzerns liegen im Neapel der 70er-Jahre: Eigentlich hatte Pessina einst in Mailand Nukleartechnik studiert. Doch in den 1970er Jahren wurde Kernenergie zunehmend unpopulär, also kehrte er seinem Beruf den Rücken. Nach einem Zwischenstopp beim Marktforschungsunternehmen AC Nielsen stieg er 1973 auf Bitten seines Vaters Oreste in das Familienunternehmen ein: eine Pharmagroßhandlung in Neapel. 1977 gründete er die Alleanza Farmaceutica mit zunächst zehn Niederlassungen. 1982, Pessina war noch ein regionaler Anbieter, gründete die Apothekerin Ornella Barra in Genua den Großhändler Di Pharma. Nach der Fusion mit Di Pharma 1986 wurde Alleanza restrukturiert. Jeden Monat eröffnete eine neue Niederlassung. Ab 1988 kooperierte Alleanza mit verschiedenen Großhändlern in Frankreich. Aus dem Verbund ERPI wurde 1991 Alliance Santé.

1997 folgte die Fusion mit dem britischen Großhändler UniChem. Im Sommer 2005 lud Pessina die Chefs der Drogeriekette Boots auf seine Yacht vor Sardinien. Ein Jahr später stand der Deal: Pessina, Barra und Boots-Chef Richard Baker fusionierten die Unternehmen. 2010 wurde die Anzag übernommen und in Alliance Healthcare Deutschland umbenannt. Im Sommer 2012 stieg die US-Apothekenkette Walgreens bei Alliance Boots ein. Zum Jahreswechsel 2014/15 stand der Gemeinschaftskonzern.

Doch für den Konzern lief es in den zurückliegenden Jahren nicht so gut. Der digitale Wandel und die damit verbundene Erosion des Modells einer Kette von Präsenzapotheken machen WBA seit Langem zu schaffen. Unter anderem mit zahlreichen Digital-Kooperationen und einem harten Sparkurs versucht WBA seit Jahren, das Ruder rumzureißen. Anfang des Jahres war die Lage bereits ernst: Zwar war der Umsatz 2019 stabil, unterm Strich stand jedoch ein operativer Verlust von 1,6 Milliarden US-Dollar. Und dann schlug die Pandemie ein. Vor allem der britische Markt wurde von Filialschließungen gebeutelt, aber auch weit darüber hinaus sank die Zahl der Arztbesuche, während sich das Kundenverhalten ins Internet verlagert. Anfang Juli bezifferte Pessina die Einbußen durch die Pandemie auf 700 bis 750 Millionen US-Dollar. Der bisherige Sparkurs muss deshalb noch weiter verschärft werden: Rund 4000 Stellen wolle der Konzern streichen, gab er bekannt, das entspricht 7 Prozent der Belegschaft. Nicht nur die tragen nun die Konsequenzen, sondern auch der Chef selbst.

 

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